Mein drittes Buch von Celeste Ng - und das erste, bei dem ich wirklich gemerkt habe: Das könnte schwierig werden. Wenn ich nicht schon zwei richtig gute Bücher von ihr gelesen hätte, hätte ich dieses hier wahrscheinlich nach 50 Seiten zur Seite gelegt.
Dabei schreibt Ng eigentlich wieder wunderschön.
Ihre Sprache ist leise, fast vorsichtig, und sie arbeitet viel mit poetischen Bildern, was ich sehr mag. Und, dass sie auch mit wenigen Charakteren eine spannende und vielseitige Story erschaffen hat, hat mich wieder begeistert.
Wir haben hier eine Dystopie, die von einer Zukunft erzählt, in der ein Gesetz die amerikanische Kultur schützen soll - was dazu führt, dass asiatisch gelesene Menschen zum Feindbild werden. Es geht um Rassismus, darum, was Angst mit Menschen macht, und wie schnell eine ganze Gesellschaft kippen kann. Starke, wichtige Themen, keine Frage - aber für meinen persönlichen Geschmack einfach zu politisch.
Dazu kamen einige Längen - Passagen, bei denen ich das Gefühl hatte, sie bringen die Geschichte nicht wirklich voran. Und während man so liest, fragt man sich auch immer wieder: Okay... und was passiert jetzt noch? Trotzdem: Die Themen werden klug verpackt und regen definitiv zum Nachdenken an.
Insgesamt bleibt für mich: ein gutes Buch mit wichtigen Botschaften, aber nicht mein persönlicher Favorit von Celeste Ng.
Nachdem Birds Mutter die Familie verlassen hat, lebt der 13jährige Junge mit seinem Vater zurückgezogen in einem Studentenwohnheim in Harvard. Birds Mutter hatte chinesische Wurzeln und in den USA einer nicht allzu fernen Zukunft wird alles asiatische als potentielle Gefahr verfolgt und bekämpft. Da erreicht Bird eine Nachricht seiner Mutter und er beschließt, sich auf die Suche nach ihr zu machen …
Beim Lesen dieses Buches wurde mir erschreckend klar, dass man es eigentlich gar nicht mehr als Dystopie betrachten kann, zu gut vorstellbar sind Verhältnisse und Gesetze wie PACT in naher Zukunft. Zumal die Menschheit immer schon Sündenböcke gesucht und in Minderheiten nur zu gerne gefunden hat, ebenso, wie Kinder zu ‚Umerziehungszwecken‘ aus ihren Familien zu reißen. Celeste Ng hat hier also nichts undenkbares ‚erfunden‘, sondern sehr emotional und erschütternd in einen neuen Kontext gestellt.
Dem schwierigen Thema gegenüber steht Ng‘s ruhige, stellenweise fast poetische Sprache und die bittersüße Beschreibung von Bird und seiner Mutter. Ich bin mir sicher, man muss selbst keine Kinder haben, um den Schmerz in der Abschiedsszene spüren zu können …
Ich halte ‚Unsere verschwundenen Herzen‘ gerade in diesen Zeiten für ein unglaublich wichtiges Buch, dass ich jedem nur ans Herz legen kann.
- Ruhige Dystopie mit Anspruch und „schönem“ Schreibstil – hat mir gut gefallen… -
„Unsre verschwundenen Herzen“ ist ein solider Roman, der mich zwar gut unterhalten hat, aber für mich kein Lesehighlight war. Wer ruhige Dystopien mit Anspruch und Tiefe mag und Wert auf einen „schönen“ Schreibstil legt, wird mit dieser Geschichte sicher seine Freude haben. Und auch ich werde in Zukunft bestimmt wieder einmal zu einem Buch der Autorin greifen…
In den USA in naher Zukunft bestimmt PACT das Leben der Menschen. PACT ist ein Gesetz, dem Gesetz zur Erhaltung der amerikanischen Tradition. Ein Gesetz, welches das krisenerschütterte Land stabilisiert hat, ist geprägt von Patriotismus und China als Feindbild. Infolgedessen werden alle asiatisch gelesenden Menschen ausgegrenzt und rassistisch angefeindet. In dieser Welt lebt der zwölfjährige Bird, dessen Mutter, Margaret, vor drei Jahren verschwunden ist. Margaret, selbst Kind chinesischer Einwanderer, hat vor Jahren ein Gedichtband veröffentlich und eines ihrer Gedichte wurde auf den Demos gegen PACT genutzt. Um Bird zu schützen hat sie ihn und seinen Vater verlassen, denn laut PACT dürfen die Kinder „unamerikanischer“ Eltern diesen entzogen werden. Als Bird einen Brief von seiner Mutter erhält macht er sich auf die Suche nach ihr, um zu ergründen, warum sie damals verschwunden ist.
Celeste Ng zeichnet eine Welt, die minimal anders ist als unsere und leider auch gar nicht mal so abwegig. Die beschriebene Krise mit Inflation und Unruhen sowie der Anstieg von anti-asiatischen Rassismus (wie hier seit Corona) sind sehr aktuell. Die beschriebene Gesellschaft steckt voller Angst, Misstrauen, Verrat und Kontrolle. Bücher werden entfernt, wenn sie angeblich unpatriotisch sind. Nachbarn zeigen Nachbarn an. Die bedrückende und bedrohliche Atmosphäre in einem tyrannischen Überwachungsstaat wurde gut dargestellt Aber es gibt auch Mut, Freundschaft, selbstlose Liebe und Menschen, die bereits sind für andere zu kämpfen.
PACT mag fiktiv sein, aber viele der geschilderten Maßnahmen wurden oder werden in verschiedenen Teilen der Welt (auch in den USA) angewendet, so dass ich beim Lesen teilweise bedrückt war. Hinzu kommt der starke Focus von dem Entziehen der Kinder, als Elternteil gehört dies tatsächlich zu den Dingen, die mir große Angst machen.
Celeste Ng kann mit Worten zaubern. Die Geschichte von Bird und Margaret und den verschwundenen Herzen hat mich tief berührt und wird mich noch lange nicht loslassen.
