Nasrins Schwester stirbt, die Umstände scheinen der Polizei klar zu sein: ein Unfall. Doch Nasrin glaubt nicht daran. Während sie verzweifelt versucht herauszufinden, was mit ihrer Schwester passiert ist, versucht sie eine Verbindung mit ihrer Nichte aufzubauen, die unmöglich erscheint.
Yaghoobifarah schreibt klar und schnörkellos über die Schwierigkeiten von Immigrant:innen in Deutschland. Eingebettet in einen fast schon Kriminalfall-anmutenden Handlungsstrang, werden viele Probleme der Gesellschaft bewusst.
Ich hab das Buch gerne gelesen. Es war spannend und hat mich gepackt. Ein einigen Stellen hinkte es mir jedoch ein wenig an Tempo.
📚 Inhalt
Überraschend stirbt Nushin und hinterlässt ihre Tochter Parvin und ihre Schwester Nasrin. Die Polizei geht von einem tragischen Unfall aus, aber Parvin glaubt nicht daran und vermutet, dass ihre Mutter Opfer eines Anschlags geworden ist. Nasrin, selbst jung und queer, muss plötzlich Verantwortung für ihre 15-jährige Nichte übernehmen und mit ihrer eigenen Trauer und der ihrer Nichte klar kommen.
📖 Meinung
Dieses Buch habe ich eine Weile überall gesehen, aber erst jetzt gelesen. Unter dem Titel konnte ich mir nicht so recht etwas vorstellen und ich denke auch jetzt, dass man «Träume» gut mit «Hoffnungslosigkeit» oder «Hilflosigkeit» hätte ersetzen können.
Nasrin und Parvin sind beide sehr starke Individuen, die beide ihren Platz in der Gesellschaft noch nicht recht gefunden haben. Bei Parvin liegt es am Alter, bei Nasrin an der Zerrissenheit zwischen Herkunft und dem Land, in dem sie lebt. Getoppt wird das Gefühlschaos der beiden Frauen durch den Tod der Mutter und Schwester, bei dem nicht ganz klar ist, ob es sich um einen Unfall oder Mord handelte.
Durch verschiedene Rückblenden lernt man die Schwestern und ihre Beziehung zueinander vertieft kennen. Aber auch Parvins Beziehungen zu Mutter und Tante werden immer wieder dargelegt und erläutert. Trotzdem fehlt es den Figuren manchmal etwas an Tiefe und ich hätte mir mehr gewünscht. Ihre Handlungen wirken teilweise vorhersehbar oder gar etwas unlogisch. Auch das Buch nimmt manchmal Wendungen, die ich etwas überzogen finde. Aber wie soll ich mich in die Situation einer Migrantin hineinversetzen können und wissen, welche Hürden ihr Leben mit sich bringt? Daher kann ich nicht beurteilen, wie echt die beschrieben Situationen sein können.
Mit dem Schreibstil hatte ich an einigen Stellen etwas Mühe, da die Autorin zwischen fast lyrischen Passagen und derber Strassensprache hin und her wechselt. Ich verstehe, dass sie das als Stilmittel eingesetzt hat, aber die Unterschiede waren für meinen Geschmack manchmal fast etwas zu heftig und gerade die derbe Sprache gefällt mir in Büchern nicht so sehr. Ich kann mir aber vorstellen, dass dies gerade bei jüngeren Menschen grossen Anklang finden kann.
Die Geschichte endet mit einem grossen Knall, den ich hier nicht vorweg nehmen möchte. Das Ende hat mich wirklich überrascht und ich habe nicht damit gerechnet. Alles in allem war es ein durchwachsenes Leseerlebnis für mich, dass ich aber doch nicht missen möchte. Aber ob ich das Buch uneingeschränkt empfehlen würde, würde ich heute nicht sagen.
