Großartig geschriebene, tragische Geschichte mit viel Tiefsinn und Gefühl
Es gibt nicht viele Bücher, die mir so gut gefallen, dass ich sie kaum aus der Hand legen kann. Natürlich können Bücher mich total fesseln und das auch oft. Aber ich hatte es schon lange nicht mehr erlebt, dass ich mir immer wieder Freiraum schaffte, um das Buch weiter zu lesen. "Der Pferdeflüsterer" von Nicholas Evans hat es geschafft. Schon komisch, da ich den Film wirklich nie richtig mochte. Eine Zeit lang war er sogar als einer meiner "Hassfilme" auf Moviepilot gelistet. Ich hielt den Film immer für eine unfassbar kitschige Schmonzette. Am Thema irgendwie vorbei. Es ist lange her, als ich den Film das letzte Mal gesehen habe. Ich denke ich habe ihn bisher dreimal geschaut. Seit ein paar Jahren möchte ich ihm noch einmal eine Chance geben, leider ist er in meinen abonnierten Streamingdiensten nicht verfügbar. Vor ein paar Wochen also war ich an einem Bücherschrank in München und da stand "Der Pferdeflüsterer" von Nicholas Evans. Ich habe nicht lange überlegt, ich griff danach und steckte es ein. "Irgendwann werde ich das schon mal lesen ..." So dachte ich. Irgendwann kam ziemlich bald, denn ich hatte richtig Lust auf das Buch. Und so begann ich zu lesen. Die Geschichte ist natürlich exakt gleich zum Film. Also so fern ich das noch in Erinnerung habe. Es ist immer noch diese ausgefüllte Liebesgeschichte darin enthalten, jedoch hat sie mich in der literarischen Form unglaublich berührt. Vor allem schreibt Nicholas Evans unfassbar versiert. Lesende erhalten in dem Buch nicht nur eine Tragic Lovestory, sondern ein ganzes Abenteuer. Evans beschreibt unfassbar detailliert die wunderschönen Landschaften Montanas, sodass man sich unmittelbar selbst darin befindet. Die Arbeit mit den Pferden ist ebenso spannend beschrieben, vor allem die Arbeit des Pferdeflüsterers. Evans lässt sich auch enorm Zeit, die Charaktere zu formen und zu beschreiben. Somit bekommen Lesende für jede Person einzeln ein Gespür. Und im Zusammenspiel werden Emotionen, Reaktionen und Gedanken dieser, viel verständlicher. Im Film hat mich Grace (gespielt von Scarlett Johansson) unglaublich genervt. Sie kam mir immer so rücksichtslos und egoistisch vor. Im Buch ist das nicht so. Weil ich die Zeit hatte, all ihre Gedanken und Gefühle kennen zu lernen. Natürlich hatte sie dieses schlimme Erlebnis, aber deswegen muss sie sich ja nicht wie die Axt im Walde aufführen. So mein Empfinden damals noch im Film. Nicholas Evans ließ Lesende richtig in die Gefühlswelt von Grace eintauchen und ihre Entwicklung miterleben. Miterleben ist ein gutes Stichwort, denn der Unfall, der sich zu Anfang ereignet ist so unfassbar intensiv beschrieben, dass mir die Tränen dabei kamen. Diese Szenen wurden im Film auch sehr gut umgesetzt. Ein Grund, warum ich mich auch etwas scheue, den Film "Der Pferdeflüsterer" noch einmal zu sehen. Zum Ende hin zieht sich das Buch etwas, jedoch liebte ich wirklich alles daran. Immer wieder wollte ich unbedingt zur Double Divide Ranch zurück kehren. Das lag nicht nur an der ganzen Geschichte, sondern auch an den sympathischen Charakteren. Besonders Tom Booker (im Film gespielt von Robert Redford) konnte mein Herz gewinnen. So ein ruhiger, fokussierter Mann, der fast perfekt wirkt und dennoch seine Fehler hat. Genau dies gefiel mir besonders an der Figur. Nicholas Evans sorgte dafür, dass Tom Booker wie ein Filmstar aus der Pferdewelt wirkte, sich selbst aber nie so sah. Und durch manche Entscheidungen, die er privat traf, wirkte er nicht fehlerfrei, sondern eben so menschlich, wie alle anderen. Auch die oben schon angedeutete Romanze hat mir sehr gefallen. Da ich ein Faible für Tragic Lovestorys habe, war das genau meine Kragenweite. "Der Pferdeflüsterer" war bisher das erste und einzige Buch, das ich von Nicholas Evans gelesen habe. Ich werde mich wohl noch ein bisschen nach diesem Autor umsehen, denn er kann wirklich sensationell Geschichten erzählen. Der Anfang des Buches, sowie das Ende, lässt mich kaum mehr los und ich bin nun sehr wehmütig, meine Abreise anzutreten, die Double Divide zu verlassen und weiter zu ziehen.