Ein ganzes Menschenleben mit all seinen Höhen und Tiefen, verpassten Chancen und schmerzhaften Erkenntnissen. Nicht nur die Psyche des Protagonisten, sondern auch das politische Panorama seiner Lebenszeit werden hier mit Feingefühl seziert. Für mich ein Buch, das mich tief berührt hat und immer wieder zum Staunen über die Tiefgründigkeit von McEwans Figuren brachte. Noch weit vor der letzten Seite wurde mir klar: Von diesem Autor möchte ich noch einiges lesen!
Ein Leben
Ein wirklich mächtiges Werk hat uns hier Ian McEwan geschenkt. Ich Trau mich fast nicht es auszusprechen, aber es hat mir besser gefallen als Abbitte. Man kam es von der Komplexität jedoch gut miteinander vergleichen. Man liest eigentlich eine Biografie, nämlich die vom Hauptprotagonisten Roland. Ab und zu kommt ein weiterer Geschichtszweig anderer Protagonisten in die Geschichte und so haben wir eine kuriose Zeitachse von Geschehnissen. Die historischen Begebenheiten integrieren sich hervorragend in die Lebensgeschichte von Roland, so das es nie konfus wird. Ab und an etwas ausschweifend aber dennoch spannend. Dazu setzt uns McEwan noch andere Themen aus, die eher in die zwischenmenschliche und manchmal philosophische Richtung gehen. Ich habe es in wenigen Tagen verschlungen, ich wollte einfach immer wissen wie es weitergeht. Sehr tolle Geschichte.
Ein wunderbarer Roman von Ian McEwan. Lektionen ist die Lebensgeschichte des Roland Baines, geb. im Jahr 1948 beginnend mit dem elfjährigen Jungen. Wir begleiten ihn in verschiedenen Lebensabschnitten, nicht immer chronologisch im Ablauf. McEwan nimmt immer wieder Bezug auf Geschehnisse der Welt, insbesondere der englischen und auch deutschen Geschichte, wunderbar beobachtend. Klare Leseempfehlung!
Lesenswerter, aber anspruchsvoller Roman.
Lektionen ist ein lesenswerter Roman, den ich gerne gelesen habe, der allerdings auch meine ganze Aufmerksamkeit gefordert hat. Dieses Buch enthält so viele Informationen, dass man es nicht mal so nebenbei liest. Auf den gut 700 Seiten begleiten wir den Protagonisten Roland Baines durch sein ganzes Leben. Nach und nach erfahren wir seine Lebensgeschichte, wobei der Autor immer wieder in den Zeiten hin und her springt. Zunächst lernen wir Roland als etwa 30 jährigen Mann kennen, der gerade von seiner Ehefrau verlassen wurde und nun allein mit dem Säugling Lawrence lebt. Das Buch enthält mehrere Zeitstränge, wobei der Autor die Kapitel weder zeitlich kennzeichnet, noch chronologisch vorgeht. Mal träumt Roland von seiner Kindheit, mal erinnert er sich. Nach und nach erfährt man von Rolands Kindheit in einem Internat. Früh wird klar, der Junge wurde von seiner Klavierlehrerin missbraucht, was sein ganzes späteres Leben beeinflusst. Das ganze Ausmaß wird erst gegen Ende klar, da man immer nur einzelne Puzzleteile Stück für Stück zusammensetzen kann. Mal bekommt man eine Information über Roland als 50 Jähriger, dann ist er wieder 35, dann 70 usw.Im Laufe seines Lebens hat der Protagonist nicht nur viel Privates erlebt, das ihn geprägt hat. Auch weltpolitisch ist in der Zeit zwischen 1948 und heute viel passiert. Tschernobyl, Kuba Krise, Kalter Krieg, Wiedervereinigung, u.v.m. haben Roland geprägt. Eine eindrückliche Geschichte, die mich berührt hat, phasenweise auch wütend gemacht hat und die zum Nachdenken anregt. Für meinen Geschmack hätte der Aufbau etwas übersichtlicher sein können und phasenweise gab es auch langatmige Passagen. Alles in allem aber ein Buch, das sich zu lesen lohnt, wenn man Zeit und Ruhe hat.