In einer Dystopie der USA, wo Patriotismus höchste Bürgerpflicht ist, sucht ein Junge seine Mutter und erfährt die Gefahren, die in einer solchen Welt lauern für diejenigen, die anders sind.
Wie in jedem ihrer vorherigen Bücher, geht Celeste Ngs Erzählung unter die Haut. Jeder Satz zieht an einem und man wird sich der völligen Hilflosigkeit als Lesende bewusst, wenn diese zerbrechlichen und zugleich starken Figuren ums Überleben kämpfen. Auch hier widmet sich die Autorin wieder dem Thema des Anti-Asiatischen-Rassismus, hierbei vor allem auch dessen verstärktem Aufkommen mit dem Rückenwind der Corona-Pandemie.
In dieser Dystopie wird auf faszinierende und sehr realistische Weise eine Zukunftsvision entworfen, die vielleicht gar nicht allzu weit entfernt ist. Für mich gibt es hier bereits erschreckende Parallellen zu einigen Ländern unserer Gegenwart.
Obwohl es nun schon ein wenig her ist, dass ich das Buch gelesen habe, klingt es immer noch nach und es fällt mir schwer, meinen Leseeindruck zusammenzufassen. Die Hauptperson ist der 12jährige Bird, dessen Mutter verschwunden ist bzw. verschwinden musste, um ihn zu retten. Es geht hier um politische Macht, die Menschen nach ihren Vorstellungen formt oder aussortiert. Es geht um einige wenige Menschen, die sich auflehnen und um eine mutige und starke Frau, die auf ihre ganz eigene Weise ihren Weg gegen den Widerstand geht. Und es geht um Bücher, denen hier auf eine ganz eigene Weise eine verbindende Rolle zukommt.
Ich bin beeindruckt, wie stark die Hauptcharaktere hier geformt sind, wie zart und doch wortgewaltig die Stimmung und das Leben in einer bedrückenden Welt dargestellt werden und wie sich ein leichter Schimmer von Hoffnung durch den Roman zieht.
Dystopie oder Wirklichkeit? Kinder aus ihren Familien herausreißen als politisches Druckmittel; Sündenböcke suchen und benennen für das Scheitern des Kapitalismus. Und sooo intensiv versprachlicht… grandios! Absolute Leseempfehlung, aber nichts für schwache Nerven.
Beklemmend und realistisch. Gleichzeitig zu Herzen gehend.
Hat mir sehr gut gefallen und berührt. Nicht zuletzt da es leider sehr gut vorstellbar ist, dass sich unsere Welt so entwickelt. Die verschwundenen Herzen berühren sehr. Allein die Vorstellung ist furchtbar.
"Unsre verschwundenen Herzen" von Celeste Ng ist ein Buch, dass die Hoffnung nicht aufgibt und nahe geht. Übersetzt von Brigitte Jakobeit.
Bird, der eigentlich Noah heißt, erinnert sich noch an viele schöne Momente mit seiner Ma. Momente, in denen ihm ganz warm vor Liebe war. Doch plötzlich ist sie verschwunden und Bird soll sie vergessen, nicht nach ihr fragen, nicht von ihr reden. Er soll tun, als hätte es sie nie gegeben. So wie es auch all ihre Sachen nicht mehr gibt. Nur noch Bird und sein Dad. Mittlerweile ist Bird zwölf Jahre alt und sein Vater hat ihm eingeschärft nicht aufzufallen, denn asiatisch aussehende Menschen sind in diesen Zeiten einen Störfaktor der amerikanischen Gesellschaft. Eine Gesellschaft und ein Land, dass Angst vor China hat und hinter jeder Ecke und in jedem Vorhang einen Spion vermutet, der das amerikanische Volk bedroht. Und so werden Kinder unter fadenscheinigen Begründungen ihren Familien entrissen, damit sie bloß kein anti-amerikanisches Gedankengut entwickeln und als brave, gehorsame US-Bürger aufwachsen. Und damit eben dies nicht geschieht, ist Birds Ma fortgegangen. Doch Bird sucht nun nach Antworten ...
In diesem Roman erleben wir eine Gesellschaft in Angst, in der sich Denunziantentum und Rassismus ausgebreitet haben. Eine Gesellschaft, in der man Treppen hinuntergestossen oder auf der Straße zusammen geschlagen werden kann - und das nur, weil man anders aussieht. Weil man asiatisch aussieht. Und genau das war der Punkt, warum mir dieses Buch so unter die Haut ging, denn es ist genau das, was tagtäglich in unserer Welt passiert. Natürlich ist es im Buch stark überzeichnet, aber ich finde es erschreckend, wie schnell die Menschen auf Propaganda hereinfallen und das, in diesem Buch, geschaffene Feindbild dankbar aufgreifen und auch angreifen, denn zum Glück steht man selbst ja auf der "richtigen" Seite. Aber auch im Buch gibt es zum Glück Menschen, die hinter die Fassade schauen und nicht wie Lemminge den Massen und Medien folgen, sondern sich für die Benachteiligten und Ausgegrenzten einsetzen und für ihre Rechte kämpfen.
Die Geschichte hat zwar zwischendurch ein paar Längen, aber "Unsre verschwundenen Herzen" ist definitiv auch eines der Bücher, die nachdenklich stimmen.
Mit ihrem neuen Buch »Unsere verschwundenen Herzen« stellt die US-amerikanische Autorin Celeste Ng erneut ihr großes erzählerisches Können unter Beweis. In diesem dystopischen Roman, der in nicht allzu entfernter Zukunft in den USA spielt, bestimmt seit einer großen Wirtschaftskrise das PACT-Gesetz die Gesellschaft. Diese Gesetz diskrimminiert alle asiatisch-aussehenden Menschen systematisch.
