Berührende Geschichte über zwei Schwestern, die beide unter den heteronormativen Zwängen der Gesellschaft leiden und in eine Geschlechterrolle gezwängt werden, die ihnen zunehmende Probleme bereitet.
Anita und Aloe sind zwei Schwestern, die in den 90er Jahren in einer deutschen Kleinstadt aufwachsen. In ihrer Beziehung zueinander spielen Neid, Wut und Schmerz eine sehr große Rolle. Was die beiden in ihrer Kindheit noch nicht wissen und verstehen können, holt sie im Erwachsenenalter ein: Die vorherrschende Geschlechtsnormen und die Binarität der Gesellschaft. Anita ist intersexuell und (wie für damalige Verhältnisse leider üblich) wird ihre „Uneindeutigkeit“ angepasst, indem zahlreiche Operationen und Hormontherapien angesetzt werden. Ziel ist es, das zweigeschlechtliche Kind so eindeutig wie möglich einen der beiden Geschlechter zuzuordnen. Selbstredend leidet das Kind darunter. Die Geschichte wird aus der Perspektive der Schwester erzählt. Für mich persönlich war der Schreibstil gewöhnungsbedürftig. Er ist sehr kreativ, abgebrochene Sätze und Gedanken fügen sich ineinander ein, ergänzen sich und hacken sich gegenseitig ab. An einigen Stellen ist mir die Entwicklung der Geschichte zu langsam, ich habe mir da schwer getan das Buch in einem Rutsch durchzulesen (was aber sicherlich auch an der traurigen Geschichte liegt). Der Spannungsbogen baut sich aber gen Ende wieder sehr gut auf und das Buch endet mit einen zumindest für mich nicht sofort vorhersehbaren Ereignis. Im Buch werden folgende Themen angesprochen: Intersexualität, Kindesmissbrauch (emotional/verbal), Beziehungsunfähigkeit, Essstörungen, traditionelle Geschlechterrollen, Binarität, Diversität/Queerness Ich finde der Roman ist sehr gut gelungen, auch, was die beiden Gegenpole von KULTUR und NATUR betrifft. Diese werden im Buch gleich mehrfach verkörpert: Anita/Alex (intersexuell - wie wird die Person sozialisiert?), Aloe-Vera/Lollo (Kunsthistorikerin), Lukas (Naturwissenschaftler). Mir gefällt besonders gut, wie im Laufe des Buches verdeutlicht wird, was sozialisiert/operiert wurde und was als Natur angesehen wird. Von mir eine Empfehlung, wenn ihr über Intersexualität lesen möchtet und euch der Schreibstil nicht abschreckt.