Historisch relevant aber leider so geschrieben, dass es mich nicht erreicht hat
Tanja Kinkel gehört zu den Autorinnen, die ich schon ganz früh gelesen habe. Ihr Debüt, „Die Puppenspieler“ gehört zu meinen All Time Favourites. Nun hat sie nach langer Zeit ein Buch rausgebracht, dass sich mit der Entstehung Deutschlands befasst und zwei Frauen in den Mittelpunkt rückt. Louise Otto stammt aus wohlhabendem Hause und entscheidet sich dafür, ihr Erbe nicht als Mitgift zu nutzen, sondern sich dem Schreiben zu widmen. Auf der Suche nach einer guten Geschichte gerät sie an Susanne, die der Schriftstellerin Hintergrundwissen über die unzumutbaren Zustände in den Textilfabriken und Webereien preisgibt. Ein großer Fehler, wie sich herausstellt, denn die Folgen sind für Susanne sozialer Abstieg und Prostitution. Die politische Situation ist angespannt. Wir sind in den Wirren der Revolution von 1948, die hier detailgetreu und chronologisch erzählt werden. Dabei ist die Position von Frauen zu dieser Zeit nicht unbedingt sichtbar gemacht worden. Kinkel hat diesen besonderen Kapitel und weiblichen Protagonist Sinnen eine Bühne gegeben. Die Wege von Susanne und Louise trennen sich und finden später wieder zusammen Susanne war mir dabei sympathischer als die doch etwas spröde Art von Louise. Das liegt aber vielleicht auch an den Forderungen, die von Susanne ursprünglicher und brennender sind als die von Louise, die aus privilegierter Position und ohne viel Wissen mit mischt. Ihre Figur basiert auf dem einer Frauenrechtlerin früher Jahre. Ich finde es immer wieder spannend, weibliche Akteure zu entdecken, die in unserer Geschichte keine Erwähnung finden. Leider hat mich die Geschichte an sich literarisch nicht erreicht und das hat mehrere Gründe. Zum einen gerät die Handlung sehr in den Hintergrund und wird durch die gut recherchierten Fakten, die Vielzahl an historische relevanten Persönlichkeiten und den häufigen Wechsel der Schauplätze erstickt. Somit werden Entwicklungen, die die historischen Ereignisse miteinander verknüpfen, zu schnell abgehandelt und es mangelt Ihnen sehr an Tiefe. Zum anderen trägt dies wahrscheinlich dazu bei, dass ich den Schreibstil von Tanja Kinkel als oberflächlich empfunden habe. Ich weiß nicht, ob es an meiner Weiterentwicklung als Leserin liegt (dazu müsste ich die alten Bücher noch mal lesen), oder ob die Autorin mich mit ihrer Art zu schreiben nicht mehr erreicht. Darüber bin ich ein wenig traurig, aber leider hat alles irgendwie seine Zeit und ich glaube, historische Romane dieser Art gehören aktuell nicht zu der Lektüre, die ich bevorzuge. Glücklicherweise liest es sich sehr schnell. Ich empfehle das Buch trotzdem vor allem (aber nicht nur) jungen Leser*innen, die sich im Genre der historischen Literatur gerade erst ausprobieren und Lust auf neue Entdeckungen haben, auch und gerade weil sie feministisch relevant sind.