Noah - von seiner Mutter liebevoll »Bird« genannt - lebt mit seinem Vater Ethan, ein auf Etymologie spezialisierter Professor für Linguistik und jetzt Bibliothekar, auf einem College Campus. Seitdem Birds asiatische Mutter vor 3 Jahren verschwundenen ist, wird es vermieden, über sie zu sprechen. Ethan und Noah leben ihren gemeinsamen Alltag, der von PACT und Eintönigkeit geprägt ist und zeilenweise an Orwells »1984« erinnert. Als Noah eine geheimnisvolle Zeichnung
Im Buch geht es um Bird, welcher eigentlich Noah heißt. Noah heißt er aber erst wieder, seit seine Mutter vor einer Weile verschwunden ist. Bird weiß, dass ihr Verschwinden etwas mit PACT zu tun hat. Dies ist ein Gesetz, welches nach einer schweren Krise den Frieden in der Gesellschaft bewahren soll. Daher sollen unamerikanische Werte verboten werden. Und um dieses Ziel zu wahren, ist in den Augen der Regierung jedes Mittel recht, was vor allem zur Diskriminierung asiatischer Menschen führt.
Als Bird einen Brief von seiner Mutter bekommt, brechen alte Wunden plötzlich wieder auf und er muss sich entscheiden: Den Kopf gesenkt halten und nicht auffallen oder seine Mutter finden.
Das Buch hat eine sehr beunruhigende Stimmung. Das Unwohlsein der Hauptcharaktere wird sehr gut herübergebracht. Man merkt, dass sie viele ihrer ganz alltäglichen Handlungen hinterfragen müssen, um keine negative Aufmerksamkeit zu erregen.
Vor allem die Sichtweise durch Bird, der ja noch ein Kind ist, ist sehr spannend. Es macht das Ganze noch einmal interessanter, weil die Möglichkeiten eines Kindes noch beschränkter sind, wodurch man sich in dieser Welt noch etwas hilfloser fühlt.
Die Welt, welche die Autorin aufbaut, wird stetig etabliert, umso weiter wir in die Geschichte eintauchen. So wird uns das Ausmaß des Schreckens konsequent weiter aufgezeigt. Man sieht immer mehr hinter die Fassade, an der Birds kindliches Ich zuerst noch festhielt.
Die Story ist sehr erschreckend und es wird wirklich gut dargestellt, wie langsam aber sicher sich die Veränderungen einschleichen, bis sie so extrem sind, wie sie sind.
Und selbst mit dieser Extremität ist es erschütternd, welche Parallelen man zur Geschichte und Gegenwart unserer Realität wahrnehmen kann.
Die Geschichte ist herzzerreißend und berührend und zeichnet eine extreme, aber nicht unrealistische Welt ab, bei der jedem von uns daran liegen sollte, Schrecken wie diese zu verhindern.
Konnte mich leider nicht ganz abholen. Hatte große Erwartungen da mir das Buch, Kleine Feuer überall, sehr gefallen hat. Den Klappentext fand ich auch gut aber es hat sich irgendwie gezogen.
In den USA in naher Zukunft bestimmt PACT das Leben der Menschen. PACT ist ein Gesetz, dem Gesetz zur Erhaltung der amerikanischen Tradition. Ein Gesetz, welches das krisenerschütterte Land stabilisiert hat, ist geprägt von Patriotismus und China als Feindbild. Infolgedessen werden alle asiatisch gelesenden Menschen ausgegrenzt und rassistisch angefeindet. In dieser Welt lebt der zwölfjährige Bird, dessen Mutter, Margaret, vor drei Jahren verschwunden ist. Margaret, selbst Kind chinesischer Einwanderer, hat vor Jahren ein Gedichtband veröffentlich und eines ihrer Gedichte wurde auf den Demos gegen PACT genutzt. Um Bird zu schützen hat sie ihn und seinen Vater verlassen, denn laut PACT dürfen die Kinder „unamerikanischer“ Eltern diesen entzogen werden. Als Bird einen Brief von seiner Mutter erhält macht er sich auf die Suche nach ihr, um zu ergründen, warum sie damals verschwunden ist.
Celeste Ng zeichnet eine Welt, die minimal anders ist als unsere und leider auch gar nicht mal so abwegig. Die beschriebene Krise mit Inflation und Unruhen sowie der Anstieg von anti-asiatischen Rassismus (wie hier seit Corona) sind sehr aktuell. Die beschriebene Gesellschaft steckt voller Angst, Misstrauen, Verrat und Kontrolle. Bücher werden entfernt, wenn sie angeblich unpatriotisch sind. Nachbarn zeigen Nachbarn an. Die bedrückende und bedrohliche Atmosphäre in einem tyrannischen Überwachungsstaat wurde gut dargestellt Aber es gibt auch Mut, Freundschaft, selbstlose Liebe und Menschen, die bereits sind für andere zu kämpfen.
PACT mag fiktiv sein, aber viele der geschilderten Maßnahmen wurden oder werden in verschiedenen Teilen der Welt (auch in den USA) angewendet, so dass ich beim Lesen teilweise bedrückt war. Hinzu kommt der starke Focus von dem Entziehen der Kinder, als Elternteil gehört dies tatsächlich zu den Dingen, die mir große Angst machen.
Seit seine Mutter vor drei Jahren plötzlich verschwand, hat das Leben des zwölfjährigen Birds an Farbe verloren: Immer wieder denkt er daran, wie sie ihm Geschichten und Fabeln von magischen Tieren und tapferen Helden erzählte, seine Welt verzauberte. Warum nur hat sie ihn verlassen, ist einfach gegangen, ohne ihm eine Nachricht zu hinterlassen? Nichts lässt darauf schließen, dass sie einmal bei ihnen gewohnt hätte, all ihre Bücher, ihre Kleidung sind weg, nur die Erinnerung an sie ist ihm geblieben. Nachdem sein Vater seinen alten Job als wissenschaftlicher Mitarbeiter verlor, mussten die beiden ihr Haus verlassen und in eine kleine Wohnung nahe der Universität Harvard ziehen, an der sein Vater nun im Archiv arbeitet. Sie leben zurückgezogen, denn seit der Krise, die das Land und seine Wirtschaft vor einem Jahrzehnt in die Knie zwang, und dem daraufhin verabschiedeten PACT-Abkommen leben sie in ständiger Angst. PACT, das bedeutet: Preserving American Culture and Traditions Act; sein Ziel: Schutz amerikanischer Ideale und Werte vor der Unterwanderung durch ausländische Einflüsse. Das heißt auch, dass Kinder von PAOs, People of Asian Origin, ihren Familien entrissen und zur Adoption freigegeben werden, um zu verhindern, dass sie dem subversiven, unpatriotischem Verhalten ihrer Eltern erliegen.
