Ein sprachgewaltiges Buch für ein Leben das Generationen von Gefangenen der sowjetischen Arbeitslager nach dem zweiten Weltkrieg in Rumänien sprachlos machte. Welche Worte findet man für unmenschliches Leben, Hunger und Erfahrungen die ein "danach" Leben ausschließen? Was am Leben hielt den Hunger als Engel zum Begleiter zu machen, den Rhythmus des Atmens als Schaukel zu fühlen und bei fürchterlich Appellen einen Haken in den Wolken finden, der einen hält.
eine traurige geschichte so schön geschrieben
🌬𝐀𝐔𝐅𝐄𝐍𝐓𝐇𝐀𝐋𝐓 𝐈𝐌 𝐀𝐑𝐁𝐄𝐈𝐓𝐒𝐋𝐀𝐆𝐄𝐑 𝐈𝐍 𝐑𝐔𝐒𝐒𝐋𝐀𝐍𝐃🌬
Dieses Buch ist eine Art Tagebuch eines jungen Mannes, der in ein Arbeitslager in Russland geschickt wird. Mir hat der Schreibstil der Autorin sehr gut gefallen, jedoch an manchen Stellen kam es mir etwas in die Länge gezogen vor. Man bekommt in dieser Geschichte allerlei Aneinanderreihungen von Ereignissen, die vom Protagonisten erzählt werden. Mir hat da leider die Emotion etwas gefehlt, weil es mich mit dieser Art der Erzählweise nicht richtig berührt hat. Dennoch ein sehr lesenswertes Buch, welches ich definitiv empfehlen kann!
Das Buch hat mich wirklich bewegt. Die fantasievolle Beschreibung der Handlung in dem sehr ernstes Thema fand ich sehr interessant und gelungen. Jeder Satz ist einzigartig.
So oder so, die Nacht packt ihren schwarzen Koffer gegen meinen Willen, das muss ich betonen. Ich muss mich erinnern gegen meinen Willen. Und auch wenn ich nicht muss, sondern will, würde ich es lieber nicht wollen müssen. Manchmal überfallen mich die Gegenstände aus dem Lager nicht nacheinander, sondern im Rudel. ... Die Atemschaukel überschlägt sich, ich muss hecheln. So eine Zahnkammnadelscherenspiegelbürste ist ein Ungeheuer, so wie der Hunger ein Ungeheuer ist. Und es gäbe die Heimsuchung der Gegenstände nicht, wenn es den Hunger als Gegenstand nicht gegeben hätte. - Zitat, Seite 34 Es ist ein dunkles Kapitel der Geschichte, welches die Nobelpreisträgerin Herta Müller mit ihrem Buch aufschlägt. Und es ist ein Stück weit auch ihre Geschichte, denn auch ihre Mutter war 5 Jahre in einem sowjetischen Arbeitslager. Von der Deportation der in Rumänien lebenden Deutschen waren 1945 alle Frauen und Männer zwischen 17 und 45 Jahre betroffen. Eigentlich wollte die Autorin ein gemeinsames Buch mit dem Überlebenden dieser Zeit, Oskar Pastior, schreiben. Dessen plötzlicher Tod 2006 beendete das gemeinsame Projekt, doch die aufgezeichneten Details aus dem Lageralltag, versetzten Herta Müller in die Lage, diesen großartigen Roman zu schreiben. Auch wenn der Ich-Erzähler hier Leopold heißt und nicht Oskar, auch wenn der Bericht weniger einer direkten Erzählung oder Tagebuchaufzeichnungen entspricht, sondern vielmehr durch seine poetische Sprachmelodie geprägt ist, wirkt diese Geschichte unglaublich nah und echt. Wenn Herta Müller darüber schreibt, wie der Protagonist völlig unwillkürlich von Erinnerungen heimgesucht wird oder er im Lager von Hunger und von Läusen gequält wird, findet sie Sprachbilder, die zwar auf den ersten Blick zart und lyrisch anmuten, aber in ihrer Eindringlichkeit einen starken Nachhall erzeugen. Die Hoffnung findet sich als Taschentuch, von der Großmutter mit den Worten "Du kommst wieder", in der Hand des jungen Mannes. Und der diebische Hungerengel wirkt sein verwirrendes Spiel, dass der Verlust des letzten Stückchen Menschlichkeit nur eine Brotkante weniger entfernt zu sein scheint. Die Geschichte ist im Präsens verfasst, daher wirkt sie ungemein nah und gleichzeitig zeitlos. Und der Leser spürt, was war, ist für den Erzähler nicht vorbei, die Vergangenheit ist ebenso gegenwärtig wie das Hier und Jetzt. Für diesen Roman sollte man sich Zeit nehmen und immer wieder bewusst nachspüren, was das Gelesene mit einem macht. Dann entwickelt das Werk seine volle Wirkung. FAZIT Wäre mir bewusst gewesen, welch außergewöhnliche Lektüre mich mit Herta Müllers Atemschaukel erwartet, hätte ich bestimmt früher zum Werk gegriffen. Es war eine ganz besondere Leseerfahrung, die ich gerne weiter empfehle. Unbedingt lesenswert.