Beginnt stark und lässt dann etwas verwirrt zurück
Ich fand den Einstieg und die ersten zwei Drittel wirklich toll. Aber von der traurigen Familiengeschichte mit Hauptthemen wie Verlust, Ankommen in einer neuen Gesellschaft und Queerness entwickelt sich die Handlung in Richtung Krimi/Thriller, viele Themen bzw Handlungsstränge werden angerissen, aber nicht auserzählt und ich war über das plötzliche Ende überrascht. Irgendwie wirkte es so, als hätte die verfassende Person zum Schluss keinen Bock mehr zum Weiterschreiben und irgendwas hingeschrieben. Es hätte eine glatte 5* Bewertung werden können. Sehr schade und viel verschenktes Potential.
HIN und HER gerissen!
Der Anfang war sehr vielversprechend, das letzte Drittel jedoch wurde immer schwächer und teilweise absurd.
Insgesamt hat mich das "Ministerium der Träume" nicht so sehr gepackt wie ich gehofft hatte.
Nichtsdestotrotz war es für mich eine gute Leseerfahrung.
TW: Rassismus, Vergewaltigung, Drogenkonsum, Tod/Trauer
4,5 Sterne!
Was für ein beeindruckendes Debut! Obwohl das Buch von der Thematik her ziemlich bedrückend war, hat Yaghoobifarah es geschafft, mit einem zeitgemäßen und lockeren Schreibstil ein tolles Leseerlebnis zu erschaffen. Nas war eine tolle Protagonistin und ihre Sicht als lesbische Mittvierzigerin, die in den 80ern mit ihrer Familie aus dem Iran nach Deutschland kam, war unglaublich interessant.
Der Klappentext ist sehr interessant und ich habe einen vielversprechenden und kreativen Roman erwartet. Jedoch bediente sich die Autorin an unendlich vielen Klischees, die Geschichte war teils sehr vorhersehbar und insgesamt rief das Buch Langeweile in mir hervor, insbesondere wenn der Fokus unzählige Male auf Zigaretten und Joints gerichtet wurde (ja, verstanden, die Leute rauchen...). Das Potential wurde meines Erachtens nicht annähernd ausgeschöpft. Die Themen, die in diesem Buch behandelt werden, sind zwar wichtig und aktuell, aber es wurde ohne Tiefgang und teils in vulgärer Sprache und/oder Jugendsprache niedergeschrieben. Die Autorin hat es zudem nicht geschafft, die Themen/Probleme sinnvoll zu verknüpfen.
Nur aufgrund einer Challenge habe ich das Buch nicht abgebrochen. Zugegebenermaßen wäre dieses eins der wenigen Bücher geworden, die ich jemals abgebrochen habe. Der Schreibstil ist öde und die Charaktere sind flach, voller negativer Energie und weisen einen Hang zum Jammern auf. Die Protagonistin ist überhaupt nicht emphatisch, dafür aber egoistisch, nachtragend und sie lässt ihren Frust an ihrer 14-jährigen Nichte, die gerade ihre Mutter verloren hat, aus. Dennoch erwartet sie von ihrer Nichte sachliches und erwachsenes Verhalten. Sie selbst reflektiert sich jedoch keineswegs und verhält sich stellenweise äußerst verantwortungslos und unreif.
Außerdem gab es, sagen wir mal -Aktionen-, die so lächerlich wie unnötig waren.
Eine Geschichte über schwesterlichen Verlust, dysfunktionale Familienstrukturen, bockige Teenager — und Liebe. Definitiv eine Achterbahn der Gefühle und eine spannende Geschichte, absolut umgehauen hat mich das Werk allerdings nicht.
Das Buch ist der Zugang zu einer Welt ohne Zugehörigkeiten.
Ministerium der Träume ist ein Roman, der von den Brüchen und Bindungen einer Familie erzählt, die durch Migration und Trauma geprägt ist. Die Protagonistin, Nasrin, steht nach dem Tod ihrer Schwester Nushin vor einem Rätsel. War es ein Unfall oder Selbstmord?
Während Nasrin versucht, die Vergangenheit ihrer Schwester zu rekonstruieren, wird sie mit eigenen Traumata konfrontiert. Der Roman wirft einen intensiven Blick auf Themen wie:
* Migration und Integration: Die Familie stammt aus dem Iran und hat in Deutschland eine neue Heimat gesucht.