Als Bird eines Tages einen Brief voller Skizzen kleiner Katzen erhält, ist er sich sicher: Das ist ein Hinweis seiner Mutter, sie will, dass er sie sucht! Er begibt sich auf Spurensuche, geht in die Bibliothek, um nach der Geschichte mit den Katzen und dem Jungen zu suchen, die sie ihm immer erzählte - und nach ihrem Gedichtband "Our Missing Hearts". Dem Leitspruch der Demonstranten, die tagtäglich gegen PACT demonstrieren, Herzen auf die Straße, an die Bäume malen. Er ist sich sicher, dass seine Mutter in Verbindung mit all diesen Aktionen steht, dass sie ganz nahe ist - und mit ihrer Rückkehr ein besseres, sicheres Leben möglich wäre.
Ich wollte es so sehr lieben. Von ihren Worten ein ums andere Mal verzaubern lassen, wie sie es mit "Kleine Feuer überall" schon einmal schaffte. Mitfiebern, leiden, wie betäubt die letzte Seite umblättern. Doch mit ihrem neuen dystopisch anmutenden Roman "Unsere verschwundenen Herzen" (OT: Our Missing Hearts, übertragen von Brigitte Jakobeit) konnte Celeste Ng mich leider nicht abholen. Von Beginn an erzeugt sie eine bedrückende, düster wabernde Atmosphäre des Verlusts und der Angst, zeichnet das trostlose, monochrome Bild eines von der Krise gebeutelten Landes, das nur durch Demonstrationen gegen das PACT-Abkommen Farbe erhält, wieder und wieder rote Wunden, auf die Straße gemalte Herzen. Sie sollen aufmerksam machen auf all die Kinder, die ihren Familien, ihren Eltern asiatischer Herkunft, entrissen wurden. Die Welt, die sie beschreibt, wirkt so real, so echt, wie eine böse Vorahnung, ist die wirtschaftliche Situation gar nicht mal so abwegig - und, wie man es jeden Tag in den Nachrichten sieht, auch die Zunahme rassistischer Gewaltakte allgegenwärtig. Allerdings vermisste ich im Hinblick auf PACT und die Denunziation asiatisch-stämmiger Menschen eine reflektorische Komponente. Die Darstellung der politischen Situation und ihrer Hintergründe wirkte eher inkonsistent und willkürlich, eindimensional.
Und mittendrin: Bird. Aufgeweckt, neugierig, aber unglaublich traurig, vermisst er seine Mutter jeden Tag aufs Neue, will einfach nur verstehen, wieso sie ihn einfach verlassen, mit seinem Vater allein gelassen hat. Seine Suche zu verfolgen, war einerseits zermürbend, doch andererseits... Ich weiß es nicht, irgendetwas fehlte. Fehlte zwischen ihm und mir, denn ich tat mich schwer, eine Verbindung zu ihm aufzubauen, fehlte aber auch der Geschichte im Allgemeinen. Ab dem zweiten Teil verlor sie mich. Ich war zunehmend genervt von den Längen, den Charakteren, fand nur noch wenige Passagen, bei denen ich aufmerkte, dachte: Jetzt! Ach, das könnte doch noch was werden - aber nein. Es wirkte alles einfach nicht rund, zu konstruiert, zu distanziert. Falscher Zeitpunkt? Möglich. Aber, so sehr ich es mir wünschte, vermutlich würde es auch später nicht zum Funkenübersprung kommen. Schade!
Mein erstes Buch im Jahr 2023 sollte für mich eine Autorinnenpremiere werden. Fest steht, dass ich Celeste Ng definitiv im Auge behalten werde, auch wenn 'Unsre verschwundenen Herzen' kein Highlight geworden ist.
Die Autorin hält uns den Spiegel vor...
Celeste Ng's Dystopie schrammt verdammt nah an der Realität vorbei. Wir befinden uns in den USA der Zukunft, welche geschwächt von der Wirtschaftskrise seine Macht wieder zurück erlangen will. Dazu gehört auch, dass jegliches anti-amerikankische Gedankengut ausgelöscht werden soll. Vorallem Menschen mit asiatischer Herkunft und Abstammung werden diskriminiert, gibt man ihnen die Hauptschuld an der großen Krise. Ein Gesetz namens PACT ermöglicht es zum Beispiel, dass Kinder gewaltsam aus Familien gerissen werden, die "anders" denken oder gegen den Staat agieren, um sie im Anschluss umzudrehen. Der 12-jährige Bird wächst bei seinem Vater auf, nachdem seine Mutter ihn vor Jahren ganz plötzlich verlassen hat. Bird hat es nicht leicht, da auch er asiatische Vorfahren hat. Als Bird eine rätselhafte Botschaft von seiner Mutter erhält, beschließt er sich auf die Suche zu machen. Er möchte endlich Antworten und wissen, warum sie ihn alleine zurück gelassen hat. Seine Suche führt ihn von alten japanischen Märchen, verbotenen Büchern und Buchhandlungen zu den "verschwundenen Herzen" - eine Widerstandsbewegung, die irgendwie mit seiner Mutter zusammenhängt.
Mir hat Celeste Ng's Roman wirklich gut gefallen. Die Autorin schreibt sehr poetisch und weiß zu fesseln, wobei mich vorallem das erste und das letzte Drittel besonders mitreißen konnten. Besonders die Einflechtung des japanischen Märchens 'Der Junge der Katzen malte' und die Liebe zu Büchern und Gedichten haben mir sehr gut gefallen. Die Elemente begleiten durch die gesamte Geschichte. Gedichte als plakative Protestschreie und Bibliotheken als Orte des Widerstandes in einer Zeit der Bücherverbote. Ich liebe es wie die Macht der geschriebenen Wörter hier regelrecht aufblüht. Es geht aber auch um Familie, die Beziehung einer Mutter zu ihrem Sohn und einen Jungen, der seinen Weg erst noch finden muss.
