Literatur und Kino müssen sich nicht ausschliessen. Man kann beides geniessen, wie kein Geringerer als der grosse Franz Kafka beweist. Dies ist die erweiterte und überarbeitete Version des gleichnamigen Klassikers von 1996. Vor dieser Zeit war den Literaten kaum bewusst, wie stark das Kino Kafka geprägt hat - dafür brauchte es Hanns Zischler, selbst u.a. Schauspieler, Regisseur und Essayist. Nein, Literatur und Kino müssen sich definitiv nicht ausschliessen! Die Neuausgabe kommt als bibliophiles Buch daher, an dem man sich von allen Seiten erfreuen kann. Äusserlich wie inhaltlich. Inhaltlich zeigt uns Zischler die Tagebucheinträge Franz Kafkas, in denen immer wieder diverse Kinofilme auftauchen. Diese hat Zischler gesammelt, stellt sie vor und bringt Hintergrundinformationen. Dazu kommen viele, teilweise zweiseitige Standbilder aus den Filmen, die Franz Kafka am meisten beeindruckt haben. Hier kommen sie beide auf ihre Kosten: die Bibliophilen, die Literaten und die Cineasten. Das Buch ist eine kleine Biographie Kafkas, stellt uns vergessene Perlen der Filmkunst vor uns ist in so hochgradiger Qualität gedruckt, dass es eine Freude ist. Als Extra liegt dem Buch eine DVD mit den besprochenen Filmen bei, die ich jedoch noch nicht gesehen habe. Während der Lektüre wird man in eine vergangene Zeit gesogen, man liest sie, man sieht sie, man fühlt sie. Es ist eine Epoche, in der ganz Europa in einer grossen Euphorie steckt. Ob nun die erste grosse Flugschau, die ersten Kinofilme oder lange Reisen - alles ist neu, rasant und man merkt, dass ein neues Zeitalter anbricht. Und mittendrin Franz Kafka, der Verlorene, der Einsame, der sich vor der Welt ins Kino flüchtet, um danach stundenlang exzessiv zu schreiben. Durch dieses Werk erhält man Einblick ins Denken Kafkas und wie stark ihn die Filme geprägt haben. Sein szenisches Beschreiben erinnert mehr und mehr an Einstellungen aus dem Kino. "Kafka geht ins Kino" ist ein unvergleichliches Werk, das seinen Stand als moderner Klassiker verdient. Schön, dass dieses Buch neu aufgelegt wurde und so auch einer neuen Generation an Film- und Bücherfreunden zugänglich gemacht wird. Ein Schmuckstück für des Regal. Ob nun beim Bücherwurm oder beim Filmfreak.
„Im Kino gewesen. Geweint. Maßlose Unterhaltung.“ Hanns Zischler bietet mit diesem Buch eine spannende, außergewöhnliche Perspektive auf Kafkas Leben und Werk - es war sehr interessant zu lesen, welchen Einfluss das Kino auf Kafka hatte und welche Filme sein Schreiben beeinflusst haben. Das Buch ist sehr informationsreich, aber leider ein bisschen unstrukturiert. Jedes Kapitel beginnt mit einer zeitlichen Einordnung und damit, was gerade in Kafkas Leben passiert ist und welche Filme er gesehen hat, doch dann entgleist es ein wenig und ich persönlich sehe teilweise weder den Bezug zu Kafka noch zum Film. Gerade daran merkt man jedoch, wie gut der Autor recherchiert hat und wie viel Zeit und Mühen in dieses Buch geflossen sind. Besonders gut haben mir die abgedruckten Postkarten Kafkas an seine Freunde Max und Otto Brod gefallen. Seine Handschrift ist relativ schwierig zu entziffern, aber solche Dinge treiben mir immer Tränen in die Augen. Ich empfehle, die neue Auflage von 2017 zu lesen – diese ist nicht nur äußerlich ansprechender als die erste Auflage von 1996, sie beinhaltet auch eine DVD mit eben den Filmen, die Kafka damals gesehen hat.