21. Sept. 2024
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Bewertung:2

Mein Haus. Mein Auto. Meine Familie. Während wir früher noch mühsam Fotos aus dem Geldbeutel ziehen mussten, um Einzelpersonen oder kleinen Gruppen unser vermeintlich perfektes Leben zu präsentieren, können wir heute im Internet gefühlt der ganzen Welt zeigen, was wir sind oder gerne sein wollen. Ich finde Bücher, die die “Social-Media-Selbstdarstellungsmaschinerie” unter die Lupe nehmen, schon sehr interessant. Vom Debütroman “I'm a Fan” von Sheena Patel habe ich mir also rein von der Kurzbeschreibung einiges erhofft. Hier geht es nämlich um eine Frau (eine namenlose Ich-Erzählerin) aus London, die die Frau (“Woman i am obsessed with) im Internet “stalkt”, mit der der Mann (“Man I want to be with”), mit dem sie gerne zusammen wäre, eine Affäre hat. Klingt kompliziert? Ist auch so. Das Buch ist sehr, sehr anstrengend. Und das liegt nicht nur an der winzigen Schriftgröße, die hier im englischen Original gewählt wurde. Der Roman ist ein scheinbar endloser innerer Monolog, in kurze Textpassagen zerstückelt. Und diese Texte, die an kleine Essays, Kolumnen, Blog- oder Tagebucheinträge sowie Captions erinnern, enthalten eine endlose Litanei über die “Nicht-Beziehung” der Protagonistin zu dem Mann, mit dem sie gerne zusammen wäre. Dieser Mann ist so toxisch, dass er fast schon wie eine Karikatur eines notorischen Fremdgehers rüberkommt. Er lässt die Ich-Erzählerin an der langen Leine, hat sporadisch S*x mit ihr und nebenbei hat er eben noch andere Frauen wie die “woman I am obsessed with”. Diese präsentiert ihr Luxusleben im Netz. Und wird eben von der Ich-Erzählerin dabei beobachtet. Puh, ich habe selten ein Buch gelesen, das mich so genervt hat wie dieses. Diese Prosa ist so dermaßen anstrengend, wie ich selten eine gelesen habe. Man will einfach zu der Ich-Erzählerin sagen: Gute Frau, es reicht jetzt. Lass diesen Mann ziehen und alles was mit ihm zusammenhängt, lösche bitte all deine Social Media Apps und kauf dir einen Hund (und leihe dir nicht nur einen aus, um die Schwester der “woman I am obsessed with” zu stalken). Wie so oft bei “schlechten” Büchern ist es auch hier so, dass sowohl die Vorschusslorbeeren (National Book Awards 2023 und nominiert für den Women's Prize for Fiction) sowie der Anfang des Buches, vielversprechend waren. Ich mochte den Beginn des Romans, wo sich die Ich-Erzählerin langsam in das Leben der Affäre ihres Love Interests einschleicht. Stark fand ich die Szene, wo sie zu einer Verkaufspräsention von Luxuswaren, die die Frau auf ihrer Website vertreibt, geht und die Dinge taxiert, die dort feilgeboten werden. Die Ich-Erzählerin reflektiert dabei sowohl Klassenunterschiede als auch ihre eigene Identität als Einwandererkind der zweiten Generation in England. Ich hätte mir gern noch mehr beißende Gesellschaftkritk gewünscht, die unsere moderne Selbstdarstellungskultur entlarvt. Stattdessen geht es fast ausschließlich um die toxische Beziehung zu dem bewunderten “A-Loch-Typen”, um den S*x, den sie sich mit ihm wünscht bzw. hat und um die langweilige Beziehung, die sie mit ihrem Boyfriend führt, den sie ihrerseits betrügt. Es gibt hier - Spoiler - keinerlei Entwicklung der Ich-Erzählerin, denn sie wird an ihrer ungesunden Obsession bis zum Schluss festhalten. Kein gutes Buch. Keine Empfehlung. I am not a Fan. Habt ihr das Buch gelesen und fandet es vielleicht sogar gut? Hab ich irgendwas nicht gerafft? Habe ich die gesellschaftspolitische Brisanz dieses Romans nicht erkannt? Falls ihr euch selbst ein Bild machen wollt und nicht gerne auf Englisch lest, das Buch ist auch auf Deutsch erschienen bei hanser blau.

I’m a Fan
I’m a Fanvon Sheena Patelhanserblau in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
1. Juni 2024
Bewertung:4

Ich finde es schwierig, ein Review zu diesem Buch zu schreiben. Es ist sehr "dicht", es steckt sehr viel an Gesellschaftskritik und persönlichem Erleben als "Randfigur" in dieser Geschichte. Es geht um Fandom und um Zugehörigkeit, darum wahrgenommen zu werden, toxische Beziehungen, toxische Lebensmodelle und unfaire Rahmenbedingungen. Stellenweise fand ich etwas zu zäh, aber es ist ein wichtiges Buch, das einige der Probleme unserer Zeit sehr gut eingefangen hat.

