Ein Buch, das zum Nachdenken über den (Un-)Sinn von Heimat anregt
Lenz nimmt den Leser in diesem Buch mit auf eine Reise durch Masuren, einem Gebiet, das symbolisch steht für viele andere Regionen, die im 20. Jahrhundert Schauplatz tiefgehender geographischer Umwälzungen waren. Aus dem Krankenbett heraus lässt die Haupterson, Inhaber eines Heimatmuseums, ihr eigenes Leben in der masurischen Kleinstadt Lucknow Revué passieren, um Aufschluss zu geben über eine von ihm verübte Brandstiftung, die den Leser zu Beginn (und auch sehr sehr lange im Buch) ratlos zurücklässt. Hintergrund des Buches ist es, laut Klappentext für einen "unideologischen Heimatbegriff" (Wiener Zeitung) zu werben. Bemessen an den geschichtlichen Passagen, die im Buch gestriffen werden (v.a. die der NS-Zeit) und dem gewählten Standort gelingt es Lenz allemal, beim Leser einen Denkprozess anzustoßen : Was bedeutet Heimat für mich? Welche gesellschaftlich/historischen Definitionen von Heimat gibt es? Man beobachtet die Hauptersonen dabei, wie sie sich im Laufe ihres Lebens verschiedener Heimatideen annehmen - der Wandel erschien mir zwar nicht immer nachvollziehbar, interessant war er aber auf jeden Fall. Das Buch umfasst auf knapp 800 Seiten "nur" 15 Kapitel, die zum Teil zwar langatmig ausfallen, aber auch mit lustigen Anekdoten, spannenden Charakteren und interessanten Bräuchen eines bisher selten beleuchteten Kulturkreises überzeugen. Alles in allem lesenswert und inhaltlich zeitlos, besonders für diejenigen, die sich für die europäische Entwicklung im 20. Jahrhundert und die Frage interessieren, welche Rolle die Heimat in dieser Entwicklung eigentlich gespielt hat.