Und dann teilte sie mir den wenig schmeichelhaften Grund mit, warum sie gerade mich "ausgesucht" habe. "Ich habe mich über Sie erkundigt. Sie haben einen guten Ruf als Schriftsteller, aber auch einen etwas windigen. Ich weiß, dass Sie Dinge erfinden und dann behaupten, sie seien wahr. Jeder wisse das, hat man mir gesagt, aber immer wieder gelinge es Ihnen, Ihre Leser hinters Licht zu führen. Deshalb glaube man Ihnen oftmals nicht, wenn Sie die Wahrheit schreiben, und glaube Ihnen, wenn Sie schummeln. Das habe ich mir sagen lassen. Stimmt das?" - Zitat, Seite 11 Ganz schön gerissen von Michael Köhlmeier, sich hier als höchst unzuverlässigen Schriftsteller einzuführen, wobei die 100jährige Erzählerin, die hauptsächlich von Ereignissen berichtet, die sie als Teenager erlebt hat, auch keine akkurate Quelle historischer Begebenheiten ist. Aber darauf kommt es bei diesem Roman auch nicht an, ob etwas nun Fiktion oder doch subjektiv erlebte Wahrheit ist. Denn manchmal sind historische Fakten so surreal, wenn wir sie heute betrachten und menschliche Schicksale werden unbeholfen in Zahlen gepresst, z.B., so und so viele wurden bei diesem Ereignis verletzt, erschossen oder sonstwie involviert. Und was fangen wir dann an mit diesen Zahlen und Statistiken der Geschichtsbücher? Die Philosophenschiffe hat es indes wirklich gegeben. Anfang der 1920er Jahre wurden unliebsame Individuen des Landes verwiesen und von Russlands Küste aus verschifft. Zu dieser humanen Aktion meinte Leo Trotzki lakonisch: "Wir haben diese Leute ausgewiesen, da es keinen Anlass gab, sie zu erschießen, aber sie noch länger zu ertragen, war unmöglich." Auf eines dieser Schiffe kommen auch die junge Anouk mit ihren Eltern. Die Passagiere bringen eine schreckliche Ungewissheit um ihr eigenes Schicksal mit an Bord. Wer wird als erstes sterben? Wer ist hier ein Opfer und wer vielleicht gar ein Spitzel? Zwischen Angst und Misstrauen nähern sich die Passagiere vorsichtig an. Doch dann bleibt das Schiff auf einmal stehen. Geht die Crew von Bord, oder wird ein weiterer Passagier aufgenommen? Schließlich wird die Fahrt fortgesetzt und die neugierige Anouk geht der Sache auf den Grund ... In einer Zeit, in der unmittelbar und grausam gestorben wird und die Protagonistin von Willkür und Depression umgeben ist, erscheint ihr Lebenswille fast wie eine exotische Pflanze. Und wenn man dann noch alt wird in diesem blutigen und unmenschlichen 20. Jahrhundert, dann haben die Augen schon viel gesehen und sind jetzt schon fast blind. Und selbst bei diesem letzten Blick auf die Erinnerungen nimmt sie dann manchmal Zuflucht zur schleiherhaften Lüge. Am Ende hat sie dem ausgesuchten Schriftsteller ihre Geschichte erzählt, die keinen biografischen Charakter haben sollte. Ob er sie so wiedergeben hat, wie gewünscht? Obwohl die Erzählungen der Protagonistin eine Sogwirkung haben und manch philosophisch angehauchter Gedanke es wert ist, beachtet und notiert zu werden, entsprechen sie einer Dame, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts geboren wurde, im Stil und im Ausdruck nicht immer. Michael Köhlmeier beschreibt einen sehr gewissenhaften Schriftsteller, der in den Ruhezeiten seiner 100jährigen Erzählerin eigene Recherchen in der Nationalbibliothek unternimmt, mit seinem kommunistischen Freund von früher telefoniert, oder über sein eigenes Bild der RAF Terroristen von damals sinniert (die für ihn wirkten wie Rockstars). Oder er streift durch Wien (wo Leo Trotzki auch zeitweise lebte). Mancher Abstecher in der Erzählung, wie die Erfahrungen der Protagonistin in den USA der 1960er Jahre, führt etwas vom Kern der Geschichte weg und stört den Lesefluss, aber insgesamt ist die Struktur des Romans anregend und lebendig. FAZIT Obwohl dieser Roman nicht besonders seitenstark ist, habe ich mir relativ viel Zeit für die Lektüre genommen. Eine Sitzung mit Frau Perleman-Jacob war dann auch für mich erst mal genug auf einmal. Ja, die Erzählerin entspricht nicht unbedingt der Erzählstimme einer Hundertjährigen, sie klingt manchmal einfach zu modern. Wobei, wie viele Hundertjährige kennt man schon. In meinem Fall einige wenige und eine 101jährige Dame ist noch ganz munter. Aber wie gesagt, dass die Stimme nicht ganz akkurat zum Alter passt, hat mich nicht gestört, schließlich war ich gewarnt, dass mir die Erzählung von einem windigen Schriftsteller präsentiert wird - von dem ich gerne noch mehr lesen möchte. Eine Leseempfehlung.