* Trauma und Verlust: Der Tod der Schwester, aber auch andere traumatische Erlebnisse prägen die Charaktere.
* Feminismus und Rassismus: Die Protagonistinnen sind starke Frauen, die sich in einer oft feindlichen Gesellschaft behaupten müssen.
Fand das Buch richtig gut. Den Schreibstil fand ich super - macht alles nahbarer.
Geschichte hat mich von Seite 1 an gepackt.
Einige Themen waren jetzt nicht ganz so meins (wie zb die Entführung) aber mochte das Buch sonst sehr gern.
Ich mochte das Buch anfangs wirklich sehr. Zum Schluss hin wurde die Handlung abgefahren, nicht im guten Sinn, und das Ende war enttäuschend. Trotzdem 4 Sterne, weil sprachlich top und thematisch vielfältig.
Mega gut, eins von diesen Büchern, bei denen man nach 2 Sätzen schon so in der Geschichte drin ist, dass man gar nicht mehr aufhören kann zu lesen und gar nicht so schnell lesen kann, wie man wissen will, wie es weitergeht und schnell unten ans Kapitel schielen muss, um zu checken, auf was man sich einstellen muss. Die Hauptemotion beim Lesen war WUT (aber das soll so und ist gut), ausserdem jeden restlichen Funken Kinderwunsch erfolgreich gekillt und endlich mal ein Buch, in dem Umgangs-/ Jugendsprache nicht komplett cringe klingt. Ausserdem mochte ich, dass Nas sehr menschlich wirkte, also nicht übertrieben perfekt oder konstruierte Romanfigur, sondern sie hat halt ihre guten und schlechten Eigenschaften und ist natürlich vonihren eigenen Traumata beeinflusst.
Der Stern abzug ist, weil ich diese Entführungsaktion echt nicht vertretbar finde, ich verstehe die Emotionen und Motivationen dahinter und auch wenn Parvin es gecheckt hat - absolut nicht okay, v.a. auch die Schläge. Und ich fand das Ende kam zu apprupt, irgendwie ein merkwürdiger Zeitpunkt für das Ende. Und was das jetzt genau für Daten gewesen sein sollen bzw woher Gerhard die hatte etc war auch nicht songanz klar. Trotzdem absolute Empfehlung!
Ein wirklich sehr lebensnahes Buch, das jede*r einmal gelesen haben sollte. An manchen Stellen zieht es sich ein bisschen, aber am Ende kommen alle kleinen Geschichten zusammen und es wird sogar nochmal richtig spannend. Nur zu empfehlen!!
Das Buch hat mir gut gefallen, Charaktere wirken sehr realistisch und ehrlich. Alle haben ihre eigenen Probleme und ihre eigene kleine Welt. Die Geschichte zeigt ganz gut, dass man jemanden nie zu 100% kennt, egal wie nah man sich steht. Zum Ende hin wurde es jedoch etwas überzeichnet und der offene sehr abbrupte Schluss hat mich irgendwie in der Luft hängen lassen.
Ein manchmal poetisch, manchmal schnoddrig geschriebener Roman über das Leben in Deutschland als aus Iran geflüchtete.
Als Nasrins Schwester Nushin bei einem Autounfall ums Leben kommt, ist für Nasrin schnell klar, das war Selbstmord. Zusammen mit der traumatisierten Nasrin schauen wir in Rückblenden auf das Leben der zwei im Iran geborenen Schwestern – vollgepackt mit Fluchterfahrung, Armut, fehlendem Zugehörigkeitsgefühl, erstarkendem Nationalismus in Deutschland und inneren Konflikten wie einer toxischen Mutter und langer Unterdrückung der eigenen Queerness, ist Ministerium ein Buch, das sich leicht liest, aber unglaublich stark nachhallt. Die Figuren sind chaotisch, Yaghoobifarah nutzt Slang, ein paar persische Begriffe und wird zwischendrin vulgär. Nasrin entgleitet die Kontrolle über sich, ihre Nichte Parvin, deren Vormund sie qua Testament ihrer Schwester geworden ist, und über die gesamte Situation, was in einem Finale mündet, das einen mit mehr Fragen als Antworten zurücklässt.