"Ian McEwans 'Lektionen' ist ein beeindruckendes literarisches Werk, das durch seine scharfsinnige Beobachtungsgabe und seinen nuancierten Erzählstil besticht. In diesem Roman nimmt McEwan die Leser mit auf eine tiefgreifende Reise durch das Leben des Protagonisten Roland Baines. Von den prägenden Erfahrungen seiner Jugend bis hin zu den Herausforderungen und Reflexionen seines späteren Lebens spannt McEwan einen Bogen, der sowohl persönliche als auch historische Momente einfängt.Eines der herausragendsten Merkmale des Romans ist McEwans Fähigkeit, die Komplexität menschlicher Emotionen und Beziehungen mit einer solchen Präzision und Tiefe zu erforschen, dass die Charaktere und ihre Erfahrungen lebendig werden. Er bewegt sich geschickt zwischen Vergangenheit und Gegenwart, wobei er die Auswirkungen von Entscheidungen und Ereignissen auf das Leben seines Protagonisten gut nachvollziehbar entwickelt. Die wunderbare Aufmerksamkeit für Details und der angenehme Schreibstil machen den Roman, trotz seiner Länge- es sind immerhin 720 Seiten…, sehr unterhaltsam. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass 'Lektionen' von Ian McEwan ein meisterhaft geschriebener Roman ist, der mich berührt und zum Nachdenken anregt. Tolles Buch, was ich gerne empfehle zu lesen!
Ein grandioses Buch, in welchem der Autor sprachlich sehr gut, eindrucksvoll, sowie feinfühlig über Emotionen wie Liebe, Verlust, Trauer, Verzeihen und Versöhnung schreibt
Es ist eine Zeitreise von 1948 bis heute mit seinen Höhen und Tiefen und Geschichten die das Leben und u.a.auch der Nachkriegszeit beschreibt. Eine Kindheit, die sich hier im Besonderen der Geschichte von Roland widmet und Auswirkungen auf sein gesamtes Leben hat. Sehr guter Schreibstil und kein bisschen langweilig auf diesen 720 Seiten. Ich musste das Buch nur für ein paar Tage aus der Hand legen, nicht weil es zu langweilig, sondern da es sehr emotional war.
Insgesamt zu lang mit wenig Spannungsmomenten und es fehlt inhaltlich aber auch stilistisch eine klare Linie.

LEKTIONEN Ian McEwan 1959: Roland Baines wächst in Libyen auf, wo sein Vater als Armeeoffizier stationiert ist. Mit 11 Jahren wird er in ein britisches Internat eingeschrieben, wo er den Highschool-Abschluss absolvieren soll. Doch es kommt anders: Seine Klavierlehrerin Miriam Cornell verführt den Jungen im Alter von 14 Jahren und aus diesem Grunde trifft Roland eine Entscheidung, die sein ganzes Leben verändern wird. 1996: Jahre später wacht Roland eines morgens auf und findet den Abschiedsbrief seiner Frau Alissa neben sich. Mit den Worten. „Ich habe das falsche Leben gelebt“ verlässt sie nicht nur ihn, sondern auch ihren vier Monate alten Sohn, Lawrence. Roland, der nie einen richtigen Beruf erlernte, widmet sich fortan der Kindeserziehung. In nicht immer chronologischen Rückblicken, doch konsequent mit einem roten Faden, erzählt uns Roland aus seinem Leben. Er nimmt uns mit in die Kuba-Krise, wir erleben ein weiteres Mal Tschernobyl und er erzählt detailliert die Lebensgeschichten seiner Freunde und Verwandten. So treffen wir Mitglieder der Weißen Rose, gehen noch einmal durch den Checkpoint Charly und reisen in die DDR und sind dabei, wenn die Mauer fällt. Selbst im Corona Lockdown leisten wir ihm Gesellschaft. Dabei steht Roland immer im Mittelpunkt, wir begleiten ihn, trauern und freuen uns gemeinsam. Ich bin nicht die Erste, die darauf kommt, dass der Protagonist Roland sehr viele Parallelen zu unserem Autor McEwan hat. Ob einige Passagen aus dem Buch autobiografisch sind, vermag ich jetzt nicht zu klären, was ich aber mit Bestimmtheit sagen kann ist, dass das Buch viele Lebensweisheiten - hier schlicht Lektionen genannt, beinhaltet. Auch wenn ‚Lektionen', ein kleines bisschen hinter McEwans früheren Werken wie 'Abbitte', 'Saturday' und 'Kindeswohl' zurücksteht, ist es dennoch für mich ein Meisterwerk (mit kleineren Längen), das eine Wortgewandtheit aufweist und kaum zu übertreffen ist. Mein Lieblingszitat: „Er hatte jene Lebensphase erreicht - mit Ende dreißig nicht ungewöhnlich -, in der die Eltern anfangen abzubauen. Wer sie waren, was sie taten, war bis dahin ganz allein ihre eigene Sache gewesen. Nun aber verloren sie kleine Stückchen ihres Lebens, die von ihnen abfielen oder so plötzlich abgerissen wurden wie der Rückspiegel vom Wagen des Majors. Später lösten sich größere Brocken ab und mussten von ihren Kindern eingesammelt oder im Flug aufgefangen werden. Ein langer Prozess. (S. 158) Fazit: Wunderbar erzählt. Literatur vom Feinsten.
