Hamsun Roman wirkt tatsächlich immer noch modern. Zum Teil sicher wegen der Neuübersetzung von Ulrich Sonnenberg, aber Form und Stoff sind auch einfach modern. Ich kann nachvollziehen, wie radikal das Buch bei seinem Erscheinen 1890 gewesen sein muss, so ohne viel äußere Handlung, ohne Richtung, ohne Moral und wild in der Erzählzeit herumspringend, und ich kann den Einfluss auf die Literatur sehen.
Besonders angenehm zu lesen fand ich es aber nicht, obwohl es cool war, viele Stellen in Oslo zu erkennen. Aber man möchte die Hauptfigur schütteln, wenn man nicht fürchten müsste, ihr in ihrem hungergeschwächten Zustand dadurch den Rest zu geben. Denn eigentlich herrscht keine Hungersnot in Oslo, als Leser sieht man Möglichkeiten, wie der Protagonist zu Brot und Hilfe kommen könnte. Aber er ist stolz, auch im Wahnsinn meistens eher wollte er verhungern, als seine Prinzipien zu verraten. Würdig ist das, und große Kunst, aber keine leichte Kost.
Schockierend und erbarmungslos beschreibt Knut Hamsun die Tücken der „brotlosen Kunst“
„Hunger“ von Knut Hamsun erzählt den Werdegang eines jungen Schriftstellers in Kristiana (heute Oslo).
In der Ich-Perspektive begleiten wir den Namenlosen durch Hungersnöte, Kälte und kurzweilige Erfolgserlebnisse. Doch seine Lage verschlimmert sich immer mehr und durch die Hungersnot verliert der Schriftsteller sich immer mehr in Wahnvorstellungen.
Literaturnobelpreisträger Hamsun schrieb das Buch in eigener Erinnerung seiner Zeit in Kristiana, wo er selbst arbeitslos war und Hunger litt. Mit seiner radikalen Art zu schreiben erweckte Hamsun schnell Interesse und inspirierte andere Schriftsteller, wie Hemingway, Mann oder Kafka, mit seinem Stil.
Knut Hamsuns Ruhm wird beschattet durch sein aktives Mitwirken im Nationalsozialismus.
Dies wirft eine klassische Frage auf, die ich mir oft nicht zufriedenstellend beantworten kann: Kann man Kunst und Künstler getrennt von einander betrachten?
Problematischer Autor und ein Buch ohne Triggerwarnung…
Anfangs bin ich ganz ok in das Buch reingekommen, mit der Zeit dann aber ganz gut und selbst die langen Kapitel bzw. Abschnitte haben mir nichts mehr ausgemacht (obwohl ich lange Kapitel eigentlich hasse). Die Erzählungen über das Gefühl und Thema Hunger haben mich so in den Bann gezogen und ich konnte selbst vieles nachempfinden (Thema Essstörung) und habe mich in einigen Zitaten selbst wiedergefunden.
Allerdings kamen mir ein paar Dinge bereits am Anfang komisch vor und mit der Zeit bekam alles einen komischen Beigeschmack:
Spoiler ❗️❗️❗️
Bei dem anfänglichen Belästigen bleibt es nicht und es kommt zur Szene einer Fast-Vergewaltigung, die ich einfach nur abartig fand zu lesen. Keine TW hat mich am Anfang oder sonst wo darauf vorbereitet.
Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass sobald eine Frau erscheint, sexuelle Bezüge zu ihnen beschrieben werden. „Sein Gehirn war ganz *ausgebeult*; sein Körper war voller *Lust*; platzend vor *Begierde*; *Erregung* in der Brust - und so weiter. Hat mir nicht gefallen.
Natürlich stellt sich die Große Frage: passiert das tatsächlich alles wirklich oder ist er nur verrückt und es geschieht in seinem Kopf?
Im Endeffekt ist mir die Frage jedoch egal, da sie weder die schlechte Geschichte noch den problematischen Autoren rechtfertigt.