Yaghoobifarah schafft es, die 90er Jahre in Deutschland zu kontextualisieren, das davor und danach zu beleuchten und alles in einen großen, kontinuierlichen Zusammenhang zu bringen. Hengameh Yaghoobifarah zeichnet ein (aus meiner nicht betroffenen Perspektive) sehr drastisches, aber auch authentisches Bild von dem, was es bedeutet, in Deutschland seit den 1980er Jahren zu leben und zu überleben.
Was für ein mitreißendes Buch! Es geht richtig unter die Haut, ist spannend und wahnsinnig toll geschrieben. Die Autorin hat ein ganz besonderes Sprachgefühl, wodurch mich ihre Worte umso mehr erreicht haben. Wer das Buch noch nicht gelesen hat, sollte das unbedingt nachholen.
Nasrin erleidet einen schweren Schicksalsschlag, als sie erfährt, dass ihre Schwester Nushin bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Diese hinterlässt nicht nur ihre vierzehnjährige Tochter, sondern auch viele Fragezeichen rund um ihren Tod.
Nach und nach steigt Nasrin immer weiter in die Abgründe rund um das Leben und Sterben ihrer Schwester und muss sich dabei auch mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinandersetzen.
Das Rätsel um Nushin zieht sich dabei konsequent durch die Geschichte und wird am Ende recht eindeutig aufgelöst. Auch wenn Nas, wie Nasrin von ihren FreundInnen genannt wird, nicht immer rational und wohl überlegt handelt, Fehler macht und sich manchmal in Gedankenstrudeln verliert, war sie doch eine sympathische Protagonistin, deren Schmerz durch die Sprache der Autorin spürbar gemacht wurde. Auch die ambivalente Beziehung zu Nushins Tochter, um die sich Nas nun kümmern muss, das angespannte Verhältnis zur eigenen entfremdeten Mutter und die innige Vertrautheit mit ihrem ArbeitskollegInnen und FreundInnen wurde sehr authentisch aber auch zielführend dargestellt.
Besonders in der ersten Hälfte habe ich richtig mit Nas mitgefiebert, mitgelitten und war genau wie sie wütend auf die Welt und verzweifelt über die Umstände, die Nas das Weitermachen erschweren.
Der tolle, fast schon intime Fokus auf die Figuren ist allerdings im zweiten Teil der Geschichte verloren gegangen. Um die Aufdeckung von Nushins Geheimnis voranzubringen, wurde es immer plotgetriebener, was den Figuren allerdings nicht gut tat. Nasrins Handlungen konnte ich immer weniger nachvollziehen. Wie sie Nushins Tochter schließlich in die Lösung des Falls reinzog, fand ich dann tatsächlich nur noch absurd und auch unnötig. Ähnliches trifft auch auf die Auflösung des Rätsels um Nushins Tod zu.
Obwohl sich die Geschichte daher am Anfang als Highlight ankündigte, konnte die inhaltliche Qualität für mich nicht aufrechterhalten werden. Trotzdem werde ich die Autorin weiter verfolgen und Neues von ihr gern lesen.
Ich habe bis heute noch keine richtige Meinung zu diesem Buch. Meine Erwartungen waren groß, aber was in diesem Werk passiert, habe ich nicht kommen sehen. Fängt der Roman noch einigermaßen unaufgeregt an, bekommt man im Verlauf leichte Krimi-Vibes × eine lustige bis abgedrehte Story. Die Geschichte mochte ich, aber ich hatte oft das Gefühl, dass hier zu viel gewollt wurde. Viele Themen wurden angeschnitten, viele Fässer aufgemacht und doch häufig nur oberflächlich abgehandelt.
Auf der anderen Seite mochte ich die Charaktere sehr und fand auch den Schreibstil nach Startschwierigkeiten richtig gut, man konnte leicht in die Geschichte eintauchen.
Das Ende hat mich dann allerdings sehr unzufrieden zurückgelassen - aber manchmal soll das wohl so sein.
(Großes Plus auch für die kleinen Lyrics-Ausschnitte und Musikanspielungen, Ohrwürmer vorprogrammiert.)
Ich bin sehr gespannt, was man von Hengameh noch lesen wird! Hab Bock, auch wenn dieses Buch eventuell nicht so gut zu mir gepasst hat.
Bedrückend und mitreißend. Einfach famos geschrieben!
Ich bin wirklich keine schnelle Leserin, aber das Buch ging runter wie Butter. Ich hatte ständig Lust weiterzulesen und wollte unbedingt wissen, wie es ausgeht. Auf dem Weg dahin wurde ich mitgerissen in die zutiefst emotionale Welt von Nasrin, der Protagonistin. Ihre inneren Kämpfe und Traumata haben mich oft mit einem Kloß im Hals zurück gelassen oder mir sogar die Tränen in die Augen schießen lassen.
Der leichte, jugendliche und teils vulgäre Schreibstil war mehr als passend, um die harten Themen aufzugreifen und nahbar zu machen.
Lediglich eine Stelle hat für mich nicht so richtig in die Geschichte gepasst, deshalb ein halber Stern Abzug. Ich würde Yaghoobifarahs Roman trotzdem sofort weiterempfehlen!
Ein Roman über das Leben und die familiären, politischen und individuellen Verstrickungen im Leben einer migrantisch-markierten Person.
In Hengameh Yaghoobifarahs erstem Roman geht es unter anderem um den Umgang mit traumatischen Erlebnissen. Es geht darum wie man diese in seinem Alltag erlebt und trotzdem weiter Alltag leben muss. Das Buch entwickelt sich stellenweise sehr spannend und aufwühlend, was ihm fast Krimi Vibes gibt. Die Schreibweise ist super einfach mit Jugendsprache, deutlichen Emotionen und Dialogen die die gesamte Geschichte so nahbar machen.
4,5/5, die Erzählweise und die zwischenzeitlichen Traumsequenzen haben mich total in den Bann gezogen. Das Ende war mir aber irgendwie zu abrupt, ich war total invested in die Story und auf einmal war es zu Ende. Aber wichtige Themen werden behandelt, deswegen ist es auch ein wichtiges Buch
Nasrin musste in ihrem Leben schon viel mitmachen. Die Flucht aus Teheran, der Neuanfang in einem völlig fremden Land, den Tod des Vaters, das Aufwachsen mit einer emotional unerreichbaren Mutter. Nach dem plötzlichen Tod ihrer Schwester, sieht sie sich nicht nur mit vielen Vorwürfen und noch mehr Fragen konfrontiert, sondern wird auch Vormund ihrer Nichte, was der freiheitsliebenden Nas einiges abverlangt.
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Hengameh Yaghoobifarah versteht es ihre Leser*innen zu fesseln. Ich war von Anfang an drin in der Geschichte und es wurde zu keinem Zeitpunkt langweilig. Vor allem in der ersten Hälfte des Buches ist eine unglaubliche Wut in dem Geschriebenen spür- und fühlbar. Wut auf Nushin (die Schwester), Wut auf sich selbst, Wut auf die Mutter und noch eine Reihe mehr. Diese Emotion flacht im Laufe des Buches etwas ab, verschwindet aber nie so ganz. Man könnte es fast als eine wütende Grundeinstellung zum Leben sehen.
Der Fokus liegt auf der Aufklärung des Todes Nushins, was die Haupthandlung ausmacht. Vor allem die Frage, ob es sich um einen Unfall, Suizid oder gar Mord handelt, steht im Vordergrund.
Für mich viel interessanter waren aber die Nebenschauplätze. Das Aufwachsen der beiden Mädchen und ihre Erfahrungen mit Rassismus werden eindrücklich beschrieben. Auch die schwierige Mutter-Kind-Beziehung wird thematisiert und in Teilen analysiert. Wir erhalten Einblick in die queere Community Berlins, in der Nasrin eine „neue“ Familie gefunden hat und nicht zuletzt erleben wir mit, wie schwer es ist von jetzt auf gleich Verantwortung für einen anderen Menschen, hier sogar im Teenageralter, zu übernehmen und den Spagat zu meistern zwischen cooler Tante und Sorgeberechtigter.
Ab und zu bekommt man in Textpassagen Einblick in die Traumwelt von Nasrin. Alpträume plagen sie, welche sich mit dem Verlust des Vaters, der Schwester usw. beschäftigen. Ich persönlich hätte diese Einschübe nicht gebraucht, da sie wenig handlungsrelevant sind.
Was mir persönlich auch nicht so zugesagt hat, war die Sprache des Geschriebenen. Zu viele Anglizismen störten meinen Lesefluss und auch sonst fand ich den Stil etwas zu gewollt jugendhaft für eine Erzählerin um die 40. Dies ist aber sicher Geschmacksache.
Ebenso fehlte mir ein bisschen die Verarbeitung oder überhaupt das Vorhandensein von Trauer, wie man es im Kontext eines solchen Buches eventuell erwarten würde.
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Thematisch ein gutes Buch, welches mit ein paar Schwächen daher kommt.
Das beste an dem Buch war als es vorbei war.
Ein Stern extra für das clevere Ende, das einen schönen Bogen zum Anfang spannt. Der Part dazwischen war leider langweilig, es wurde meist nur geraucht und ansonsten in Jugendsprache kommuniziert.
Das war nix
Sooo ein gutes Buch! Ich liebe besonders die lässige Sprache, in der die Protagonist*innen miteinander sprechen, das alle menschbezeichnenden Worte gegendert werden und die Charakter-quirks der Erzählerin. Es hat kurz gebraucht bis die Geschichte Fahrt aufgenommen hat, und dann ging es super zügig und spannend durch. Mochte die Einschübe, in denen sie gedanklich in einer parallelen Traumwelt ist, sehr, bin mir aber nicht sicher wie viel Metaebene darin ist, oder obs einfach so ein nice-to-have ist, das dem Buch bisschen mehr Facetten gibt. Gleichzeitig immer wieder erschreckend (vor allem für mich als komplette Karoffel vom Dorf), mit was für einer schonungslosen Normalität und Selbstverständlichkeit von rassistischen Encounters erzählt wird - und wie die Erzählungen im Buch 1:1 Erlebnissen von meinen Freund*innen gleichen...
Ich liebe Hangamehs Ausdrucksweise. Liebeliebeliebe. Im Prinzip habe ich gar nichts an diesem Buch auszusetzen - außer dem Ende. Darüber denke ich jetzt schon seit Wochen nach und vielleicht ist das ja genau der Punkt? Das Ende kommt so abrupt und löst nichts. Also im Prinzip ist das wie die deutsche Polizei, wenn sie rassistische Verbrechen aufklären soll: am Ende gibt's leider keine Auflösung, und die Betroffenen bleiben maximal unzufrieden zurück.. Vielleicht bin ich aber auch einfach zu doof um's zu verstehen.
TW: Rassismus, Vergewaltigung, Drogenkonsum, Tod/Trauer
4,5 Sterne!
Was für ein beeindruckendes Debut! Obwohl das Buch von der Thematik her ziemlich bedrückend war, hat Yaghoobifarah es geschafft, mit einem zeitgemäßen und lockeren Schreibstil ein tolles Leseerlebnis zu erschaffen. Nas war eine tolle Protagonistin und ihre Sicht als lesbische Mittvierzigerin, die in den 80ern mit ihrer Familie aus dem Iran nach Deutschland kam, war unglaublich interessant.
