3. Sept. 2024
Bewertung:5

"Ein saustarkes Buch, das definitiv KEIN Lieblingsbuch wird", schrieb die Vergangenheits-Carina. Heute, nach mehreren Monaten Abstand, gehört das Buch zu den besten Büchern, die ich dieses Jahr las. Radiohead mit Creep in Dauerschleife anhören und Ihr habt den melancholischen, vereinsamten Mood "... i don't belong here..", den dieses Buch trägt. 2 Außenseiter:innen der Gesellschaft- Japan- Deutschland Der Eine hat sich seit 20 Jahren in seinem Zimmer eingegraben und verlässt es so gut wie nie, die andere geht einem Beruf nach, mit vor die Tür gehen, pflegt ansonsten keine sozialen Kontakte, bzw. nur notdürftig um nicht aufzufallen. Für Beide findet das Leben primär virtuell statt- das Darknet spielt eine Rolle, Videogames, Webseiten mit brutalem, ekelhaftem Inhalt. Die Kapitel sind sehr kurz, abwechselnd aus der Sicht von Fanni und Junya geschrieben. Nach und nach wird ihre Kindheit und Jugend entblättert. Wir erfahren Hintergründe: Mobbing in der Schule, gefühlskalte Eltern... Wir begleiten die Beiden bei ihren Entscheidungen und Fehltritten im Jetzt- diese Fehltritte sind krass, verstörend. Eine Fanny, die vom "Meat Prison" spricht und sich am liebsten in Bits und Bytes auflösen würde, die mit sämtlichen Dingen die sie sieht und erlebt, negative, morbide Assoziationen verbindet- abgestumpft, traumatisiert durch Gewaltvideos. Ein Junya der damit kämpft ohne Panik auf die Straße gehen zu können, um Anerkennung lechzt und eine interessante Begegnung macht. Verpackt ist dies in eine sehr moderne Sprache mit sehr vielen Anglizismen. In Fanny's Fall primär aus der Gamingszene und IT-Welt. Es blieb nicht aus, den Schreibstil mit dem von Joshua Groß aus Flexen in Miami zu vergleichen. Philipp Winkler hat deutlich den Vogel abgeschossen. Das Buch ist düster, ernst und nüchtern. Ironie und Humor nicht vorhanden. Alles was geschieht und in Rückblenden erzählt wird, geschieht nur informativ- keine Wertung, keine Moralisierung. Philipp Winkler schafft es, dass ich trotz dem üblen Shit den die Beiden anstellen empathisch bin und bleibe - selbst hin und her gerissen und auf die Frage : "Bist Du ein Geist?", keine Antwort habe.

Creep
Creepvon Philipp WinklerAufbau
26. Aug. 2024
Bewertung:3

Die Geschichte fand ich interessant und hat mir gut gefallen. Den Schreibstil fand ich schon schwieriger. Man muss schon sehr Technik / Computeraffin sein, um ihn auch nur ansatzweise folgen zu können, gerade bei Fannys Perspektive hat mich die Geschichte oft verloren. Außerdem, wer "gendern" für das Beste hält seit geschnitten Brot, wird auch in diesem Bereich seine Freude an dem Buch haben. Der Sprecher hat das aber super gemacht. obwohl man doch gemerkt hat, dass er beim "gendern" doch ab und zu den Rhythmus verloren hat.

Creep
Creepvon Philipp WinklerAufbau
23. Jan. 2024
Bewertung:3

Davor und danach schaut sie durch Videotürklingeln und Indoor- und Outdoor-Cams und setzt sich in ihrem Bürostuhl um, wenn ihr der Hintern oder die Oberschenkel einschlafen. Sie ist live dabei, wenn der DabbaWala-Kurier das ersehnte griechische Essen für den Abend mit Freund_innen bringt. Leistet einer Frau in Kassel Gesellschaft, die nach Hause kommt und sofort – ihren Arztkittel noch an – einen werbespotwürdigen ersten Schluck nimmt. Sieht mit an, wie sich ein älterer Mann in Schneverdingen mit einem Berner Sennenhund auf die Couch quetscht und sie sich ein Eis am Stiel teilen. Wie ein Ehepaar in Pforzheim mit angespannten Hälsen über die Hausaufgaben ihres Sohnes streitet. Sieht ein anderer in Markkleeberg, das seine Sexschaukel aus dem Kleiderschrank holt und in die Deckenhaken im Schlafzimmer einklinkt. Sie beobachtet einen Mann in Oberhausen, der minutenlang bei ausgeschaltetem Motor in seinem Auto sitzen bleibt – die Stirn auf dem Lenkrad –, bevor er ins Haus geht.

Creep
Creepvon Philipp WinklerAufbau