Fiktive Biografie einer russischen Architektin in den Jahren des Terrors der ersten Revolutionsjahre in der Sowjetunion. Der Autor kann, wie man weiß, erzählen und verführt uns Leser:innen dazu, mehr über diese Zeit wissen zu wollen. Genial
Bitte erinnert mich daran, dass ich mich in Zukunft von Buchpreisen aller Art fernhalte, zumindest was mein privates Lesevergnügen angeht. Denn davon habe ich leider aktuell eher weniger. Und das finde ich super schade, denn eigentlich habe ich ein paar der Nominierten gerade deswegen angefragt: Weil sie für einen sehr wichtigen Buchpreis nominiert wurden und ich mal wieder Lust auf eine anspruchsvolle Lektüre hatte. Liebesromane sind zwar toll, aber ich brauche meine bunte Mischung, um zufrieden zu sein. Joa, in Zukunft verlasse ich mich bei der Suche nach anspruchsvollen Empfehlungen doch lieber auf mein Bauchgefühl. Ich hatte große Hoffnungen für dieses Buch. Sehr große. Michael Köhlmeier ist eine große Nummer und auch ich habe schon Texte von ihm gelesen und genossen. Also war ich mir eigentlich sicher, dass dieses Buch hier kein großes Risiko sein wird. Ich war mir sicher, dass ich es mögen würde. Tja, falsch gedacht. Dieser Roman hat mich einfach nur gelangweilt. Die Zeit hätte ich besser verbringen können. Schade, aber von einem so wichtigen Autor und dem Deutschen Buchpreis hätte ich mehr erwartet. In diesem Buch passiert sehr viel, doch die beteiligten Figuren lässt das kalt. Es können die grausamsten Dinge passieren (teils wird sogar Folter beschrieben - oder sollte ich es Mord nennen? Bin mir nicht sicher, was hier der richtige Begriff ist!), doch der lockere Plauderton, der überall herrscht, wird beibehalten. Und dadurch, dass es den Figuren offensichtlich egal war, schaffte ich es auch nicht wirklich, mich für die Geschichte oder die Entwicklungen zu interessieren. Im Zuge der Handlung kommt es zu einer Verschmelzung von Fiktion und Realität. Mir ist aber nicht ganz klar, was davon real und was erfunden war. Und dieses Buch macht zumindest mir nicht unbedingt Lust, groß Recherchearbeit zu leisten. Ich finde, hier wäre ein entsprechendes Nachwort eine gute Ergänzung gewesen. Für problematisch halte ich hier auch die Darstellung Lenins als liebe und harmlose Großvater-Figur. Ich denke, wer ein Geschichtsbuch lesen kann, wird schnell sehen, dass Lenin für sehr viel Leid verantwortlich war. Das durch ihn mitgeschaffene Terrorregime wird hier sogar gezeigt und beschrieben - siehe oben, teils sogar mit ekelhaften Details. Und trotzdem freundet sich die zu diesem Zeitpunkt noch jugendliche Protagonistin mit Lenin höchstpersönlich an. Daher ist diese Darstellung für mich absolut unverständlich - und wirkte auf mich sehr befremdlich. Mein Fazit? Leider gar nicht mein Fall.
