14. Apr. 2024
Bewertung:5

Ein geistesgestörter König, noch keine 20 Jahre alt, der lieber mit seinem Hund und seinem dunkelhäutigen Pagen spielt, eigentlich noch ein Kind und zum Regieren Dänemarks völlig ungeeignet. Seine Ehefrau, die Königin, zwei Jahre jünger als er, die Schwester des englischen Königs, die als Kind mit dem Verrückten zwangsverheiratet wurde, um dann von ihm „wie eine Muttersau gedeckt zu werden“ (O-Ton), ist verrückt nach leidenschaftlicher Liebe. Und die findet sie bei einem Deutschen, dem Leibarzt des schwachsinnigen Königs, der es versteht die Macht an sich zu reißen und sämtliche Vollmachten zum alleinigen Regieren sich vom König unterschreiben läßt. Das ist die wahre Geschichte, die sich so zwischen 1769 und 1772 in Dänemark zutrug. Mir war sie zuvor nicht bekannt. Mir wurde diese tragische Dreiecksbeziehung von Per Olov Enquist in ganz wunderbarer Weise näher gebracht, denn der schwedische Autor erzählt diese Geschichte nicht einfach chronologisch durch einen auktorialen, beschreibenden Erzähler herunter. Vielmehr versteht er es, den Figuren des Hofstaates durch ihre wiedergegebenden Gedanken, Leben einzuhauchen. Da wird z.B. nicht einfach nur gesagt, dass jemand verzweifelt hadert, sondern da werden mantrahaft die Gedankenströme wiederholt und das in einer Eindringlichkeit, dass ich mir den Roman am liebsten von Schauspielern auf der Theaterbühne hätte vortragen lassen. Man spürt wie der junge König Christian VII. an seinen Verschwörungstheorien zu zerbrechen scheint. Man fühlt, wie Königin Caroline Mathilde sich immer größere Lust verschafft und beginnt ihren eigenen Körper zu entdecken und wertzuschätzen. Man erlebt die Erregung des Leibarztes Johann Friedrich Struensees, wie er sich der Grenze der Lust beim Zusammensein mit der Königin immer stärker nähert und er ihr immer mehr verfällt. Die Sexszenen zwischen den Beiden ist mit das Erotischste, was ich bisher in einem Roman gelesen habe. Der Akt wie er langsam in sie eindringt, zieht sich über mehrere Absätze und man muss dabei aufpassen, dass man als Leser nicht das Weiteratmen vergisst. Sprachlich ist das ein absoluter Hochgenuss, sehr bildhaft und intensiv, aber auch spannend, obwohl man als Leser recht früh schon erfährt, dass diese Menage a trois kein gutes Ende findet für die beiden Liebenden. Die Königin wird nach Celle verbannt und Struensee endet auf dem Schafott. Eigentlich verwunderlich, denn die über 600 Dekrete, die er verfasste, gaben den Dänen eine Freiheit, von denen die Franzosen zu der Zeit noch träumten, fast 20 Jahre vor dem Sturm auf die Bastille. So bescherte der Deutsche den Dänen z.B. die Pressefreiheit und das Ende der Leibeigenschaft. Aber es gab auch Beschlüsse, die die Zahl der Feinde Struensees erhöhten, wie z.B. die Verkleinerung der Armee zur Kostenreduzierung. Und so formierten sich die Widersacher um die Königinwitwe, die Mutter Christians, und Kopenhagen versank im Putsch. Die Tatsache, dass Caroline Mathildes zweites Kind wohl von Struensee stammte, brachte das Volk gegen ihn auf. Was für eine verrückte Geschichte! Was für ein toller historischer Roman. Unbedingte Leseempfehlung.

Der Besuch des Leibarztes
Der Besuch des Leibarztesvon Per Olov EnquistHanser, Carl
23. Feb. 2024
Bewertung:5

