In Anlehnung an das wenig hilfreiche Etikett „Autofiktion“ handelt es sich hier um eine Art „Autophilosophie“? Serres erzählt unglaublich farbenfroh von seinen Erfahrungen aus Kindheit Jugend und vergleicht diese skeptischen Blickes mit dem, was er heute vorfindet. Er verfällt dabei nicht der Versuchung, das Selbsterlebte und - erfahrene rosafarben zu verbrämen. Ein Beispiel gefällig? Wer sich heute reflexhaft über die Flut an Vorschriften beklagt, mit denen wir uns insbesondere im Berufsleben konfrontiert sehen, ist oder gibt sich ahnungslos und ignoriert, wieviel Schaden dadurch vermieden werden soll und auch wird. Schäden, die früher aus Unwissenheit und Bequemlichkeit hingenommen und erlitten wurden. Nach der Beschreibung des gehemigungslosen Transports eines ausgemusterten Krans von Bordeaux über eine Entfernung von zweihundert Kilometern in die Provinz in den vierziger Jahren liest, und welche Schäden an Gebäuden, öffentlichen Einrichtungen, Bäumen Menschen verursacht wurden, wird jeder froh sein, dass ein Schwertransport heute unzählige Genehmigungen erfordert. Optimistischer Wutanfall – genau das ist diese zutiefst sympathische Polemik. Mir hat es gut getan, diesem Ramentern zuzuhören.
23. Aug. 2023
Was genau war früher besser?von Michel SerresSuhrkamp