Erschreckendes Gesellschaftsportät
In Oak Knoll, einer kleinen, gewachsenen Nachbarschaft in North Carolina, ist die Welt noch in Ordnung. Man kennt sich, man hilft sich, egal ob schwarz oder weiß und alte Bäume spenden in den heißen Sommermonaten Schatten. Genau so ein Baum ist es, der Unfrieden zwischen der alteingesessenen Valerie und ihren neuen Nachbarn, den Whitmans, stiftet … Es ist eine ruhige Geschichte, die sich da erst einmal entfaltet, teilweise sogar idyllisch, die uns eine allwissende Erzählerin (für mich ist sie gefühlt eine Frau) mit Rückblenden in die Lebensgeschichten der einzelnen Personen erzählt. Mir hat diese Form wirklich ausserordentlich gut gefallen, vor allem die immer wiederkehrenden bedeutungsschwangeren Andeutungen, die zum Fortgang der Geschichte gemacht werden. Denn die Idylle trügt, vor allem nachdem Emporkömmling Brad Whitman eines der alten Häuser platt machen lässt um einen protzigen Neubau samt Pool zu bauen und mit Frau und den zwei Töchtern einzieht. Es ist der Beginn einer Katastrophe, die man erahnt, die man fürchtet und, je weiter man sich dem Ende nähert, fast mit Verzweiflung aufhalten möchte. Für mich sind Autorinnen ja immer dann grandios, wenn man eine wirkliche Verbindung zu ihren Protagonisten herstellt. Meistens im positiven Sinn, aber manchmal auch - so wie hier - im negativen Sinn. Therese Anne Fowler hat es tatsächlich geschafft, dass ich im Laufe des Buches Brad Whitman regelrecht gehasst habe. Dieser Mann und alles wofür er steht hat mich am Ende nur noch angewidert. Auch für Julia hatte ich nicht mehr viel übrig, seine opportunistische Ehefrau, die sich hochgeschlafen hat und für meinen Geschmack am Ende viel zu sehr auf die Füße fällt. Ihr seht, dieses Buch hat intensive Gefühle bei mir ausgelöst, wie viele kann ich hier gar nicht beschreiben ohne zu spoilern. Und ja, am Ende habe ich auch bittere Tränen vergossen. ‚Gute Nachbarn‘ ist ein starkes, bewegendes Portät (nicht nur) der amerikanischen Gesellschaft und absolut empfehlenswert.