I’m a Fan
I’m a Fanvon Sheena Patelhanserblau in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20. Apr. 2024
Bewertung:4

Zeitaktuell, herausfordernd, bissig.

„erst einmal hab ich die red flags nicht übersehen, ich hab sie mir angeschaut und gedacht, ja, ist doch heiß“ - S. 32 Zugegeben ist das ein Buch, das es einem nicht unbedingt leicht macht, es zu mögen, weil man hier einer Person dabei zusehen muss, wie sie sich ruiniert. Was ich aber sehr mag, ist die Tatsache, dass man das selbstzerstörerische Verhalten der Hauptfigur erst einmal lernen muss auszuhalten auf den ersten Seiten, sie nicht abschreiben darf sondern gedanklich bei ihr bleiben und ihr unbedingt weiter zuhören muss, um dann hinter die Fassade der Problematik schauen zu können. Denn da erweisen sich wieder einmal patriarchale, klassistische und rassistische Strukturen als wirkmächtig. I’m A Fan ist ein zutiefst politischer und gesellschaftskritischer Roman, der sich vom persönlichen Struggle der Protagonistin löst und die Strukturen dahinter entlarvt - ungleiche Machtverhältnisse, Herkunft, Zugang zu Privilegien, Weißsein. Parallel dazu seziert er auch gut das titelgebende Thema des Begehrens, analysiert, was uns überhaupt erst zu Fans macht, worin genau die Sehnsucht liegt. „Die Gesellschaft behauptet, ich könne dasselbe tun wie ein Mann, aber wie sich herausstellt, stimmt das nicht. Wir erleben Zeit entschieden anders. Der Spruch, Frauen halten sich nicht ewig, ist zu hundert Prozent wahr, (…) Der Mann, mit dem ich zusammen sein will, ist in einem Alter, in dem er eigentlich genauer wissen sollte, was er will, das braucht er aber gar nicht. Er wird allein deshalb verhätschelt, weil er ein Mann ist. Niemand erwartet irgendeine Selbsterkenntnis von ihm. Er kann mir problemlos sagen, er brauche für die Entscheidung, wie es mit seinem Leben weitergehen soll, Zeit - er kann in einem Alter, in dem das für Frauen unmöglich ist, immer noch sagen, dass er vielleicht mal Kinder haben will. Allein das sagt doch alles aus über die Macht, die er hat, im Vergleich zu der Macht, die meine Fruchtbarkeit über mich hat, und welchen Vorteil Männer gegenüber Frauen haben, denn obwohl Frauen Zeit als etwas Unendliches erleben, gilt unser Wert, da er an unser winziges Produktionsfenster gekoppelt ist, als endlich, und wir kämpfen täglich mit der Angst, außerhalb der Parameter Ehe und Kinder wertlos zu sein, falls wir dazu überhaupt in der Lage sind.“ - S. 179 Es gibt wenig Plot, aber dafür viele weitere messerscharfe Beobachtungen wie diese von einer jungen Frau im Kampf gegen das System. Die größte Schwäche des Buchs ist sicherlich seine Form (gedankliche Miniaturen), denn die daraus resultierende Spannungsarmut führt leider dazu, dass man jederzeit aufhören könnte zu lesen.

I’m a Fan
I’m a Fanvon Sheena Patelhanserblau in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20. Apr. 2024
Bewertung:4

In einer Reihe kurzen, aber intensiven Fragmenten erzählt die namenlose Ich-Erzählerin, eine nicht-weiße Frau aus Südlondon aus ihrem Leben. Diese Frau steckt in einer toxischen Beziehung mit einem Mann, der nicht nur verheiratet ist, sondern auch mehrere weitere Affären unterhält und ihr auch noch sämtliche Einzelheiten erzählt. Besonders wichtig ist ihm eine amerikanische Influencerin, die ihr komplettes Leben online führt und der gegenüber die Erzählerin ebenfalls eine ungesunde Obsession entwickelt. Das Buch liest sich wie eine schonungslose Studie über toxische Beziehungen und Machtgefällen. Die Art wie die Obsession der Erzählerin geschildert wird ist beeindruckend unangenehm. Dabei steht die fast schon krankhafte Verliebtheit der Hauptfigur im Gegensatz zu ihren feministischen Ansichten. Der Mann ist so ein ekeliger Energie-Vampir und manipulativer Herzensbrecher, dass ich mir sehr schnell gewünscht habe, sie würde dies auch nicht nur erkennen (denn das tat sie), sondern auch entsprechend handeln. Dazu kommt scharfe Gesellschaftskritik in der weiße Privilegien, Influencer-Kultur, parasoziale Beziehungen und Machtdynamiken zerlegt werden. Diese Abschnitte waren für mich die stärksten im Buch, aber ich hatte Probleme damit, die klugen Analysen über systematische Machtgefälle mit den sehr neurotischen Abschnitten über ihre Obsessionen in Einklang zu bringen. Irgendwie reiht sich die Erzählerin in die in den letzten Jahren populär geworden Figur der unsympathischen, von der Welt desillusionierten Millennial-Frau ein, voller Selbsthass ist. Die Leseerfahrung war teilweise frustrierend, weil ich mir sehr gewünscht habe die Erzählerin würde ihr Leben in andere Bahnen lenken. Dennoch war es ein aufschlussreiches Buch, dass ich gern gelesen habe.