Es hat mich irgendwie nicht gepackt, trotz historischem Kontext und zeitlicher Aktualität.
"Drei Tage Stille auf dem Wasser - da hat es mir gereicht. Ich wollte mich bewegen. Die Zukunft gewöhnt man sich als Erstes ab " "Ich habe Ihnen nicht die Wahrheit gesagt, nicht die richtige Wahrheit und weniger als ein bisschen Wahrheit." Die in St. Petersburg geborene Architektin Anouk Perlemann-Jacob bittet einen Schriftsteller ihre Geschichte als Roman aufzuschreiben, keine Biographie. Ihr Leben mit allem, was sie bisher nie gesagt hat, auch wenn vielleicht nicht alles wahr ist. Sie erzählt von der bolschewistischen Revolution und der folgenden Ausweisung von politisch unbequemen Intellektuellen ins Ausland, die als Akt der Menschlichkeit deklariert wurde. Unter dieser Gruppe war die damals 14jährige mit ihren Eltern. Man brachte sie, auf Lenins Befehl, angeblich vorsorglich auf den sogenannten "Philosophenschiffen" außer Landes, bevor sie Unruhe stiften können. Es hat eine Weile gedauert, bis ich in der Erzählung angekommen bin. Anfangs stehen die russische Geschichte und politischen Umstände um 1920 im Vordergrund, angenehm zu lesen waren dagegen die Passagen, in denen die 100jährige Anouk ihre Geschichte erzählt. Komplett fesseln konnte mich das Buch leider nicht.
„Ich habe das erfunden. Aber nicht, um Sie zu täuschen. Warum sollte ich das tun? Ich habe die Wahrheit ein bisschen von mir weg erfinden wollen. Können Sie das verstehen?“ Ach schade, die Geschichte eines Mädchens, das Lenin auf einem Schiff trifft, klang vielversprechend, war aber eher unspektakulär.
"Was ist die Wahrheit ... Die Wahrheit ist die Erinnerung an sie." Die 100-jährige Anouk lädt den Schrifsteller Michael zu sich in die Villa ein, um ihm ihre Geschichte zu erzählen. Biografien gibt es schon einige über die berühmte Architektin, aber diese Geschichte hat sie noch niemandem erzählt. Aber warum gerade ihm? "Aber vergessen sie nicht, wer Sie sind: Sie sind der, dem man glaubt, wenn er lügt und nicht glaubt, wenn er die Wahrheit sagt." Und Anouk hofft, daß man ihm nicht glaubt, diese, ihre Geschichte. Mit 14 Jahren wird sie zusammen mit ihren Eltern und noch zehn anderen Menschen auf ein Schiff und außer Landes gebracht. Weg von Russland, wo sie mit ihrer Lyrik, ihrer Kunst und ihrer Musik Unruhe stiften könnten. Auf diesem Philosophenschiff, von denen es noch weitere gibt, wie sie später erfährt, trifft sie Lenin und "freundet" sich mit diesem an. Aber stimmt das alles auch? "Ich habe Ihnen nicht die Wahrheit gesagt, nicht die richtige Wahrheit und weniger als ein bisschen Wahrheit." Das Buch konnte mich über weite Strecken wirklich fesseln. Hat mich zwischendurch aber immer wieder verloren wenn es um die damaligen politischen Zusammenhänge in den 1920-iger Jahren ging. Hier waren es mir auch zu viele Namen die ich nicht zuordnen konnte. Der Schreibstil hat mir ansonsten jedoch sehr gut gefallen. Die Philosophenschiffe hat es wirklich gegeben und sicherlich ist es spannend zu recherchieren, wer damals alles aus Russland ins Exil verschifft wurde. Viele andere wurden offenbar kurz vorher erschossen.