'Unsre verschwundenen Herzen' ist vorallem auch sehr gesellschaftskritisch, in großen Teilen erschreckend, sehr emotional und aktuell. Ich habe Bird unglaublich gerne begleitet. Im zweiten Teil des Buches kommt eine weitere Perspektive dazu, welche ich sehr aufschlussreich und spannend fand. Das Ende hat mich wiederum sehr berührt und hallt auch definitiv noch länger nach.
Fazit
Mit 'Unsre verschwundenen Herzen' hat Celeste Ng einen sehr gesellschaftskritischen Roman geschrieben, den ich gerne gelesen habe. Es geht um Diskriminierung, Rassismus, Manipulation und die Einschränkung der Meinungsfreiheit. Im Zentrum steht ein 12-jähriger Junge, der sich auf die Suche nach seiner Mutter macht und auf seiner Reise von Gedichten und einem japanischen Märchen begleitet wird. Auf der einen Seite erschreckend, auf der anderen sehr berührend, regt der Roman sehr zum Nachdenken an und hallt definitiv nach.
Empfehlung, für all jene, die gerne besondere Dystopien mit Realitätsbezug lesen.
Inhalt:
Nach der einer großen Krise wird in Amerika „PACT“ eingeführt, ein Gesetz, das für Stabilität sorgen soll. Dies führt dazu, dass vor allem asiatisch-stämmige Menschen diskriminiert werden und dass Kinder ihren Eltern weggenommen werden, wenn diese „unpatriotisch“ sind.
Der zwölfjährige Bird lebt bei seinem Vater und hat seine Mutter seit drei Jahren nicht mehr gesehen. Als er einen Brief von ihr erhält, macht er sich auf die Suche nach ihr.
Meine Meinung:
Der Roman ist eine Dystopie, die hochaktuell ist und gar nicht so weit entfernt wirkt. Gekonnt zeigt Celeste Ng auf, wie sich aus der Krise langsam ein System der Tyrannei entwickelt – getragen von der Mehrheit der Bevölkerung – und wie es funktioniert und von der Angst der Menschen lebt. Wie eine Gruppe von Menschen den Sündenbock spielen muss. All das erscheint unglaublich realistisch und nahe, auch weil (wie in der Anmerkung der Autorin benannt) die Dystopie zahlreiche Bezüge zur „realen“ Welt hat.
In diesem Roman glänzt Celeste Ng erneut mit ihrer unglaublichen Sprachgewalt. Teils fast schon lyrisch, fängt sie die bedrückende Stimmung dieser Dystopie und die Verzweiflung der Menschen ein. Mit ihren Worten hat sie mich von der ersten Seite an in ihren Bann genommen.
Wie von der Autorin gewohnt, handelt es sich auch diesmal um ein Familiendrama, das insbesondere von der Beziehung zwischen Mutter und Sohn handelt, die sich so lange nicht gesehen haben. Gleichzeitig geht es in dem Buch aber auch um viel größere Themen wie Rassismus, Meinungsfreiheit, Zensur und Tyrannei. Dabei bleibt aber immer ein gewisser hoffnungsvoller Ton erhalten, der Glaube an das Gute im Menschen.
Die Charaktere fühlen sich real und „menschlich“ an. Bird, der langsam begreift, dass allein sein Aussehen ihn zum Feind vieler Amerikaner macht, wirkt sehr authentisch. Aber auch die Sorgen, Ängste und Zweifel seiner Mutter waren sehr gut nachvollziehbar. Ich konnte mich in beide hineinversetzen und mit ihnen mitfühlen.
Diese unglaublich ernste und wichtige Geschichte ist mit unter die Haut gegangen und wird mich noch eine ganze Weile begleiten. Für mich war „Unsre verschwundenen Herzen“ ein Jahreshighlight. Deshalb gibt es von mir auch eine ganz klare Leseempfehlung!
Der zwölfjährige Bird lebt mit seinem Vater in Harvard. Nur mit seinem Vater, denn seine Mutter hat die Familie schon vor vielen Jahren verlassen. Seine Mutter, die er vermisst. Seine Mutter, die nicht aus Eigennutz gegangen ist, sondern um ihr Kind zu schützen. Seine Mutter, von der Bird die asiatischen Gesichtszüge geerbt hat, die ihn jeden Tag aufs Neue in Gefahr bringen. Sie ist fort, ihre Gedichte indes sind immer noch allgegenwärtig, denn sie sind zum Schlachtruf des Widerstands geworden.
In Amerika herrscht das Gesetz von PACT, des Preserving American Culture and Traditions Act, das nach DER KRISE die amerikanische Kultur bewahren soll. Asiatisch aussehende Menschen werden diskriminiert, denn China ist der Feind, der Sündenbock für den Kollaps des Systems. Amerikanern asiatischer Abstammung, sowie Menschen, die als angebliche Sympathisant:innen auffallen, werden beim kleinsten Anlass die Kinder weggenommen und zur Adoption freigegeben – die titelgebenden verschwundenen Herzen.
Als Bird einen Brief seiner Mutter erhält, beginnt für ihn eine Odyssee, um ihren Spuren zu folgen. Die Märchen seiner Mutter führen ihn in die Bibliotheken, die insgeheim Horte des Widerstands sind.
Hintergrund: Kinder als Druckmittel
CELESTE NG erzählt ein dystopisches Märchen, das leider nur allzu fest verwurzelt ist in der Realität; Kinder wurden und werden aus politischen Gründen von ihren Eltern getrennt. Mal wird es als ultimatives Druckmittel eingesetzt, als Werkzeug der Kontrolle: ‘Unterwirf dich dem System, sonst verlierst du dein Kind.‘ Dann wieder geschieht es, um die Kinder aus rassistischer Ideologie und/oder ultranationalistischer Verblendung heraus umzuerziehen, sie in ein vermeintliches völkisches Ideal zu pressen. Der Rechtfertigungen sind viele, doch die Tragödie ist immer wieder dieselbe.
