24. Apr. 2025
Die Matrix wurde in Polen erfunden
Bewertung:4

Die Matrix wurde in Polen erfunden

Stanisław Lem ist bekannt für seine Science Fiction Geschichten, die die Vorstellungskraft auf die Probe stellen, die Gesellschaft in Frage stellen und auf die weite Reise zu den Sternen einladen. In diesem eher ungewöhnlichen Werk allerdings bleibt Lems Held, Ijon Tichy, auf der Erde. Es gilt einem Kongress zur Futurologie beizuwohnen, sich mit den Problemen einer modernen Science Fiction Gesellschaft zu beschäftigen: Mit Politik, Korruption und maßloser Übervölkerung der Erde. Mit einem Schreibstil typisch für mehr oder weniger verdeckt gesellschaftskritische Romane aus der Sowjetzeit erzählt Lem uns hier eine makaber sarkastische und absolut skurrile Geschichte, eine bissig zynische Dystopie, die anmutet wie ein einziger Fiebertraum und doch genau die richtigen Fragen stellt. Tichy auf seiner Reise zu folgen ist nicht ganz leicht, groß ist die Verwirrung, noch vertrackter ein Katz und Maus Spiel, bei dem man nicht weiß, wer denn die Katze ist. Lem schafft es, gleichzeitig politisch Stellung zu beziehen und auch die Menschheit als ganzes zu kritisieren, ohne dabei ein System über das andere zu stellen und dabei sogar noch zum Lachen zu bringen. Was an diesem Buch aber trotzdem stört, ist der unterschwellige Sexismus, die Objektifizierung von Frauen nach Aussehen und Moden und ihre ansonsten vollständige Abwesenheit und Relevanz. Das hätte doch gerade ein Autor aus der Sowjetunion besser wissen können. Ansonsten eine Dystopie, die sich in die Reihe anderer Klassiker einfügt, ein Gedankenexperiment, das man nicht so schnell wieder vergisst und das vor allem eine Frage zurücklässt: Was zur Hölle habe ich da gerade gelesen?

Der futurologische Kongreß
Der futurologische Kongreßvon Stanisław LemSuhrkamp