15% angelesen. Da komme ich nicht rein. Finde die Erzählstimme schrecklich. Resigniert, zynisch. Dröge, verstaubt, berichthaft. Sie erklärt sich ständig. Wie im folgenden Zitat. Ja Wiederholungen gibt’s noch und nöcher und seltsame Kommentierungen. Willst du das Grauen „um dich herum ertragen und nicht verrückt werden, sei müde! Die Müdigkeit ist eine der großartigsten Erfindungen der Natur. Wenn ich mit meinem Mann gestritten habe und wir merkten, der Streit wird längere Zeit dauern, dann habe ich mir den Befehl gegeben: Müde werden! Anouk, sei müde! Es gibt Menschen, und es sind nicht die unglücklichsten, die sind ihr ganzes Leben lang müde. Sie sind immer müde. Seit meinem neunzigsten Lebensjahr gehöre ich zu diesen Menschen. Ich hätte früher damit anfangen sollen. Apropos Müdigkeit. Kommen Sie morgen wieder! Und bitte, um die gleiche Zeit. Ich mag Wiederholungen. Ich will sagen, ich halte nur noch Wiederholungen aus. Werden Sie kommen?“
Der Protagonist, der (zufällig?) den gleichen Vornamen wie der Autor trägt, wird von der Archtektin Anouk Perlemann-Jacob zu ihrem 100. Geburtstag eingeladen und von ihr gebeten, ihr Leben als Roman zu erzählen. Vorrangig geht es um ihr großes Erlebnis 1922, als sie - damals 14- jährig - mit ihren Eltern und anderen Intellektuellen auf Lenins Befehl ins Exil geschickt wird, auf einem der sogenannten "Philosophenschiffe". Was sie dort gemeinsam mit den anderen Menschen erlebt und welcher erstaunliche Passagier noch auf das Schiff geladen wird, davon handelt diese fiktive Geschichte, die aber einen konkreten historischen Hintergrund hat. Ich fand das Buch sowohl historisch sehr interessant als auch toll erzählt. Den halben Stern Abzug gibt es, weil mir die Rahmenhandlung etwas zu ausführlich war, ich hätte gerne stattdessen noch mehr über die Passagiere auf den Schiffen erfahren. Insgesamt aber ein tolles Buch und zu Recht auf der Longlist 2024
Köhlmeyersche Verbindung von Geschichte und Fiktion - ich mag das.
Der Anfang der Geschichte, die die 100 jährige russisch stämmige Architektin dem Autor, erzählt hat mich fasziniert. Die Zustände im Russland der 1929ger Jahre konnte ich mir gut vorstellen, auch das Philosophenschiff. Vieles war mir bekannt. Doch dann wurde es für mich etwas verworren, schwer vorstellbar und die Geschichte hat mich verloren. Auch der Schreibstil hat mich allmählich ermüdet. Habe das letzte Drittel nur noch überflogen...

🌟🌟,5 Sterne für dieses Buch 📕 Ich hatte was anderes erwartet, es war viel über die russische Geschichte. Mir fast etwas zu viel, deshalb habe ich manches Mal einige Seiten über blättert. Die Hauptperson war sehr eigen und speziell.

Erzählen ist wie eine Revolution machen. Die Revolution macht alles neu. Und wenn man erzählt, macht man das Leben, das man erzählen will, ebenfalls neu.
• Nee, war nicht meins...😅 ✨ Das Buch hat mich insgesamt nicht überzeugt, aber der Schreibstil war hervorragend, deshalb auch die 4⭐. Besonders am Anfang gab es viele kurze Sätze, manchmal mit nur zwei oder drei Wörtern. Das war etwas anstrengend zu lesen. Trotzdem war die biografische Erzählung spannend und hat mich mit der Zeit gefesselt. ✨ Ich war neugierig, wer die Erzählerin Anouk ist, und so habe ich mich in die Seiten und die Geschichte vertieft. Der Beginn war etwas holprig, aber gegen Ende wurde das Lesen flüssiger.
An ihrem 100. Geburtstag lädt die Architektin Anuk Perlemann-Jacob einen Schriftsteller ein und bittet ihn darum, ihr Leben als Roman zu schreiben. Anuk Perlemann-Jacob wurde in Russland geboren, ihre Familie gehörte zur Intelligenzija. Als junges Mädchen wurde sie zusammen mit ihrer Familie auf einem der sogenannten Philosophenschiffe ins Exil deportiert. Man lernt in diesem Buch über die russische Geschichte der damaligen Zeit, man lernt Philosophen, Dichter und Künstler kennen. Die erste Liebe von Anuk. Eine Begegnung mit Lenin. Viele Personen, die in diesem Buch vorkommen, haben wirklich gelebt, und so lernt man beim Lesen dieses Buches gleich auch ein wenig russische Geschichte. Das Buch liest sich leicht und gut, ist auch als Sommerlektüre, vielleicht auf einer Seefahrt, gut geeignet.

