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Bewertung:4

Wie kann ein Autor, der so wunderschön schreibt, gleichzeitig so entsetzlich langweilig sein? Marcel Proust bliebt mir auch nach Band 3 der Recherche ein Rätsel. Im Grunde ist auch dieses Buch für mich nicht in einer simplen Sternenanzahl bewertbar. Was am Ende doch überwiegt, ist die Faszination über diesen ungewöhnlichen Autor und sein Lebenswerk. Ich kenne kaum jemand, der so fein beobachtet, beschreibt und analysiert. Sein Ich-Erzähler ist von einer Hochsensibilität bezogen auf seine Sinnesorgane und seinem Sozialverhalten, dass er jede Regungen, Veränderungen und Nuancen einer Begebenheit aufnimmt, verarbeitet und eine allgemeine Theorie über den Menschen und die Dinge aufstellt, die dann schon fast an Arroganz erinnert. Oder zumindest eine Neunmalklugkeit. Dazu dieser nicht endenwollende Fundus an Methapern. Alles wird bildhaft verglichen und reiht sich in ultralangen Schachtelsätzen. Unglaublich. Das begeistert mich vor allem, wenn der Ich-Erzähler von sich selbst, seiner Familie oder dem näheren Umfeld erzählt. Aber leider geht es in Band 3 um sein Speichellecken an den widerwärtig lästernden und dummen Aristokraten im Fin de siecle, in erster Linie um die Herzogfamilie Guermantes, in deren Gesellschaft er sich einzuschmeicheln versteht und deren Salon- und Tischgespräche gefühlt zwei Drittel des Romans ausmachen. Ach ja, und das ist einfach zu lang für meinen Geschmack. Ich dachte schon bis 100 Seiten vor Schluss, dass es sich bei mir dann mal ausgeproustet für längere Zeit. Da kommt plötzlich eine Szene, in der ein gewisser Adliger namens Charlus unserem blassen, namenlosen Ich-Erzähler eine verbale, aggressive Vorhaltung macht und damit schon irgendwie das Interessen an "Sodom und Gomorrah", dem Band 4, und die sich langsam entwickelnde homosexuellen Neigung des Protagonisten weckt. Geholfen am Weiterlesen hat mir diesmal auch die Parallellektüre [b:Wie Proust Ihr Leben Verändern Kann. Eine Anleitung|879909|Wie Proust Ihr Leben Verändern Kann. Eine Anleitung|Alain de Botton|https://i.gr-assets.com/images/S/compressed.photo.goodreads.com/books/1365956293l/879909._SY75_.jpg|14280396], die mir den Sonderling Proust näher gebracht hat. Ich habe seine Ausdrucksweise im als Selbstverliebtheit gedeutet und lag damit völlig falsch. Im Grunde war Proust mit wenig Selbstwertgefühl ausgestattet, liebte aber das Schöne, verabscheute Klischees, auch im Schreibstil und entwickelte daher diesen eigenen Schreibstil, der partout nicht die üblichen Adjektive für die Beschreibung eines Sachverhalts beinhaltet, sondern stets besonders sein will. Irgendwann geht also auch für mich die Recherche weiter.

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Frankfurter Ausgabe
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Frankfurter Ausgabevon Marcel ProustSuhrkamp
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Bewertung:4

Wie kann ein Autor, der so wunderschön schreibt, gleichzeitig so entsetzlich langweilig sein? Marcel Proust bliebt mir auch nach Band 3 der Recherche ein Rätsel. Im Grunde ist auch dieses Buch für mich nicht in einer simplen Sternenanzahl bewertbar. Was am Ende doch überwiegt, ist die Faszination über diesen ungewöhnlichen Autor und sein Lebenswerk. Ich kenne kaum jemand, der so fein beobachtet, beschreibt und analysiert. Sein Ich-Erzähler ist von einer Hochsensibilität bezogen auf seine Sinnesorgane und seinem Sozialverhalten, dass er jede Regungen, Veränderungen und Nuancen einer Begebenheit aufnimmt, verarbeitet und eine allgemeine Theorie über den Menschen und die Dinge aufstellt, die dann schon fast an Arroganz erinnert. Oder zumindest eine Neunmalklugkeit. Dazu dieser nicht endenwollende Fundus an Methapern. Alles wird bildhaft verglichen und reiht sich in ultralangen Schachtelsätzen. Unglaublich. Das begeistert mich vor allem, wenn der Ich-Erzähler von sich selbst, seiner Familie oder dem näheren Umfeld erzählt. Aber leider geht es in Band 3 um sein Speichellecken an den widerwärtig lästernden und dummen Aristokraten im Fin de siecle, in erster Linie um die Herzogfamilie Guermantes, in deren Gesellschaft er sich einzuschmeicheln versteht und deren Salon- und Tischgespräche gefühlt zwei Drittel des Romans ausmachen. Ach ja, und das ist einfach zu lang für meinen Geschmack. Ich dachte schon bis 100 Seiten vor Schluss, dass es sich bei mir dann mal ausgeproustet für längere Zeit. Da kommt plötzlich eine Szene, in der ein gewisser Adliger namens Charlus unserem blassen, namenlosen Ich-Erzähler eine verbale, aggressive Vorhaltung macht und damit schon irgendwie das Interessen an "Sodom und Gomorrah", dem Band 4, und die sich langsam entwickelnde homosexuellen Neigung des Protagonisten weckt. Geholfen am Weiterlesen hat mir diesmal auch die Parallellektüre [b:Wie Proust Ihr Leben Verändern Kann. Eine Anleitung|879909|Wie Proust Ihr Leben Verändern Kann. Eine Anleitung|Alain de Botton|https://i.gr-assets.com/images/S/compressed.photo.goodreads.com/books/1365956293l/879909._SY75_.jpg|14280396], die mir den Sonderling Proust näher gebracht hat. Ich habe seine Ausdrucksweise im als Selbstverliebtheit gedeutet und lag damit völlig falsch. Im Grunde war Proust mit wenig Selbstwertgefühl ausgestattet, liebte aber das Schöne, verabscheute Klischees, auch im Schreibstil und entwickelte daher diesen eigenen Schreibstil, der partout nicht die üblichen Adjektive für die Beschreibung eines Sachverhalts beinhaltet, sondern stets besonders sein will. Irgendwann geht also auch für mich die Recherche weiter.

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Frankfurter Ausgabe
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Frankfurter Ausgabevon Marcel ProustSuhrkamp