
Eindrücklich und berauschend
"Wenn etwas auftaucht, das schon als vergessen galt, kann das ganz schön lästig sein für einige - für andere hingegen ist das vielleicht sogar ein Glücksfall; so oder so: es wirft Fragen auf und das sollten wir nutzen." "Die Schrecken der Anderen" von Martina Clavadetscher ist ein Roman, der sich nicht so richtig in eine Schublade stecken lässt. Er ist zeitgenössisch und birgt kriminalistische Elemente in sich. "Aber vergessen sind die Toten, löscht aus, was an mir Frau und Tochter noch ist, und füllt es auf mit Grausamkeit." (Shakespeare) Das Ödwilertal. Ein Junge sucht auf dem zugefrorenen Ödwilersee nach Methangasblasen um diese anzuzünden, doch was er findet ist eine Leiche. Arnold Schibig, ein einsamer und unter Angststörungen leidender Archivar, wird aus Mangel an Personal hingeschickt, um die Behauptung des Jungen zu überprüfen. Dabei wird er von Rosa, der Alten, die in dem gelben Wohnwagen am See wohnt, beobachtet. Natürlich geht sie ihm nach und knüpft den ersten Kontakt. Rosa hat ein großes Interesse an diesem Fall, denn ihr ist scheinbar als einziger Person klar, dass alles mit allem zusammenhängt - Zufälle gibt es nicht! Und dann ist da noch Kern. Ein schwerreicher Erbe mit Augenproblemen, der unter seiner zwar bettlägrigen, jedoch nach wie vor tyrannischen Mutter leidet. Auch die Familie Kern, steckt irgendwie in allem drin. "... so ist er sich plötzlich nicht mehr sicher, ob diese Geschichte nicht genauso gut auch der Alten widerfahren sein könnte - oder noch umfassender, ob diese Geschichte am Ende nicht jedermanns, jederfraus, jederkinds Geschichte sein könnte. In jedem Land. Und zu jeder Zeit. Weil niemand jemals etwas aus den Schrecken der anderen lernt." Clavadetschers Roman ist sehr klug konzipiert und sie erzählt diese Geschichte auf eine sehr eindrückliche Art und Weise. Eine Art und Weise, die uns auch die Aktualität dieser Geschichte vor Augen hält. Sie ist bedrückend, beängstigend und berauschend. Wir tauchen mit jeder Seite tiefer in den Sumpf der Vergangenheit ein, die ihre Klauen in die Zukunft streckt und diese mit ihrem dreckigen Morrast besudelt. Besonders gefallen haben mir auch die wirren Parts, die Wort an Wort, ohne Punkt und Komma aneinanderreihen und dadurch besonders eindrücklich wirken. Für mich war "Die Schrecken der Anderen" zwar kein Highlight, aber trotzdem ist es ein wirklich großartiger Roman, der mich sehr gefesselt hat und den ich gern gelesen habe. "Schibig liest Namen um Namen, die eingemeißelten Menschen und ihre Daten: Anfang und Ende, Geburt und Tod, dazwischen ein Bindestrich, der das Leben ausmacht."