I’m a Fan
I’m a Fanvon Sheena Patelhanserblau in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
21. März 2024
Bewertung:3

Eher 2,5 Sterne - für mich persönlich Das Buch war, trotz der überschaubaren Länge, für mich sehr langatmig. Am Anfang hab ich mich recht unterhalten gefühlt, mich auf unangenehme Weise auch teilweise wiedererkannt. Jedoch fand ich, dass es sich ab einem gewissen Punkt nur noch wiederholt hat. Ich fand die Dynamik anstrengend und für mich hat es sich dadurch gezogen wie Kaugummi.

I’m a Fan
I’m a Fanvon Sheena Patelhanserblau in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12. Dez. 2023
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Bewertung:4

„Ich bin keine Protagonistin in dieser Betrugsromcom, sondern Nebenfigur. Er läuft zu keinem Zeitpunkt Gefahr, sich in mich zu verlieben. Ich lasse mir in meinem eigenen Leben die Rolle stehlen. Ich stehe sozial nicht mit ihnen auf einer Stufe, da sind sie sich ebenbürtig und das passendere Paar. Niemand würde mich je zu einer Vernissage in die Royal Academy einladen - ich bin niemand. Ich bin ein Fan, und deshalb kann man mich rausschneiden!" Die Erzählerin ist verliebt. In einen verheirateten Mann, der auch noch eine Affäre hat. „Die Frau von der ich besessen bin" wird obsessiv gestalkt. Wir lesen über eine moderne Dreiecksbeziehung in Zeiten von Social-Media und Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern. Die Geschichte unserer namenlosen Protagonistin rund um Obsessionen und toxische Beziehungen trifft den heutigen Zeitgeist. Kritisch beäugt werden zudem die Sozialen Medien und deren Einfluss auf das eigene Selbstbild. Natürlich kommt das Patriarchat auch nicht gut weg. Ich spreche hiermit eine absolute Empfehlung aus! Die Sprache in dem Roman ist zwar sehr derb, aber authentisch. Die nächsten Bücher der Autorin werde ich auf jeden Fall auch lesen. „Ich verliebe mich in eine Version von ihm, die außerhalb meiner Fantasie vielleicht gar nicht existiert. Im Vergleich mit der Person, die er sein könnte, zieht er jedes Mal den Kürzeren. Wenn er doch nur nicht mehr wäre, wer er ist, dann könnten wir endlich glücklich sein."

I’m a Fan
I’m a Fanvon Sheena Patelhanserblau in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
3. Nov. 2023
Bewertung:4.5

In I’m a Fan“ von Sheena Patel begleiten Lesende die namenlose Ich-Erzählerin, die in einen Mann verknallt ist, der mit der Frau schläft, von der sie besessen ist. Klingt absurd? Das ist das Buch auch, aber auf eine gute Weise. Die Beziehung bzw. Affäre der Ich-Erzählerin und dem ebenso namenlosen Mann ist toxisch. Gleichzeitig ist aber auch die Ich-Erzählerin in einer weiteren Beziehung. Der Roman kommt mit vielen kurzen Kapiteln aus, die alle sehr humorvolle Titel tragen. In der Handlung geht es um eine ganze Reihe von Themen. Patel schafft es, sie alle sehr gut zu integrieren. So handelt das Buch von weißem Feminismus, Klassismus, Machtverhältnisse in Beziehungen, performativen Aktivismus und Social Media. Die Erzählerin reflektiert sehr gekonnt über eben jene Themen und zieht einen beim Lesen in ihren Bann, auch wenn das Buch oftmals ein großes Unbehagen auslöst, wenn man die Erzählerin bei ihrer Besessenheit begleitet. Gepaart ist das ganze mit teilweise vulgärer Sprache und spicy s3xszenen. Die Frau, von der die Erzählerin besessen ist, steht für den Inbegriff des Girlboss Feminismus. Sie hat ein eigenes Online-Business, ein clean eingerichtetes Haus und verlinkt Prominente und Gleichgesinnte auf Instagram, wo sie ihren exklusiven Lebensstils mit all ihren Fans teilt und feiert. Und auch der Mann, mit dem die Erzählerin gerne zusammen wäre ist sehr privilegiert. Als Künstler hat auch er viele Fans. Die Erzählerin ist das alles nicht, muss mit Geld haushalten und hat keine Fans. Patel verwebt viele aktuelle Diskurse in einer sehr ungewöhnlichen Geschichte. Für mich war es eine tolle, interessante und humorvolle Lektüre.

I’m a Fan
I’m a Fanvon Sheena Patelhanserblau in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG