12. Apr. 2025

Dies war mein erster Maupassant-Roman, und er beeindruckte mich als brillant erzählte Geschichte darüber, wie ein Journalist, der zum Parvenü wurde und aus einfachen Verhältnissen stammte, im Frankreich der Dritten Republik mit schäbigen Mitteln Status, Reichtum und Macht erlangte. In einem witzigen und knackigen Stil fließt die Geschichte flüssig dahin, während der Protagonist von einer einer Frau zur nächsten springt und jedes Mal mehr weltliche Vorteile wie Karriereaufstieg, soziale Anerkennung, Reichtum und Status sammelt. Seine einzige Waffe bei der Eroberung sind seine Jugend und sein hübsches Gesicht, daher sein Spitzname "Bel Ami", sowie ein Herz aus Stahl. Maupassant skizziert virtuos jeden seiner kalten, kalkulierten sozialen Aufstiegsversuche mit schmunzelnder Ironie, wobei er seinen eigenen höhnischen Spott über die bürgerlich-kapitalistische Unmoral und journalistische Farce der Pariser Gesellschaft kaum verbergen kann. Nachdem ich die ersten Kapitel gelesen hatte, dachte ich, dass der Protagonist Ähnlichkeit mit Eugene de Rastignac in Balzacs "Vater Goriot" und Julien Sorel in Stendhals "Rot und Schwarz" hat. Am Ende musste ich jedoch feststellen, dass Georges Duroy der herzloseste, räuberischste und heuchlerischste Bösewicht von allen dreien ist. Da es sich bei diesem Roman um ein realistisches Werk des 19. Jahrhunderts handelt, behandelt er Themen, die ebenso aktuell wie historisch sind. Er regt zum Nachdenken an über den Zusammenhang zwischen dem ungezügelten Kapitalismus von heute und der Skrupellosigkeit der Gesellschaft.

Bel-Ami
Bel-Amivon Guy de MaupassantPenguin
10. Aug. 2024
Bewertung:1.5

Die Zeiten waren früher nicht besser

Das Buch ist mir so oft begegnet (schwule Männer ahnen vielleicht, warum 😇), dass ich es doch einmal lesen wollte, wohl wissend, dass es keine queere Geschichte ist. Es ist leider gruselig: Ein junger Mann mit nichts außer Charme und Attraktivität arbeitet sich von einem schlecht bezahlten Angestellten-Job in der Gesellschaft nach oben. Wir sind Ende des 19. Jahrhunderts in Paris, die Demokratie jung und unerfahren, es herrscht das Patriarchat. Der Protagonist, Georges Duroy, von einem Mädchen, das einzige, das seine Natur später erkennt und mit ihm bricht, „Bel-Ami“ genannt, missbraucht Frauen für seinen Spaß und seinen Aufstieg - eine von ihnen kommt sogar immer wieder zurück, obwohl er sie sogar schlägt. Dieses Verhalten ist derart ätzend zu lesen, weil er so narzisstisch ist, so abwertend und alle missachtet - er hätte das vermutlich auch anders, nämlich mit ihnen (bzw. einer, die er geheiratet hat),schaffen können. Im Glück ist er nämlich nie angekommen, immer nur in der Sehnsucht nach mehr und dem Beneiden anderer. Ich habe das Buch zu Ende gelesen in der kleinen Hoffnung, dass er doch noch eine „aufs Maul“ von den Frauen bekommt, aber da war, wie das Nachwort über den Autor sagt, der Autor wohl zu sehr bei sich. Lob habe ich nur für die Erzählweise aus leichter Perspektive des Hauptakteurs übrig, ohne dass es als „ich“-Form geschrieben ist. Das funktioniert sehr gut für mich und ist mir einen halben Stern wert.

Bel-Ami
Bel-Amivon Guy de MaupassantPenguin