Herta Müller hat sich mit der Deportation von Rumäniendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg in die Sowjetunion befasst und dazu auch Gespräche mit Betroffenen geführt. Es ist düster, traurig, sollte nicht in einer dunklen Stimmung gehört oder gelesen werden.
"Ich trage stilles Gepäck. Ich habe mich so tief und so lang ins Schweigen gepackt, ich kann mich in Worten nie auspacken. Ich packe mich nur anders ein, wenn ich rede." 'Atemschaukel' ist mein erstes Buch von Herta Müller und es lag so ewig auf meinem SuB, dass ich sehr froh war, als eine Freundin einen Buddyread angeboten hat. Und dass ich nun endlich dieses intensive Buch gelesen habe! Der Protagonist Leo, wird als 17-jähriger im Januar 1945 zum Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter in der Sowjetunion. Erst sieht er seine Abholung fälschlicherweise noch als Chance, seinem kleinen Leben zu entkommen, in dem er Teile seiner Identität nicht zeigen kann. Denn heimlich trifft er sich in seiner Heimatstadt mit fremden Männern im Park und kann nur dort, nur unter dem Schleier des Verborgenen seine Homosexualität ausleben. Schon sehr schnell merkt er, dass die eingetauschte Realität alles übersteigt, was er sich vorstellen hätte können - vor allem, weil ihm nicht klar war, wie sich Hunger wirklich anfühlt. Und wie lang das Leben im Lager sein wird, wie nah dran am Tod. Sehr detailliert, bildhaft und wortgewandt wird aus Leos Perspektive die Kriegsgefangenschaft geschildert, mit dem stets präsenten Hungerengel, der jedes Leben und jeden Tod prägt. Es ist wirklich eindrücklich, wie Herta Müller die Psychologie des Lagerlebens ausrollt und es nachvollziehbar macht, in welchen Spiralen die Gedanken kreisen. Auch das Leben nach dem Lager findet Platz im Buch, und auch hier schafft die Autorin, der Sprachlosigkeit zwischen den Heimkehrenden und den Heimgebliebenen Worte zu geben. Es ist wirklich ein besonderes Buch und ich bin froh, es endlich gelesen zu haben. Ich dachte mir beim Lesen ab und zu, dass es zu detailliert ist, sich manchmal zu sehr zieht, doch genau das gibt das Erleben des Protagonisten so authentisch wieder. CN: T0d, Able1smus, Hom0feindlichkeit, Tierle1d, Suiz1d
Ich habe das Buch nun zweimal begonnen und immer bis zur Hälfte gelesen. Einerseits erkenne ich das literarisch Wertvolle, die Grausamkeit eines Lageraufenthalts in Russland in einer so poetischen Sprache darzustellen. Andererseits habe ich wohl nach 150 Seiten genug von Herzschaufeln, Hungerengel und Atemschaukeln. Zudem fehlt mir das Interesse an einer Geschichte, denn es gibt keine Entwicklung, es bleibt episodenhaft, kurze Einblicke in Situationen und Gefühle, wie in einem Gedichtband. Das muss man mögen.