Eine Dekade Leben im Russland des 20.Jahrhunderts.
Beim Umblättern der ersten Seite hatte ich etwas anderes erwartet. Ich hatte erwartet dass die Reise auf dem Schiff und deren Hintergründe der Fokus des Buches ist. Der Fokus war dann aber eher die Reise durch das Leben der 100-jährigen Architektin. Die Worte die dieses Leben beschreiben wurden vom Autor der alten Dame aber so gut in den Mund geschrieben, dass ich mich immer wieder gefreut habe, wenn mir Anouk weiter von ihrem Leben in dieser harten Zeit erzählt hat. Oma erzählt Geschichten vom Krieg, nur in sehr unterhaltsam und charakterstark. Empfehlung!
Interessant, wirft aber viele Fragen auf
Die Architektin Anouk Perleman-Jakob beschließt zu ihrem 100.. Geburtstag, ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Daher lädt sie einen Schriftsteller, der bekannt dafür ist, Fiktion und Realität meisterhaft zu vermischen, zu sich ein, um ihre Erinnerungen aufzuschreiben. Denn eines ist ihr wichtig: die Leser sollen sich fragen, was die Wahrheit ist und was Erfindung. Und so erzählt sie von einem 10-jährigen Mädchen, das gemeinsam mit den Eltern 1922 auf Befehl Lenins auf einem der so genannten Philosophenschiffe aus Russland deportiert wurde. Und schließlich einen ganz besonderen Passagier an Bord des Schiffes kennen lernt. Selten hat mich ein Buch so ratlos zurückgelassen wie dieses. Es ist gut zu lesen, stellenweise amüsant, gespickt mit Weisheiten, Anspielungen, philosophischen Gedanken. Und Köhlmeier macht neugierig, fordert den Leser auf, sich mit der russischen Geschichte, den Begebenheiten jener Zeit, auseinander zu setzen. Denn auch die Leser dieses Buches fragen sich ständig, was ist Realität, was Fiktion, welche Dinge hat die alte Erzählerin in ihren Erinnerungen evtl. erfunden, was der Schriftsteller? Dabei bleiben viele Fragen offen, viele Personen, die im Roman auftauchen, verschwinden ohne eine echte Rolle zu spielen. Das ist verwirrend und stellenweise unbefriedigend. Mein Fazit: ein interessanter aber etwas unfertig wirkender Roman. Durchaus lesenswert, vor allem für Geschichtsinteressierte.
Nichts für mich
Für dieses Buch braucht man sehr umfangreiche Kenntnisse der russischen Geschichte. Diese habe ich leider nicht, was die Lektüre sehr schwer macht. Schnell kommt man mit den langen russischen Namen durcheinander, hinzu kommt die Tatsache, dass die Protagonistin kaum ganze Sätze macht und oft hin und herspringt. Sehr mühsam zu lesen, ich musste mich durchkämpfen.
Kunstvoll erzählt und schöne Verschränkung der Erzählebenen. Die Revolution frisst ihre Väter. Es dauert aber dann doch zu lange, eh Väterchen Lenin Auftritt.
In seinem neuen Roman ‚Das Philosophenschiff‘ verwebt Michael Köhlmeier wieder einmal gekonnt Realität und Fiktion. Die Philosophenschiffe gab es wirklich und auf Ihnen wurden unliebsame Intellektuelle 1922 aus Russland ausgewiesen. Die fiktive Architektin Anouk Perleman-Jacob war als Kind auf einem dieser Schiffe und bittet einen Schriftsteller zu ihrem 100. Geburtstag ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Sie erzählt von Terror und Verfolgung, vom Leben im Exil, vom Heimweh nach Russland und von einem geheimnisvollen letzten Passagier auf dem Schiff. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und fand die Aktualität schon erschreckend. Nur mit den vielen russischen Namen hatte ich so meine liebe Not. Ich kann es allen empfehlen, die sich ein wenig für Geschichte interessieren und allen, die gute Geschichten mögen.