Exkurs 1
Da sind die Kinder, die zur Zeit der Präsidentschaft Donald Trumps an der Grenze von ihren Eltern getrennt und dann in Käfige gesteckt wurden, um illegale Einwanderer davon abzuhalten, Asyl zu beantragen. Eine Unmenschlichkeit sondergleichen.
Da sind die ‘Gestohlenen Generationen’: zehntausende Kinder indigener Eltern (manche Quellen gehen sogar von hunderttausenden aus), die im 20. Jahrhundert in Australien ihren Eltern entrissen wurden, um sie als potentielle Arbeitskräfte in die weiße Gesellschaft zu assimilieren. Heranzucht einer vermeintlich niederen, aber nützlichen Klasse?
Es gibt allzu viele weitere Beispiele, in allzu vielen Ländern. Nordkorea. Die DDR. Japan. SO viele, ZU viele verschwundene Herzen, eine menschenverachtende Grausamkeit die durch den dünnen Firnis der Zivilisation blutet.
Hintergrund: Antiasiatische Gewalt
Die Instrumentalisierung von Kindern als Mittel politischer Kontrolle ist nur ein Teil des faktischen Fundaments der Geschichte. Antiasiatische Gewalt ist eine weitere Ebene, und auch die ist leider nicht a>us der Luft gegriffen; in den USA, wo der Roman spielt, hat antiasiatischer Rassismus eine lange Tradition.
Exkurs 2
Im Jahr 1871 gab es in Los Angeles Massenlynchmorde; hunderte von weißen Menschen stürmten als wütender Mob das chinesische Viertel der Stadt und richteten ein Gemetzel an. Im Zweiten Weltkrieg wurden 120.000 Japaner und japanischstämmige Amerikaner in Internierungslager gesperrt.
Seit dem ersten bekannten Ausbruch des Coronavirus sind antiasiatische Hassverbrechen in den USA um 361 Prozent gestiegen – “China virus”, “China plague”, die Rhetorik Donald Trumps hält sich bis zum heutigen Tag.
Von der Dystopie zum Märchen
In der Tradition der klassischen Dystopien ist »Unsre verschwundenen Herzen« nur eine Haaresbreite von unserer Realität entfernt – die Geschehnisse sind tief verwurzelt in der kollektiven Vergangenheit der Menschheit und gleichzeitig eine erschreckend plausible Zukunftsvision. Celeste Ng verleiht dem eine beklemmende Allgemeingültigkeit: Dies kann überall und jederzeit geschehen.
Für einen Großteil des Buches sehen wir die Ereignisse aus der kindlichen Sicht von Bird, der aufgewachsen ist mit den Märchen, die seine Mutter ihm erzählte. Unbewusst und unterschwellig setzt er die Dinge, die ihm geschehen oder die er beobachtet, daher auch in den Rahmen eines klassischen Märchens, einer kindlichen Heldenreise, und das ermöglicht ihm Hoffnung in scheinbar hoffnungslosen Zeiten: Denn am Schluss gewinnt doch immer das Gute, oder nicht?
Celeste Ng findet leise, oft geradezu poetische Worte für das Unerträgliche. Immer wieder verwendet sie atmosphärisch dichte Bilder und sprechende Namen, um den Eindruck eines dystopischen Märchens noch zu verstärken, und das hatte für mich einen enormen emotionalen Widerhall, ohne billige Sentimentalität. Fein dosiert lässt sie die ein oder andere Szene jäh herausbrechen aus der dichterischen Distanz, in schonungsloser Nahaufnahme, und das Gesamtbild ist in meinen Augen ein sehr überzeugendes.
Kritikpunkte
Das Märchenhafte tut dem realistischen Fundament der Geschichte meist keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil: Es sind gerade die realistischen Passagen, die manchmal abrutschen ins nicht mehr hundertprozentig Plausible.
Ein Beispiel: In der beschriebenen Gesellschaft wird alles kontrolliert, jeder noch so kleinste Verstoß direkt geahndet. Dennoch kann man Protestaktionen anscheinend problemlos mit dem Smartphone filmen, ohne dass herbeigeeilte Ordnungshüter:innen die Geräte direkt einkassieren oder die Besitzer:innen einsperren. Dadurch wird die Glaubhaftigkeit meines Erachtens überstrapaziert, denn in vielen anderen Szenen wird deutlich, dass schon ein falsches Wort ausreicht, um in den Mahlstrom des Systems zu geraten.
Aber das sind meines Erachtens seltene Misstöne, die sich noch verschmerzen lassen. Ja, es wird manches offen gelassen. Nein, es ist nicht immer alles überzeugend. Aber das fügt sich ein in die Erlebnisse eines Kindes, für das die Welt der Erwachsenen ohnehin fundamental unverständlich ist. Die kindliche Perspektive gereicht dem Buch hier zum Vorteil. Dennoch mache ich dafür leichte Abstriche in meiner Bewertung.
Charaktere
Jeder Charakter zeigt die Problematik aus einer anderen Perspektive.
Bird ist noch sehr kindlich und begreift erst im Verlauf des Buches, dass schon die Form seiner Augen ihn in Gefahr bringt. Für einen Großteil des Romans ist er der Perspektivcharakter und wird daher auch am differenziertesten gezeichnet. Kindercharaktere misslingen nur allzu leicht, doch Celeste Ng gelingt es, seine kindlichen Gedanken authentisch und glaubhaft wiederzugeben. Auch Birds Freundin Sadie, die selber eines der Kinder ist, die ihren Familie entrissen wurden, und daher im Zentrum der Ereignisse steht, ist großartig geschrieben. Zornig und entschlossen macht sie sich schon lange vor Bird auf die Suche nach ihren Eltern, doch die beiden werden sich im Verlauf der Handlung noch wiedersehen – ganz märchenhaft im Haus einer Herzogin.
Birds Vater ist das Sinnbild eines Elternteils, das alles tun würde, um das eigene Kind zu schützen. Er unterwirft sich einem ungerechten System, damit Bird ihm nicht weggenommen wird, hält auch den Jungen zur bedingungslosen Anpassung an. Trag deine Mütze tief in die Augen gezogen, schau den Menschen auf der Straße nicht ins Gesicht, benutze ausschließlich diese Straßen und komm nach der Schule direkt nachhause, schreibe in deinen Schulaufsatz, wie toll du PACT findest und wie sehr es die Gesellschaft schützt.
