9. Jan. 2025
Bewertung:4

Woow, das war ein anspruchsvolles Buch, ich habe selten so lange zum Lesen einer Seite gebraucht, danach habe ich Infernal Devices gelesen und war schockier wie viel Seiten man doch in zehn Minuten lesen kann. Normalerweise nicht mein Genre, aber es war Stoff in Deutsch. Ich habe es gelesen, also warum nicht eine Review schreiben. Was mir gut gefiel: - Obwohl es um das furchtbare und menschenunwürdige Leben der Juden in einem polnischem Ghetto geht, liest es sich wie ein Märchen. Selten habe ich ein Buch gelesen was so ein hohes sprachliches Niveau hatte. Nur wenige Autoren verstehen sich darauf wirklich mit der Sprache umzugehen wie ein Künstler. Man hat beim Lesen des Romans nur sehr selten ein beklemmendes Gefühl aufgrund der Situation der Juden. Jurek Becker schafft es mit seinem Wortwitz eine einzigartige Atmosphäre zu schaffen und trotzdem immer wieder auf die Probleme und Gefahren damals hinzuweisen. Manchmal auch sehr subtil. - Die Geschichte an sich, von Jakob der unverhofft zum Lügner, aber in meinen Augen eher zum Hoffnungsträger in diesem Ghetto wird, gefiel mir gut. Die Nächstenliebe die trotz der harten Zeiten hier und dort deutlich zu spüren ist, hat mich überrascht und berührt. Außerdem wurden die Beziehungen zwischen den Charakteren sehr ausführlich beschrieben und jedem Charakter wurde eine gewisse Tiefe verliehen. Was mir nicht gefiel: - Der Autor springt oft und ohne es sprachlich einzuleiten zwischen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Das führt dazu, dass man eine Seite oder auch nur einen Absatz mehrmals lesen muss, um zu verstehen was gerade geschieht. Meinem Empfinden nach unterbricht das den Lesefluss, in dem man ansonsten gut zwanzig Seiten hätte lesen können. - Es wird nie klar, wer der Erzähler ist. Die Handlung wird aus der Sicht einer dritten, meist unbeteiligten Person erzählt. Manchmal erzählt der Erzähler auch aus der Ich Perspektive, wie er gewisse Dinge erfahren hat oder wie es im nach dem Krieg ergangen ist. Da der Autor, Jureck Becker auch zu dieser Zeit gelebt hat und ebenfalls in einem Ghetto und KZ war, könnte man vermuten es ist seine Geschichte. Aber das wird nie aufgeklärt. Verwirrend. Warum also vier Sterne? Es ist unfassbar wichtig auch solche Bücher zu lesen. Und Jakob der Lügner zeigt nicht nur das Leiden der Juden, sondern auch Hoffnung und ist eine Homage an die Menschlichkeit. Ja ich habe mit manchen Kapiteln gerungen, aber im Nachhinein bin ich sehr froh, dieses Buch gelesen zu haben.

Jakob der Lügner
Jakob der Lügnervon Jurek BeckerSuhrkamp
22. Sept. 2024
Bewertung:4

„Die Leute brauchen keine Medizin so sehr wie Hoffnung.“ Jakob Heym lebt, als Jude von den Nazis interniert, in einem fiktiven Ghetto. Als er sich auf einem Revier melden muss, schnappt er zufällig eine Radiomeldung von der Front auf. Die Russen haben einen Erfolg gegen die Deutschen zu verzeichnen. Wenig später wieder unter „seinesgleichen“, teilt er unbedacht diese Information und verknüpft sie mit einer folgenschweren Lüge: er selbst sei noch im Besitz eines Radios, über das er heimlich Informationen über den Verlauf des 2. Weltkriegs beziehe. Nun wird Jakob Heym (zunächst unfreiwillig) zum Hoffnungsvogel. Schnell färbt er bewusst die nun selbst erdachten Frontverläufe zu Gunsten der Roten Armee, zur Hoffnung der jüdischen Menschen im Ghetto. Doch die Lügen und die Verantwortung des Hoffnungsspenders in düsteren Zeiten lasten schwer auf Jakob. Wie weit kann er gehen? „Jakob der Lügner“ ist ein grandioser, zeitloser, mitunter aber auch skurriler Text. Das große Thema ist das Prinzip Hoffnung, inmitten von Wahrheit und Lüge. Das Thema könnte kaum aktueller sein. Der Text stellt die Frage: Gibt es auch gute Fake News? Jurek Becker trägt seine Parabel auf die Hoffnung meist wertfrei, fast schon naiv vor. Das gelingt ihm durch einen Erzähler, der zwar in diesem Ghetto gelebt hat und auktorial auf die Handlung blickt, aber selbst erst ganz am Ende Teil der Geschichte wird. Ein letztlich genialer literarischer Kniff, der das Lesen aber zwischenzeitlich auch etwas ins Stocken bringt. Becker, der ebenfalls in einem Ghetto leben musste, schreibt nicht moralisierend oder anklagend. So bleibt sehr viel der Gedankenarbeit bei den Leser*innen, was den Text zusätzlich wertvoll macht. Irgendwas zwischen 4 und 5 Sternen. Ich werde weiter drüber nachdenken und es sicherlich nochmal lesen müssen. MUST-READ!

Jakob der Lügner
Jakob der Lügnervon Jurek BeckerSuhrkamp
8. Nov. 2023
Bewertung:5

I love the simplicity of this story, which still manages to carry such a heavy message. I wonder how you could make a movie out of this, putting focus on our current generation and our means of technology and communication.

Jakob der Lügner
Jakob der Lügnervon Jurek BeckerSuhrkamp
28. Juni 2023
Bewertung:5

Jakob der Lügner ist ein zeitloser Klassiker für alle, die die Kunst des Erzählens schätzen und sich jenseits der Wohlfühlunterhaltung auch in Gebiete wagen, die aufwühlen und schmerzen. Es ist ein Buch, welches mitnimmt in die grauen Straßen, winzigen Zimmer und todbringenden Plätze eines jüdischen Ghettos. Hier in diesem unsäglichen Ort geht das Leben noch ein Stück weiter und in diesem Aufschub des grauenvollen Endes keimt Hoffnung durch Lüge, steckt immer wieder Menschlichkeit und letztlich auch die Frage, was ein Mensch ertragen kann. Aufgrund des Themas also keine leichte Lektüre, jedoch großartig erzählt, nicht zuletzt wegen des gelungenen Spannungsbogens und des Humors, mit dem manche Szenen beschrieben werden und damit das Ganze lesbar machen.

Jakob der Lügner
Jakob der Lügnervon Jurek BeckerSuhrkamp