Die Philosophenschiffe waren eine Methode der russischen Revolutionäre, sich unliebsamer Intellektueller zu entledigen. Michael Köhlmeiers neuer Roman beschäftigt sich mit diesem weitestgehend vergessenen Phänomen der sowjetischen Geschichte und nimmt es mit der Wahrheit dabei - zum Besten des Buches - alles andere als genau. So lässt sich von Anfang an nur eines sagen: alles kann, nichts muss wahr sein. Meisterhaft vermischt Köhlmeier Wahrheit und Fiktion zur Erzählung einer 100jährigen Architektin, die ihre Lebensgeschichte an einen Autor weitergibt, auf dass er ein Buch daraus macht. Die Geschichte kann nicht wahr sein - historische Fakten widersprechen ihr. Doch die unscharfe Grenze zwischen realer Geschichte und Köhlmeiers Alternative bietet eine Menge Raum für seine eigenen Überlegungen. Und sie ist auch der zentrale Reiz des Romans, denke ich. Auch, weil eben dieser Umstand im Buch selbst immer wieder thematisiert wird. Wir lernen also eine Menge über diese Schiffe. Und genau wie bei allem, was die russische Revolution anlangt gilt auch hier: nicht jedes Wort ist wahr.
Es fiel mir schwer dranzubleiben. Alleine die geschichtlichen Details haben mir dabei geholfen. Wer sich für die Geschichte Russlands um die steigt von Lenin und Stalin interessiert, könnte das Buch sehr gut finden.
Aufgrund des Klappentextes hatte ich mir eine andere Geschichte erwartet. Anstatt der Lebensgeschichte einer 100 Jährigen Frau die ins Exil geschickt wurde, gab es sehr viel russische Geschichte die zwar interessant , aber auch anstrengend zum lesen war. Insgesamt aber ein lesenswertes Werk mit durchaus parallelen zum derzeitigen politischen Geschehen und vielen von mir makierten Textabschnitten.
War leider nichts für mich
Ich bin mit der Geschichte leider nicht warm geworden. Das Cover und der Klappentext haben mich direkt angesprochen, ebenso wie der Titel. Ich fand es spannend, mal eine andere Sichtweise kennenzulernen und so in die Welt der 14 jährigen Anouk Perlemann-Jacob einzutauchen, die mit ihrer Familie aus Russland vertrieben wurde. Der Aufbau der Geschichte hat mir gut gefallen. Allerdings fand ich die Erzählweise von Anouk sehr wirr. Sie ist immer wieder vollkommen abgedriftet und ganz weit weg vom Kern der Erzählung gelandet. Viele, für mich, offene Fragen wurden nicht beantwortet und haben mich unbefriedigt zurück gelassen.
Ein Schriftsteller wird völlig unerwartet zum 100.Geburtstag von der bedeutenden Architektin Anouk Perleman-Jacob eingeladen. Sie will, dass er es ist, der ihre Geschichte erzählt. Der Schriftsteller hat einen zweifelhaften Ruf. Man munkelt sogar, er habe einige Geschichten frei erfunden und behauptet, sie seien wahr. "(...) vergessen Sie nicht, wer Sie sind: Sie sind der, dem man glaubt, wenn er lügt, und nicht glaubt, wenn er die Wahrheit sagt", sagt Anouk Perleman-Jacob zu ihm. Aus diesem Grund, findet die 100-Jährige, ist der Schriftsteller genau der Richtige, um eine dunkle Seite ihres Lebens zu erzählen, eine, von der bisher noch niemand weiss. Anouk Perleman-Jacob wurde als kleines Mädchen gemeinsam mit ihrer Familie auf eines der sogenannten "Philosophenschiffe" gebracht und von Russland aus ins Exil deportiert. Eines Tages kommt ein letzter Gast auf das Schiff. Er wird zu einem Freund des Mädchens. Und er ist derjenige, der veranlasst hat, dass sie ihre Heimat verlassen müssen. Michael Köhlmeier behandelt in "Das Philosophenschiff" ein Thema, das mir noch völlig unbekannt war, aber sehr viel Potential hat. Die Geschichte wird auf zwei Ebenen erzählt. Zum einen