Interessante Vermischung von Zeitgeschichte und Utopischen Lebensformen, leider teilweise sehr zäh
Ein emigrierter Deutscher kehrt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Auftrag der US Army nach Deutschland zurück. Er ist u.a. für die Aufarbeitung und Aufklärung der Arbeit des Eugenikers Alfred Ploetz zuständig. Dazu befragt er Antiquitar, ehemaliger Weggefährte von Ploetz.
Dieser taucht dabei tief in die Geschichte und Ursprünge der Eugenik ein und spannt einen Bogen zu Modellversuchen utopischen Kommunen in den USA.
Zwischen den Interviews lernen wir den deutschamerikanischen Offizier Hansen besser kennen und sein Zurechtfinden zurück auf deutschem Boden.
Die geschichtlichen Aspekte sowie Hansens Erlebnisse sind durchaus Interviews leider ziehen sich gerade die Interviews sehr in die Länge, so dass ich öfter mit meinen Gedanken beim Lesen abschweifte und dann teilweise wieder raus aus dem Erzählstrang war.
Es bleiben einige interessante Aspekte und symphatische Protagonisten, aber ansonsten vermutlich nicht die richtige Lektüre für mich.
Deutschland kurz nach dem Ende des 2. Weltkriegs in Europa. Der in Deutschland geborene amerikanische Militärangehörige Michael Hansen erhält den Auftrag, den Dissidenten Wagner zu befragen, der in der Vergangenheit mit dem Rassenhygieniker Alfred Ploetz befreundet war und viel über dessen Leben und Wirken weitergeben kann. Die Besatzungsmacht will mehr über den Mann erfahren, der den Begriff der „Rassenhygiene“ geprägt und die Eugenik-Strategie der Nazis stark beeinflusst hat.
Timm hat den Protagonisten seines neuesten Romans klug gewählt: Ein Amerikaner, ein Offizier, der einen Teil seiner Kindheit noch in Deutschland verbracht, der amerikanisch eingestellt ist, aber in beiden Welten zu Hause ist. Ich sagte „Protagonist seines Romans“, das stimmt nicht ganz, denn er ist lediglich der Protagonist der Rahmenhandlung. Nachdem wir Michael Hansen noch in Amerika kennengelernt und von seiner Affäre mit einer bereits verlobten Frau erfahren haben, setzt die Binnenerzählung ein, als Hansen Wagner kennenlernt und dieser beginnt, von seiner Freundschaft mit Alfred Ploetz zu erzählen. Von nun an wechselt Timm zwischen Binnen- und Rahmenhandlung hin und her.
Insbesondere erfahren wir von Wagner, dass Ploetz wie er selbst zunächst aus dem sozialistischen Milieu kam und insbesondere einer utopische Gesellschaftsform nach Étienne Cabet anhing. Die Befürworter einer solchen Gesellschaft nannten sich „Ikarier“ und strebten die Gleichheit aller nach einem kommunistischen Modell an. In Amerika wurde versucht, dieses Modell in einer kleinen Kolonie umzusetzen, und Ploetz und Wagner reisen nach „Ikarien“, um an der dortigen Gemeinschaft teilzuhaben. Bald müssen sie jedoch feststellen, dass diese weit davon entfernt ist, dem Idealbild zu entsprechen. Im Fall von Ploetz bedeutet dies vor allem, dass die Menschen nicht seiner Vorstellung eines schönen und klugen Ideals entsprachen. Und so kommen wir zur Rassenhygiene – Ploetz war überzeugt, der Mensch, heißt die überlegene nordische Rasse, müsse durch gezielte Zucht optimiert werden.
Ein gefundenes Fressen für die Nationalsozialisten, die sich Ploetz‘ Vorstellung einer überlegenen Menschenrasse der Arier zueigen machten und im Namen der Eugenik unzählige Menschen mit unerwünschten Eigenschaften, körperlichen oder geistigen Erkrankungen und letztendlich Millionen Juden ermordeten. Wir erfahren, wie ein zunächst dem Volk der Juden gegenüber positiv eingestellter Wissenschaftler sich im Namen einer Ideologie instrumentalisieren lassen konnte und wie gefährlich die Fehlinterpretation einer wissenschaftlichen Theorie, in diesem Fall der Evolutionstheorie, sein kann.
Versinnbildlicht wird Ploetz‘ fehlgeleitetes Lebenswerk durch das Scheitern seines größten Projekts, des Nachweises, dass der Genuss von Alkohol zu minderwertigem Nachwuchs führt. So begleiten wir Ploetz bis an sein Lebensende.
Mit „Ikarien“ hat Uwe Timm sich eines Themas angenommen, dass im ganzen Genre der Weltkriegsliteratur bisher nicht allzu oft besprochen wurde. Eine in jedem Fall lohnende und gut lesbare Lektüre.
Sehr langatmig. Ich habe nicht verstanden, was der Autor damit erreichen wollte, dass bei den Interviews die Fragen häufig fehlten (..unverständlich.. - und dann wieder eine ewig lange Antwort).