Ein geistesgestörter König, noch keine 20 Jahre alt, der lieber mit seinem Hund und seinem dunkelhäutigen Pagen spielt, eigentlich noch ein Kind und zum Regieren Dänemarks völlig ungeeignet. Seine Ehefrau, die Königin, zwei Jahre jünger als er, die Schwester des englischen Königs, die als Kind mit dem Verrückten zwangsverheiratet wurde, um dann von ihm „wie eine Muttersau gedeckt zu werden“ (O-Ton), ist verrückt nach leidenschaftlicher Liebe. Und die findet sie bei einem Deutschen, dem Leibarzt des schwachsinnigen Königs, der es versteht die Macht an sich zu reißen und sämtliche Vollmachten zum alleinigen Regieren sich vom König unterschreiben läßt. Das ist die wahre Geschichte, die sich so zwischen 1769 und 1772 in Dänemark zutrug. Mir war sie zuvor nicht bekannt. Mir wurde diese tragische Dreiecksbeziehung von Per Olov Enquist in ganz wunderbarer Weise näher gebracht, denn der schwedische Autor erzählt diese Geschichte nicht einfach chronologisch durch einen auktorialen, beschreibenden Erzähler herunter. Vielmehr versteht er es, den Figuren des Hofstaates durch ihre wiedergegebenden Gedanken, Leben einzuhauchen. Da wird z.B. nicht einfach nur gesagt, dass jemand verzweifelt hadert, sondern da werden mantrahaft die Gedankenströme wiederholt und das in einer Eindringlichkeit, dass ich mir den Roman am liebsten von Schauspielern auf der Theaterbühne hätte vortragen lassen. Man spürt wie der junge König Christian VII. an seinen Verschwörungstheorien zu zerbrechen scheint. Man fühlt, wie Königin Caroline Mathilde sich immer größere Lust verschafft und beginnt ihren eigenen Körper zu entdecken und wertzuschätzen. Man erlebt die Erregung des Leibarztes Johann Friedrich Struensees, wie er sich der Grenze der Lust beim Zusammensein mit der Königin immer stärker nähert und er ihr immer mehr verfällt. Die Sexszenen zwischen den Beiden ist mit das Erotischste, was ich bisher in einem Roman gelesen habe. Der Akt wie er langsam in sie eindringt, zieht sich über mehrere Absätze und man muss dabei aufpassen, dass man als Leser nicht das Weiteratmen vergisst. Sprachlich ist das ein absoluter Hochgenuss, sehr bildhaft und intensiv, aber auch spannend, obwohl man als Leser recht früh schon erfährt, dass diese Menage a trois kein gutes Ende findet für die beiden Liebenden. Die Königin wird nach Celle verbannt und Struensee endet auf dem Schafott. Eigentlich verwunderlich, denn die über 600 Dekrete, die er verfasste, gaben den Dänen eine Freiheit, von denen die Franzosen zu der Zeit noch träumten, fast 20 Jahre vor dem Sturm auf die Bastille. So bescherte der Deutsche den Dänen z.B. die Pressefreiheit und das Ende der Leibeigenschaft. Aber es gab auch Beschlüsse, die die Zahl der Feinde Struensees erhöhten, wie z.B. die Verkleinerung der Armee zur Kostenreduzierung. Und so formierten sich die Widersacher um die Königinwitwe, die Mutter Christians, und Kopenhagen versank im Putsch. Die Tatsache, dass Caroline Mathildes zweites Kind wohl von Struensee stammte, brachte das Volk gegen ihn auf. Was für eine verrückte Geschichte! Was für ein toller historischer Roman. Unbedingte Leseempfehlung.

Der Besuch des Leibarztes
Der Besuch des Leibarztesvon Per Olov EnquistHanser, Carl
1. Sept. 2022
Bewertung:2

Zu diesem Historienroman kam ich tatsächlich über eine ältere Folge vom Literarischen Quartett und den Film "Der Leibarzt und die Königin". Enqvist wählt als Erzählform eine historisch sehr inakkurate Berichtsform, die voller Mutmaßungen und vermeintlicher Gedankengänge der damals real existenten Figuren steckt. Dahingehend hat es mich SEHR an die Erzählweise in Daniel Kehlmanns "Die Vermessung der Welt" erinnert, was nicht unbedingt Begeisterungsstürme bei mir hervorrief. Zudem gibt es einfach unnötige Wiederholungen von Phrasen, Bibelzitaten, Attributierungen von Figuren - warum? Das Schicksal vom Aufklärer Struensee, dem schwachsinnigen dänischen König und seiner englischen Königin Caroline Mathilde und deren wunderbare Dreiecksbeziehung wusste mich in Filmform sehr zu begeistern, im Buch waren die Sexszenen furchtbar blumig, die Dialoge [vor allem zwischen Struensee und der Königin] oftmals wenig auf Verständnis ausgelegt... Ein bisschen dänische Aufklärungsgeschichte aufzufrischen war sehr reizvoll, aber vielerlei Vermutungen über bestimmte Beweggründe der Figuren wirkten teilweise lächerlich.

Der Besuch des Leibarztes
Der Besuch des Leibarztesvon Per Olov EnquistHanser, Carl