begleiten wir den Schriftsteller, wie er die alte Dame besucht und erfahren auch etwas über seine Person und sein Leben. Der zweite Erzählstrang setzt sich aus den Erinnerungen von Anouk Perleman-Jacob zusammen. Mir hat besonders die Figur der charismatischen 100-Jährigen gefallen. Ich mochte, wie sie gezeichnet war, ich mochte ihre skurrile, manchmal schrullige aber meist messerscharfe und doch witzige Art. Köhlmeier hat den Spagat zwischen den beiden Erzählebenen in meinen Augen perfekt geschafft und das hat mich sehr beeindruckt. So sind die Erzählungen der 100-Jährigen in einer Sprache und vor allem einem Ton gehalten, der es einem als Leser bzw. Leserin leicht macht, sich eine alte Dame vorzustellen, die einem genau diese Geschichte erzählt. Fokussiert sich die Handlung wieder auf den Schriftsteller wird man aus dieser Erzählung ins Jetzt katapultiert und der Übergang ist flüssig. Abgesehen davon, dass die Lebensgeschichte von Anouk Perleman-Jacob sehr bewegend und berührend ist und genau mit den richtigen Worten erzählt wird, hat dieses Buch aber auch noch eine andere Stärke, die mich sehr fasziniert hat: Köhlmeier bringt einem auf eine sanfte Art viele historische Fakten über die russische Revolution und die Aktion mit den "Philosophenschiff" näher. Trotz vieler historischer Details (die ich ehrlich gesagt auch nicht alle behalten konnte) verliert man den Faden nie und behält, dank der gekonnten Erzählweise einen guten Überblick und die spannende Geschichte der Architektin bleibt im Vordergrund. Um "Das Philosophenschiff" zu lesen braucht man kein grosses Vorwissen über die damalige historische Situation, Köhlmeier ermöglicht es einem, gemeinsam mit einer sehr charmanten, wenn auch eigenwilligen, alten Dame durch die Zeit zu reisen. Der Roman hat mir sehr gut gefallen, auch wenn er ab und zu Passagen hatte, die sich gezogen haben. Ich würde ihn besonders denen empfehlen, die ein gewisses Interesse für die Geschichte von Russland mitbringen, das ist aber nicht einmal nötig. "Das Philosophenschiff" ist definitiv auch sonst lesenswert, allein schon wegen der Figur von Anouk Perleman-Jacob und wegen ihrer berührenden Geschichte, die wohl nur die wenigsten Leserinnen und Leser kalt lässt.
spannende (un)wahre Geschichte
Anouk Perlemann-Jakob ist eine exzentrische 100-jährige Architektin. Sie wählt sich den Schriftsteller und Ich-Erzähler gezielt aus, denn sie habe sich nach ihm erkundigt und wisse, das er Dinge erfinde und dann behaupte, sie seien wahr. Sie beginnt ihre Lebensgeschichte zu erzählen, hinterlässt dabei aber immer ein leises Gefühl der Ungewissheit, ob das Erzählte tatsächlich stimmt. Michael Köhlmeier schreibt seinen Roman als unzuverlässiger Erzähler, der in der Person der Anouk Perlemann- Jakob Fiktion mit einer wahren Begebenheit vermischt. Die sogenannten Philosophenschiffe gab es zu Zeiten der russischen Revolution tatsächlich, als Intelektuelle, Künstler, Schriftsteller und gutbürgerliche andersdenkende Russen deportiert wurden, um das bolschewsitische System nicht zu gefährden. 1922 gelang die damals 14jährige Anouk mit ihren Eltern auf ein solches Schiff und lag 5 Tage vor Finnland, bis ein geheimnisvoller Gast an Bord kommt: Lenin selbst. Mit Anouk Perlemann-Jakob ist Michael Köhlmeier ist überzeugender Charakter gelungen, der die ganze Geschichte zu tragen vermag. Der Roman war für mich ein wenig herausfordernd, da ich bisher nicht viel über den Bolschewismus wusste, was die Protagonistin mit ihrer spitzen und zum Teil humorvollen Art und wieder wettgemacht hat.