Ich habe das Buch nun zweimal begonnen und immer bis zur Hälfte gelesen. Einerseits erkenne ich das literarisch Wertvolle, die Grausamkeit eines Lageraufenthalts in Russland in einer so poetischen Sprache darzustellen. Andererseits habe ich wohl nach 150 Seiten genug von Herzschaufeln, Hungerengel und Atemschaukeln. Zudem fehlt mir das Interesse an einer Geschichte, denn es gibt keine Entwicklung, es bleibt episodenhaft, kurze Einblicke in Situationen und Gefühle, wie in einem Gedichtband. Das muss man mögen.
Hartes Sujet trifft auf gefühlige Sprache - it‘s a Match
Mein erstes Buch 2024 und gleich so ein Schlag in den Magen. Aber ich wusste ja, worauf ich mich einlasse. „Atemschaukel“ von Herta Müller, die 2009 nicht unverdient den Nobelpreis für Literatur erhalten hat, ist ein schmerzhaftes Buch. Und das vielleicht umso mehr, als das wahrscheinlich viele nicht so richtig Bescheid wissen über das Thema. Nach dem Zweiten Weltkrieg werden insgesamt 60.000 Rumäniendeutsche in russische Straflager deportiert. Sie wissen nicht, wie lange sie dort bleiben. Sie wissen nicht, ob sie überleben. Der junge, homosexuelle Protagonist Leopold ist einer von ihnen. Ich habe einige Rezensionen gelesen, in denen sich Menschen mit dem Schreibstil von „Atemschaukel“ schwergetan haben. Oder sogar hinterfragt haben, ob man das überhaupt „darf“, nicht nüchtern, sondern poetisch und gefühlig über „so ein“ Thema schreiben. Ich finde: Man darf. Sollte vielleicht sogar auch. Dass man sich im harten, gleichförmigen Alltag eines Lagerlebens in Phantasien und Details flüchtet, finde ich höchst plausibel. Was bleibt einem sonst. Gleichzeitig hadert Leopold auch etwas damit, dass er gerade nicht fühlen kann, wie er vielleicht fühlen sollte. Aus Selbstschutz, aus Überlebenswillen oder einfach aus Unvermögen aufgrund des Traumas. Ich persönlich kann mit solch metaphorischer Sprache schon was anfangen, wobei mich die Hungerengel, Herzschaufeln und Atemschaukeln schon ein bisschen an meine Grenze geführt haben aufgrund der Wiederholungen - was aber vielleicht auch als Kunstgriff zu verstehen ist. Am Ende bleibt: Ein Kloß im Hals, ein Stein im Magen und das Gefühl, ein wichtiges, ein gutes Stück Literatur gelesen zu haben. Wenn ihr könnt, lest es.
Wahnsinn. Aufwühlend, lyrisch, poetisch und dramatisch.
Ganz große Literatur. Erschreckend schön. Herta Müller hat so bilderreich und poetisch geschrieben, dass es absolut gegensätzlich zum Geschehen erscheint.
Wir begleiten einen jungen, homosexuellen Mann in ein russisches Straflager, wo er in den 5 Jahren Aufenthalt versuchen wird, zu überleben. Herta Müller gelingt es, das Grauen im Lager mit derart lyrischer, schöner, poetischer Sprache zu schildern, dass man völlig gefesselt ist von der Sprache und darüber ganz vergisst, dass es hier ums nackte Überleben geht. Das Buch ist zwar nicht immer ganz einfach zu lesen, aber es lohnt sich so sehr. Das ist mein Zweites, aber bestimmt nicht das letzte Buch dieser Autorin.
Das Buch hat mich echt berührt. Die Gefühle sind sehr greifbar und eindringlich. Der Schreibstil ist verdammt gut.
Gerade so 3 Sterne. Die Story hätte toll sein können. Es war nur nicht mein Schreibstil.