An Birds Mutter Margaret wiederum zeigt die Autorin, wie einfach es ist, wegzuschauen, solange es einen nicht selbst betrifft, und wie schnell sich das ändern kann. Ich möchte hier noch nicht zu viel verraten, aber Margaret gerät ins Visier von PACT, ohne auch nur mit dem Widerstand zu sympathisieren. Doch sie weiß, dass ihr das niemand glauben wird. Dass es sie dass nicht schützen wird. Dass es Bird nicht schützen wird. Sie kann die Augen nicht mehr vor dem Unrecht verschließen, und so entscheidet sie sich dafür, abzutauchen, und macht danach ein enormes inneres Wachstum durch.
Fazit
Nach einer vernichtenden nationalen Krise trat in Amerika PACT in Kraft, der Preserving American Culture and Traditions Act – im Grunde wenig mehr als gesetzlich festgeschriebene Weiterreichung der Verantwortung und Schuld an einen Sündenbock: China. Die Diskriminierung von Amerikaner:innen mit asiatischen Wurzeln wird als Ventril für die Frustration der Bevölkerung nicht nur gebilligt, sondern sogar angeheizt. Kinder werden ihren asiatischen oder ‘problematischen’ Eltern weggenommen, umbenannt und in ausgewählte Familien weitergereicht – dies sind die ‘verschwundenen Herzen’.
Celeste Ng verwebt Themen mit realen Grundlagen zu einer Dystopie mit märchenhaftem Flair und findet dafür eine Sprache, die gut zu Bird, dem kindlichen Protagonisten, und seinem Versuch, aus einer angsteinflößenden Realität Sinn zu machen, passt. Das einzige Manko ist in meinen Augen, dass nicht alle Dinge sauber durchkonstruiert erscheinen, was ich durch das Märchenhafte aber noch für verzeihlich halte.
Wäre dieses Buch nicht von Celeste Ng hätte mich der Klappentext nicht besonders angesprochen. Aber das ist auch bei ihren anderen Romanen der Fall. Die habe ich nur durch Zufall entdeckt und lieben gelernt. Deshalb habe ich diesmal auch gar nicht so sehr auf den Klappentext geachtet und ich fand ihn ja auch nicht gänzlich uninteressant.
ALLER ANFANG IST …
… verwirrend. Ehrlich, ihr könnt euch nicht vorstellen, wie verwirrt ich anfangs war. Weil ich nicht verstanden habe, in welcher Realität dieses Buch spielt. In unserer? In einer, die an unsere angelehnt ist? In einer vollkommen veränderten? In der Vergangenheit? In der Zukunft? In der Gegenwart?
Ich war wahnsinnig verwirrt. Denn es geht in diesem Buch um PACT, ein in Amerika erlassenes Gesetz, das das amerikanische Gedankengut schützen soll und quasi für Patriotismus pur steht - auf eine ungesunde, gefährliche Weise. Und ganz besonders gefährlich für Amerika ist China und in Amerika lebende Chinesen.
Im Vorwort erwähnt die Autorin, dass ihr die Inspiration zu diesem Buch (wenn man das so nennen kann) aufgrund der aktuellen Situation in Amerika gekommen ist. Durch das Corona-Virus und vor allem auch Trumps Umgang damit und alternativen Namen dafür ist die Feindlichkeit gegenüber Chinesen und/oder asiatisch aussehenden Menschen enorm angestiegen. Und genau darum geht es in diesem Buch.
Aber wie gesagt, ich habe anfangs nicht verstanden, in welcher Realität wir uns finden. Ich konnte das Gelesene nicht so richtig in Fiktion und Non-Fiction einordnen.
DIE AUFLÖSUNG
Am Anfang begegnen wir Bird. Seine Mutter ist chinesischer Abstammung, sein Vater ist Amerikaner. Auch Bird erlebt diese Feindlichkeit, aber beim Lesen wirkte es auf mich so, als würde er sie nicht so richtig wahrnehmen. Als würde es hauptsächlich anderen passieren, weil sein Vater ihn immer beschützt und davor abschirmt. Ihm eintrichtert, wegzusehen und sich immer an die Regeln zu halten, nicht aufzufallen.
Das, was Bird vorrangig zu belasten scheint, ist, dass seine Mutter vor Jahren einfach verschwunden ist. Als Kind konnte er es sich nicht erklären und auch jetzt ist er noch ein Kind ohne Mutter. Bis er eine Zeichnung per Brief von ihr bekommt und sich aufmacht, um das Rätsel zu lösen und sie zu finden.
Und hier erfahren wir auch endlich, wie es zu PACT gekommen ist. Aufgrund einer schweren Wirtschaftskrise, die Amerika beinahe zerstört hätte und wahnsinnig viele Erkrankungen, Plünderungen, gewaltvolle Demonstatrionen zur Folge hatte, suchte man einen Feind. Ein Grund, weshalb es Amerika so schlecht erging. Und den fand man in China.
PACT wurde erlassen, um die Bürger der USA dazu zu bringen, ihr Land an erster Stelle zu sehen. Sich stets patriotisch zu verhalten. Es ist die Grundlage dafür, Asiaten auszugrenzen und ihnen teilweise Gewalt anzutun (passiert auch in diesem Buch. Deshalb Triggerwarnung für Gewalt - auch an Frauen), Literatur, die nicht die amerikanische Kultur repräsentiert, verschwinden zu lassen, und so vieles mehr. Und wer auch immer sich gegen PACT ausspricht, muss mit den Folgen leben: Denn PACT bietet zudem die gesetzliche Möglichkeit USA-»feindlichen« Familien ihre Kinder zu entreißen, damit diese nicht weiter mit den »falschen« Werten aufwachsen.
DAS NACHWORT DER AUTORIN
Mit dem Nachwort der Autorin wird eines klar: Zwar ist die Realität in »Unsere verschwundenen Herzen« erfunden, doch hat sie ganz klar einen wahren Kern. Denn Asiatenfeindlichkeit war schon immer ein Problem, ist es seit dem Corona-Virus noch mehr. Aber auch das Entzweireißen von Familien ist nichts neues. Das kommt schon lange vor, Ng hat es nur mit dem Namen PACT versehen.