Nasrin führt ein Leben abseits der Norm: sie arbeitet als Türsteherin in einer queeren Bar, hält sich nicht an Strukturen oder gesellschaftliche Erwartungen. Als ihre Schwester Nushin überraschend stirbt, scheint Nas daher die unwahrscheinlichste Kandidatin dafür zu sein, die Vormundschaft für ihre pubertierende Nichte Parvin zu übernehmen – aber sie entschließt sich, es zu wagen._
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Doch sie will nicht akzeptieren, dass Nushins Tod wirklich nur ein Autounfall war. Nas glaubt an einen Selbstmord, denn Gründe gäbe es genug – und stößt noch dazu auf Dinge, die ihr die Schwester vorenthalten hat._
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Hengameh Yaghoobifarah erzählt ungemein packend und schonungslos. Die Worte hämmern manchmal geradezu auf dich ein, das musst du aushalten oder aufhören. Gegen das intensive Kopfkino konnte und wollte ich mich nicht wehren – auch wenn es wehtat, ich scharf die Luft einsog, in Wut oder Liebe oder Angst schier ertrank. Selbst auf der letzten Seite ließ mich die Sogwirkung der Geschichte noch lange nicht los._
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Nas ist eine Heldin, die keine Gefangenen macht; ihre Worte sind ehrlich, friss oder stirb. Sie ist queer und entschuldigt sich nicht dafür. Sie ist Migrantin und entschuldigt sich nicht dafür. Und warum, verdammt noch mal, sollte sie das auch?_
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Es ist immer spürbar, dass Hengameh Yaghoobifarah aus eigener Erfahrung spricht. Als nichtbinäre Person gehört Yaghoobifarah zur LGBTQ+-Community, wie Protagonstin Nas, und hat ebenfalls familiäre Wurzeln im Iran. Beide haben Ausgrenzung der übelsten Art (über)erlebt, wegen ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Sexualität._
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Hier werden Gewaltstrukturen aller Art aufgebrochen, die Matrix der alltäglichen Diskriminierung glasklar aufgezeigt. Yaghoobifarah stellt dich vor die Wahl: wer sich darauf einlässt, dem zeigt der Roman, wie tief das Kaninchenloch reicht._
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Da musst du dir auch gefallen lassen, dass Nas wenig Loyalität gegenüber der Mehrheitsgesellschaft verspürt, die sie verstoßen hat, und das Feuer auf ihre Art und Weise erwidert. “Wir leben doch in derselben Welt!” lässt sich nicht einfordern, solange es nicht für alle gilt. Der linke migrantische Widerstand ist eine Antwort auf rechte antimigrantische Gewalt._
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Immer wieder geht es um das Konzept Familie. Da ist zum einen die komplexe Beziehung von Nas und Nushin, mit all ihren Stolpersteinen und Geheimnissen: tief empfundene Liebe, aber auch viel Ungesagtes, Unverarbeitetes. Manchmal schwingt sogar leiser Hass mit in dieser Symphonie der Schwesternschaft, und doch sind sie sich gegenseitig Heimat._
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Nas’ Wahrnehmung der Welt und ihrer selbst ist bis auf die Knochen geprägt von familiärem Trauma – der Flucht aus dem Iran, dem Verlust des Vaters, der gefühlskalten und zugleich übergriffigen Mutter –, aber auch von schon als Jugendlicher erlebter Gewalt von außen. Diese spiegelt sich im Hier und Jetzt – da ist es nur folgerichtig, dass der Roman die dunkelsten Ecken der deutschen Gegenwart nicht ausspart._
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Rassistische Gewalt. Rechtsterrorismus. Hoyerswerda ist überall._
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Dann wiederum geht es um die Wahlfamilie, die dich tiefergehend akzeptiert als die Geburtsfamilie das will oder kann. Aber auch hier beschönigt Yaghoobifarah nicht die Probleme, die sich daraus ergeben können. Die Abschirmung nach außen. Die Filterblase. Die Erwartung, dass du dich in einer bestimmten Art und Weise verhältst. Nas ist queer – aber ist sie queer genug?_