Lange wollte ich dieses Buch nicht lesen, da sehr viele Rezensionen eher negativ ausfallen. Der Stil sei zu verkünstelt und emotionslos. Umso größer war meine Überraschung als mich bereits die ersten Zeilen fasziniert haben. Zugegeben die Sprache ist gewöhnungsbedürftig und in der Tat sehr experimentell. Manche Sätze ergeben einfach keinen Sinn oder sind in ihrer Aussage, wenn man sie dann mehrmals gelesen und schließlich erfasst hat, so banal dass es etwas enttäuschend ist. Das klingt eigentlich nicht nach der Sorte Literatur die ich bevorzuge. Sprache und Geschichte haben jedoch eine Atmosphäre entfaltet, die mich gefangen genommen hat. Ich kann nicht einmal erklären was genau mich so sehr fasziniert hat. Es ist mehr ein Gefühl, eine Stimmung die sich nicht in Worte fassen lässt und dieser sture, melancholische Überlebenswille des Protagonisten. Dass nach einem solchen Erlebnis ein Anknüpfen an das alte Leben nicht mehr möglich ist und wie Verbündete und Leidensgenossen aus dem Lager in der Freiheit plötzlich zu Fremden werden, hat Herta Müller meines Erachtens am eindrücklichsten dargestellt. Besonders der furchtbare Umgang mit Traumata zur damaligen Zeit, als schlichtweg nicht über die Schrecken gesprochen und alles totgeschwiegen wurde ging mir sehr nahe. Ein Buch das gewiss nicht jedermanns Sache ist, mich jedoch sehr positiv überrascht hat. Es wird nicht mein letztes Buch von Herta Müller gewesen sein.
Sprachlich herausragend!
Wahrscheinlich sprachlich eines der besten Bücher die ich bis dato gelesen habe. Dennoch muss ich sagen, das sich bei mir emotional nicht viel gerührt hat. Vielleicht war es nicht der richtige Moment für mich, weshalb ich mir „Atemschaukel“ für ein Reread zu einem anderen Zeitpunkt notiert habe.
NOCH SO EINE NOBELPREISTRÄGERIN? Herta Müller – Atemschaukel (2009) Fünf Lagerjahre – fünf Jahre der Zwangsarbeit, der unmenschlichen Bedingungen, des Eingeschlossenseins in die Flügel des Hungerengels – beschreibt aus der Ich-Perspektive eine fiktive 17-jährige Figur namens Leopold. Der junge Mann wird als in Rumänien lebender Deutscher in ein Arbeitslager verschleppt, um dort Aufbauarbeiten für die Sowjetunion zu leisten. Alles wird zugunsten des Hungerns geopfert, seinen „Faust“ und „Zarathustra“ wird er Seite für Seite als Zigarettenpapier verkaufen. Das Mantra „Ich weiß, du kommst wieder“ – die letzten Worte seiner Großmutter – helfen zeitweise, sich hartnäckig ans Leben zu klammern. Und doch: so viel Ungewissheit, ob man leben will oder nur noch einen Tag überstehen wird. Hilft da das Gedichtrezitieren, das Erinnern an die Heimat, die Flucht in Lagerliebschaften? Leopold zumindest versucht es. Die Gesamtpoetik des romanhaften Stücks Literatur, das Herta Müller hier vorlegt, kann über die Grausamkeit und Wirklichkeit des Lageralltags absolut nicht hinwegtäuschen. Naturvergleiche, romantische Motive und das Verkriechen im russischen Vokabular machen den Tod nicht weniger unmittelbar. Leopold sieht und hört dafür einfach zu vieles und teilt dem Lesenden alles akribisch genau mit. Da sich der Lageralltag stetig wiederholt, arbeitet auch die Autorin mit den zwei wiederkehrenden Motiven HEIMWEH und HUNGERENGEL. Manchmal platzen diese beiden Worte auch unmittelbar in die Gedankenwelt des jungen Mannes, dem wir folgen und es unterbricht (leider) oft das versucht-flüssige Romankonzept. Nichtsdestotrotz war ich von Herta Müllers Sprache sehr fasziniert. Leopold konzentriert sich interessanterweise oft auf ‚weibliche‘ Themen im Lager, dadurch hatte ich das Gefühl, eher einer Frauenperspektive zu folgen. Das Gefühl wich bis zur letzten Seite irgendwie nicht so recht von mir. Vielleicht ging es anderen Lesenden auch so?! Insgesamt halte ich dieses Buch für sehr lesenswert, man ertrage nur den Stein in Herz und Magen, den die Autorin einem beim Lesen zugedenkt mit ihrem Werk.