FAZIT
»Unsere verschwundenen Herzen« hatte definitiv etwas augenöffnendes an sich. Dass Rassismus gegen Asiat*innen in Amerika ein Thema ist, war mir klar. Aber hier in diesem Buch wird das nochmal auf eine andere Art verdeutlicht. Dennoch hab ich von dem Buch mehr erwartet. Das, was ich an Celeste Ngs Romanen so liebe, kam hier nämlich zu kurz: die geniale Darstellung komplizierter, verzwickter Beziehungen zwischen unterschiedlichen Menschen. Daher ist »Unsere verschwundenen Herzen« nicht mein liebster Roman der Autorin. Zeigt aber durchaus auf, weshalb Gegenwartsliteratur so wichtig ist.
Das Erstlingswerk „Was ich euch nicht erzählte“ der amerikanischen Autorin Celeste Ng habe ich geliebt, den zweiten Roman „Kleine Feuer überall“ fand ich nur okay. Und den neuesten Roman? Um ganz ehrlich zu sein: Ich mochte dieses Buch nicht. So. Jetzt ist es raus. „Unsre verschwundenen Herzen“ hat mich nicht gekriegt, in keinster Weise.
Die Thematiken, über die Celeste Ng erzählt, sind überaus interessant und spannend, hier wurden meiner Meinung nach aber nicht alle Punkte gleichermaßen erzählt. Es geht um anti-asiatischen Rassismus, um von der US-amerikanischen Regierung geklaute Kinder, die zur Adoption freigegeben werden, allen voran geht es aber um eine Mutter-Kind-Beziehung.
Ging es anfangs noch um den Rassismus, der für mich am interessantesten war, so wurde das Thema zur Mitte und zum Ende hin stark abgeflaut und am Ende ging es eigentlich nur noch um die Beziehung zwischen der Mutter Margaret Miu und ihren Sohn Bird. Ziemlich langweilig für mich - es ist einfach nicht mein Thema. Ich hätte mir gerne mehr Einblicke in das dystopische und rassistische Amerika gewünscht, da ich hier eine brandaktuelle Thematik erkenne, die mir in „Unsre verschwundenen Herzen“ zu schnell abgehandelt wurde.
Bird, unser junger Protagonist, ist ein wachsamer und aufgeweckter Junge. Er macht eine tolle Entwicklung im Laufe der Geschichte durch. Und dennoch konnte ich weder zu ihm noch zu den anderen Figuren eine Beziehung aufbauen. Sie waren mir alle zu blass, nicht greifbar genug. Schlichtweg: zu austauschbar.
Auch die Umgebung, die Celeste Ng erschaffen hat - also ein rassistisches Amerika - war mir einfach zu blass. Auch wenn im Laufe der Geschichte weitere und wichtige Informationen auftauchen, war mir das einfach zu wenig, als dass ich vollkommen in die Geschichte eintauchen konnte.
Celeste Ng schafft es mit ihrem erzählerischen Können eine bedrückende, sehr beklemmende Atmosphäre zu schaffen. Das hat aber leider auch nicht geholfen, mich auf 400 Seiten bei Laune zu halten. Schade.
Unsre verschwundenen Herzen
Celeste Ng,
aus dem amerikanischen Englisch von Brigitte Jakobeit
In ihrem Vorwort schreibt Celeste Ng, dass sie eigentlich einen Roman über eine Mutter mit ihrem heranwachsenden Sohn schreiben wollte, doch aktuelle Auseinandersetzungen veränderten ihre Geschichte.
Worum geht es?
Bird war 9 Jahre alt, als er vor 3 Jahren von seiner Mutter Margaret, einer amerikanisch-chinesischen Lyrikerin, verlassen wurde. Seitdem reden sein Vater und er nicht mehr über sie. Sie ist eine persona non grata. Leute sagen, sie sei eine Aufwieglerin, eine, die Demonstranten angeführt hat. Sie ist eine PAOs - Person of Origin - und die Asiaten sind schliesslich an allem Schuld, sagt die PACT.
Damals in Amerika, bevor Bird geboren wurde, gab es goldene Jahre, aber dann kam es zur Krise. Immer öfter konnten Menschen die hohen Mietpreise nicht zahlen. Zwangsräumungen waren an der Tagesordnung. Die Vermieter setzten diese, zusammen mit ihren Möbel, auf die Strasse. Ganze Wohnblöcke waren verlassen. Krankenhausrechnungen konnten nicht mehr bezahlt werden. Die Menschen plünderten. Läden und Fabriken schlossen. Die Strassen waren für keinen mehr sicher. Dann kamen die Pandemien hinzu.
Erst PACT - Preserving American Culture and Traditions Act - stellten wieder Ordnung her. Allerdings mit einem schlimmen Unterdrückungsinstrument: das Herausnehmen von Kindern aus vermeintlich subversiven Familien. PACT versprachen amerikanische Werte zu schützen, doch mit ihnen zogen Misstrauen, Bespitzelung und Rassismus im Land ein.
Eines Tages findet Bird eine mysteriöse Zeichnung im Briefkasten, die seine Mutter angefertigt hat. Zusätzlich sieht er immer öfter den Schriftzug „All our missing hearts“ an Mauern gesprüht, ein Gedicht, das seine Mutter einst verfasst hat. Bird beschliesst die Wahrheit über seine Mutter herauszufinden.
Wow, dieses Buch regt zum Nachdenken an. Ng hat hier eine Dystopie geschrieben, aber so viele Elemente sind aus der Realität. Hat die USA nicht vor kurzem China bezichtigt, Schuld an einem Virus zu haben? Und der Iran wirft heuer der USA Protestunterstützung vor. Und was ist mit unseren hohen Strom- und Gaspreisen? Wo soll das hinführen?
Ng hat hier ein brisantes Buch geschrieben. Ein Buch was trotz kleineren Längen bei mir nachwirken wird.