
'Memory Wall' von Anthony Doerr ist ein eher kurzes Buch mit spannender Prämisse. Die Geschichte spielt in einem alternativen Kapstadt, das es so nicht gibt – mit einer Technik, die Erinnerungen auf Kassetten speichern kann. Im Mittelpunkt steht Alma, eine alte, reiche Frau, die ihr Gedächtnis verliert, während andere versuchen, aus ihren gespeicherten Erinnerungen schlau zu werden. Das perfekte Buch bei Leseflaute.
„Memory Wall“ ist ein besonderes Buch mit einer ebenso besonderen Prämisse. Es spielt in einer alternativen Version Kapstadts, in der es möglich ist, Erinnerungen zu extrahieren und auf Kassetten zu speichern. Diese Technologie steht allerdings nur den Reichen zur Verfügung – jenen, die es sich leisten können, ihre Vergangenheit dauerhaft zu bewahren. Im Zentrum steht Alma, eine alte Frau, die an Demenz leidet und allein in einem großen Haus lebt. Ihr verstorbener Mann war ein leidenschaftlicher Hobbyarchäologe. Kurz vor seinem Tod hat er ein Fossil entdeckt, das Millionen wert sein soll. Nur er und Alma wussten, wo es vergraben liegt – Alma könnte also der Schlüssel zum Fundort sein. Doch die Frage ist: Erinnern sie sich überhaupt noch? Was mich besonders angesprochen hat, ist die unaufgeregte Art, in der diese Geschichte erzählt wird. Vieles läuft über Erinnerungsfragmente ab, die wie kleine Filmszenen erscheinen. Man lernt Alma kennen – aber nicht direkt, sondern durch das, was von ihr geblieben ist. Neben ihr begegnen wir Luko, einem Weisenjungen, der gemeinsam mit dem Kleinkriminellen Roger nachts Almas Erinnerungen durchforstet – auf der Suche nach Hinweisen. Und da ist Pheko, der langjährige Bedienstete der Familie, dessen Leben kaum gegensätzlicher zu Almas privilegierter Existenz sein könnte. All das wird nicht groß inszeniert, sondern eher beiläufig erzählt – und gerade darin liegt die Stärke des Romans. Immer wieder stellt sich die Frage, was Erinnerungen eigentlich sind – und warum wir so viel daran setzen, sie zu bewahren. Gleichzeitig stehen sie im Kontrast zu den uralten Fossilien: Dinge, die Millionen Jahre überdauern, während unser Gedächtnis bereits nach wenigen Jahrzehnten zu bröckeln beginnt. Die Sprache ist zurückgenommen, fast schlicht, aber nie leer. Beim Lesen hatte ich das Gefühl, dass sehr genau abgewogen wurde, was erzählt wird – und was nicht. So entsteht ein leiser Sog, der einen dranbleiben lässt, obwohl vordergründig gar nicht viel passiert. Fazit: Ein kurzer Roman, der ohne große Gesten auskommt. Stattdessen stellt er auf ganz eigene Weise die Frage, wie sehr wir uns an unser Leben klammern – und was davon wirklich bleibt. Keine Science-Fiction-Show, sondern ein stiller, eindringlicher Blick auf das Erinnern, das Vergessen – und darauf, wie sehr wir Menschen uns manchmal selbst überschätzen.