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Yaghoobifarahs Worte sind gnadenlos schön. Poetisch, dreist, brutal, poppig oder frech – sie sind immer so messerscharf ehrlich und zugleich berührend, dass du dich freiwillig daran schneidest. Bissiger queerer Slang verbindet sich mit dem Einfluss des persischen Erbes; das ist nicht nur lustvolle Provokation, sondern eine ganz andere Sprache, die sich wehrt gegen das Normative._
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Daher wird hier auch gegendert und damit bewiesen, dass eine gendergerechte Sprache gut lesbar sein kann._
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Einige Szenen beginnen mit einem vage beunruhigenden Unterton, der sich der Deutung noch entzieht. Dann driften sie mehr und mehr ab in Traumlogik, ins Surreale, in luzides Niemandsland… Schließlich realisierst du, dass du die wache Welt schon verlassen und das Ministerium der Träume betreten hat. Und doch spricht nie weniger aus diesen Szenen als Wahrheit._
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Wo beginnt und endet die Realität? Was war real, was hätte nur real sein können? Letztendlich muss di:er Leser:in damit leben, dass vieles offen bleibt._
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Fazit_
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Türsteherin Nasrin wird nach dem Tod ihrer Schwester Nushin unverhofft zum Vormund ihrer pubertierenden Nichte Parvin. Angeblich war Nushins Tod ein Autounfall, aber Nas glaubt an einen Suizid und macht sich daher daran, mögliche Gründe zu rekonstruieren._
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Hengameh Yaghoobifarah erzählt das in einer Sprache, die in kompromissloser Wucht und roher Schönheit aufhorchen lässt. Das ist Kopfkino vom Allerfeinsten, das eine ungeheure Sogwirkung entwickelt – und das ist echte ownvoices Gegenwartsliteratur: hier schreibt eine nonbinäre migrantische Person über eine lesbische migrantische Protagonistin._
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Wer sich darauf einlässt, entdeckt eine Parallelgesellschaft, die die breite Mehrheit sich selber durch normative Ausgrenzung verschiedenster Art erschaffen hat. Yaghoobifarah prangert eine Vielzahl von Ismen an: Rassismus, Klassismus, Sexismus, Kapitalismus… Aber es geht auch immer wieder um Familie, die Heimat sein kann oder eine durch gemeinsames Trauma verbundene Zweckgemeinschaft._
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Letztendlich ist es eine Geschichte von unverbrüchlicher Liebe zwischen Schwestern, trotz allem._
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Diese Rezension erschien zunächst auf meinem Buchblog:
https://wordpress.mikkaliest.de/rezension-hengameh-yaghoobifarah-ministerium-der-traeume/
Ich kann nicht anders als schwärmen von Hengameh Yaghoobifarahs bildhafter Sprache, die mich direkt mitgenommen hat. Mitgenommen in das Gefühlsleben von Nas, die mit so einigem zu kämpfen hat, und das ist nicht nur der plötzliche Tod der Schwester Nushin. Sätze wie "Ich drücke meinen Finger in die Löcher, in denen die Erinnerungen wie verkrustete Wunden liegen, und manchmal tut es nicht mehr weh" machen das Buch so lebendig, dass ich das Gefühl hatte, gemeinsam mit Nas in den Abgrund zu schauen. Und der Abgrund ist tief, er bietet ein ganzes Spektrum an Verletzungen, Missbrauch, Tod, sowie immer wiederkehrenden Rassismuserfahrungen.
Doch es ist nicht alles Abgrund im "Ministerium der Träume", in der "Traumafabrik". Es hat durchaus auch lustige Züge, die oft aus Kommunikationsproblemen zwischen Nas und ihrer Nichte im Teenageralter, Parvin, hervorgehen. Auch hier wieder ein Satz, der das hervorragend zur Schau trägt: "Siri, wie sieht linksradikale Pädagogik jenseits der Deutschness aus?".
Einzig und allein das Ende hat mich rausgerissen, da es für mich so plötzlich kam. Nachdem ich die letzte Seite gelesen habe, habe ich zuerst gegoogelt, ob es eine Fortsetzung zu "Ministerium der Träume" geben soll (hab nichts gefunden). Nach einer Nacht drüber schlafen, kann ich dem Ende nun doch etwas abgewinnen, obwohl es einige Fragen offen lässt. Ich hoffe sehr, dass wir noch sehr viel mehr von Hengameh Yaghoobifarah zu lesen bekommen.
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