Schmerzhafter und ehrlicher Rückblick von Annie Ernaux auf das Leben ihrer Mutter- dabei sehr einfühlsam beschrieben
Ein interessantes Buch
In diesem Buch geht es um das Leben der Mutter von Annie Ernaux. Es ist schon eine Weile her, dass ich dieses Buch gelesen habe und damals neugierig war auf die Schreib- und Erzählweise der Autorin. Es war kein Buch, was mich umgehauen oder sehr bewegt hat. Aber was mir in Erinnerung geblieben ist, war ihre Art das Leben ihrer Mutter damals und bis zu ihrer Alzheimer Erkrankung und den Tod zu beschreiben: klar, auf den Punkt und mit genau dem richtigen Einfühlungsvermögen. Es war für mich ein gut zugängliches und interessantes Buch, welches ich gerne gelesen habe🙂.
Annie Ernaux schafft es, mit wenigen Worten alles zu sagen. Jede Empfindung war real bei der Lektüre. Jede Träne war es am Ende wert.
Hommage an eine Mutter
Eine Schöne Hommage an die Mutter. Schön erzählt und mit einer spürbaren Wärme.
»Manchmal stand ihr in Gestalt ihrer Tochter der Klassenfeind gegenüber.«
Annie Ernaux erzählt rückblickend über das Leben ihrer Mutter. Sie beschreibt präzise die Stationen ihres Lebens. Im Fokus steht der soziale Aufstieg und die Klassenunterschiede zwischen Mutter und Tochter, die sich durch Codes und Sprache abzeichnen.
Ich hatte vor "Der Platz" und "Eine Frau" noch nie etwas von Annie Ernaux gelesen und ich weiß inzwischen überhaupt nicht mehr, weshalb eigentlich nicht. Ich muss zugeben, erst durch die Überreichung des Literaturnobelpreises 2022 wurde ich auf sie aufmerksam. Geradezu sträflich, muss ich sagen. Da ich die beiden biographischen Erzählungen sehr schlecht voneinander trennen kann, habe ich beschlossen, sie gemeinsam zu rezensieren. In den beiden Büchlein "Der Platz" und "Eine Frau" schreibt Ernaux über das Leben und den Tod ihres Vaters 1967 bzw. ihrer Mutter 1987. Erschienen ist das Buch über den Vater erst 1983, wohingegen sie ihr Buch über Leben und Tod ihrer Mutter relativ direkt nach deren Tod 1987 geschrieben hat und es dann auch zeitnah erschienen ist. Ich mochte die direkte, schnörkellose und geradezu emotionslose Erzählweise von Annie Ernaux. Ich weiß nicht, ob sie immer so schreibt (ihr aktuellstes Buch "Der junge Mann" liegt schon bereit), aber ich vermute, sie wollte eine gewisse Distanz wahren, um überhaupt über ihre Eltern schreiben zu können. Beide Eltern kamen aus sehr ärmlichen Verhältnissen, waren Zeit ihres Lebens bemüht, ihren gesellschaftlichen Status zu verbessern bzw. zu halten und der Tochter ein besseres Leben zu ermöglichen. Der Vater, eigentlich aus einem bäuerlichen Niveau stammend, erwirbt irgendwann mit seiner Frau einen kleinen Dorfladen, der der Familie dann zwar keinen Wohlstand aber zumindest gewisse Annehmlichkeiten ermöglicht. Der Vater verzichtete auf jeglichen Luxus, trank z.B. auch nicht, er wollte "seinen Platz" halten, ein Hinweis auf den Titel des Buches, dies wird auch an anderen Stellen in den beiden Büchern erwähnt. Der Vater will seinen Platz halten Der Tochter gelingt der gesellschaftliche Aufstieg dann auch tatsächlich, muss sich allerdings in diesem Zusammenhang ein Stück weit von ihren Eltern distanzieren. Auf dem Einband von "Der Platz" wird dies - für mich nicht ganz nachvollziehbar - als "Verrat der Tochter an ihren Eltern" bezeichnet. Für die Tochter war es immer schwierig, mit den Eltern (vor allem mit dem Vater) z.B. über die Schule oder später über das Studium zu reden. Der Vater konnte mit ihrem Bildungsniveau nichts anfangen (oder er wollte einfach nicht?), hatte immer wieder Bemerkungen für sie übrig ("Du denkst wohl, du bist etwas besseres"), etwas, womit sich viele Kinder mit einem anderen Bildungsniveau als das ihrer Eltern herumschlagen müssen. Auch ich kann mich an einige Auseinandersetzung diesbezüglich mit meinem Vater erinnern, die mich als Kind bzw. Teenager sehr belastet haben. Die Mutter hingegen, war sogar sehr interessiert an Annies Schulbildung, sie wollte gemeinsam mit ihr Lesen und gewöhnte sich bestimmte Begriffe der Tochter an. Bildung war für die Mutter gleichbedeutend mit gesellschaftlichem Aufstieg. Beide Bücher sind sehr schön zu lesen, wenn man sich auf den Schreibstil von Annie Ernaux einlassen kann, ganz wichtig finde ich auch noch, dass beide biographische Erzählungen unbedingt zusammen gehören. Absolute Leseempfehlung meinerseits.
S.89 „Ich habe dir letzte Brücke zu der Welt, aus der ich stamme, verloren“ Annie Ernaux schreibt 10 Monate lang, nach dem Tod ihrer Mutter. Sie möchte keine Biografie und kein Roman schreiben, „eher etwas zwischen Literatur,Soziologie und Geschichtsschreibung“. Sie erzählt von ihrer Mutter, die ihn einfachen Verhältnissen in der Normandie aufgewachsen ist, Arbeiterin war, heiratet und einen Laden zusammen mit ihrem Mann betreibt. Nicht rührselig, auch nicht anklagend, sondern klar formuliert beschreibt sie die Umstände des Lebens. Den Wunsch der Mutter nach sozialem Aufstieg, wenn nicht für sie, dann zumindest für die Tochter. Das schwierige Verhältnis zwischen der Tochter und Mutter ab der Pubertät, das Auseinanderdriften durch die verschiedenen Welten und trotzdem verbunden. Wirklich bewundernswert, wie Ernaux mit wenigen Worten so viel erzählen kann. Empfehlenswert.
Liest sich schnell und ist eine interessante Mutter-Tochter-Beziehung hat mich aber irgendwie nicht umgehauen oder mehr beschäftigt.
Ein Rückblick . Berührend. Lesenswert.

Ein unglaubliches, kostbares Stück Literatur
Annie Ernauxs Büchlein "Eine Frau", von ihr unmittelbar nach dem Tod ihrer Mutter aufgezeichnete Erinnerungen, ist ein Geschenk, ein Schatz auf 89 Seiten Papier. Mit unglaublicher Präzision gelingt es der Autorin, schier unbeschreibliche Zusammenhänge und Empfindungen in Worte zu fassen. So entsteht eine Mischung aus biografischer Aufzeichnung und soziologischer Beobachtung, die als literarische Meisterleistung angesehen werden darf. Ohne bisher andere Werke der Autorin gelesen zu haben, ist es mir nach der Lektüre von "Eine Frau" völlig nachvollziehbar, weshalb Annie Ernaux 2022 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet worden ist. Nahtlos reiht sie sich ein in Namen wie Albert Camus, Jean-Paul Sartre oder Simone de Beauvoir (die unverständlicherweise den renommiertesten Literaturpreis der Welt nie erhalten hat).
Schöne Sprache, liebe die Verbindung einer persönlichen Lebensgeschichte und der Zeitgeschichte und den Blick das Erleben von Klassenunterschieden