Ist gerade nicht die richtige Zeit dafür.
Die Geschichte erzählt das Leben Roland Baines, von seiner Internatszeit, dem Leben als Erwachsener und schließlich das Leben als Senior. McEwan gelingt es, dass man stets wissen möchte, wie es weitergeht. Dennoch wirken viele Nebencharaktere festgefahren und wenig reflektiert. Dafür beschäftigen Roland viele frühere Ereignisse seines Lebens, auch wenn er wirkt, wie ein Gefangener seiner eigenen Lebensgeschichte. Die Geschichte macht nicht so sehr ein dramatischer Plot als Roland selbst aus. Nachdem mir die Bücher McEwan's in letzter Zeit eher weniger zugesagt haben, hat mir "Lektionen" sehr viel Spaß während des Lesens bereitet. Der Autor schafft es nicht nur, dass man mit seinen Charakteren mit empfindet, sondern manchen auch eine Abneigung gegenüber empfindet. Ich muss dennoch einen Sternabzug geben, da ich die Verarbeitung eines Erzählstrangs als fragwürdig und zu wenig hinterfragend empfand.
Tolles Buch. Es bleibt mir ein Rätsel wie man sich so eine komplexe Geschichte ausdenken kann.
Der Leser begleitet Roland, wie er - ab den 1950ern - durch sein Leben taumelt, gezeichnet und bestimmt von einem Erlebnis in seiner Jugend. Aufgewachsen in Libyen, als Sohn eines britischen Soldaten, wird er mit 11 Jahren in ein Internat nach England gebracht. Zunächst in Angst vor Einsamkeit, schafft er es, in das „normale“ Leben eines Internatschülers zu rutschen - doch dann erhält er Klavierunterricht und begibt sich schließlich, getrieben durch die globale Todesangst während der Kubakrise in eine sexuelle Abhängigkeit zu seiner zehn Jahre älteren Klavierlehrerin. Bedingt durch dieses Verhältnis verliert er jeglichen Anschluss zum altersentsprechendem Leben. Sein Stolpern durch das Leben, wird kurz abgebremst und gerät ins Schleudern, als seine Frau (nicht die Klavierlehrerin!) ihn verlässt und mit dem gemeinsamen Baby allein lässt. Die Geschichte wird weiter erzählt, bis Roland schließlich über 80 Jahre alt ist. Dabei wird, in Gegenwart und in Rückblenden, in literarischer Höchstform ein geschichtlicher Abriss vom 2. Weltkrieg bis heute erzählt. Schicksalsschläge, die Frage nach dem Sinn des Lebens, die Frage nach dem „richtigen Weg“, all dies erzählt Ian McEwan einfach meisterhaft, immer wieder auch mit einem zwinkerndem Auge. Ich habe Roland sehr gern begleitet, habe mit ihm gelacht und geweint - ich war mir seines Weges nicht immer sicher, glaube aber, dass er am Ende nicht ganz unzufrieden sein dürfte; auch wenn ich ihm an manchen Abzweigungen seines Taumels doch ein anderes Schicksal gewünscht hätte. Bisher ganz klar ein Highlight für 2023
Ian McEwan erzählt mit „Lektionen“ die Lebensgeschichte von Roland Baines. Zu Beginn hatte ich einige Probleme in der Handlung anzukommen. Für meinen Geschmack wurde zu oft zwischen den Zeiten gewechselt. War ich gerade mit Roland in der Gegenwart, in der er mit dem plötzlichen Verschwinden seiner Frau Alissa fertig werden muss, war ich kurz danach in der Vergangenheit und habe von Rolands Kindheit erfahren. Diese Wechsel waren mir etwas zu schnell und leicht verwirrend. Erschwerend kam für mich hinzu, dass der Schreibstil stellenweise sehr ausschweifend war, so dass ich wirklich Probleme hatte, dem Buch zu folgen. Doch als ich dann tief in der Geschichte von Roland Baines angekommen war, war es einfach großartig. Der Schreibstil war nun sehr bildlich und die Charaktere wunderbar ausgearbeitet. Ich hatte alles sehr klar vor Augen. Auch die Art von Roland mochte ich sehr gerne, denn er hat mich oft zum Schmunzeln gebracht. Gemeinsam mit ihm bin ich durch sein Leben gewandert und habe dabei auch viele geschichtliche Ereignisse in einer ganz besonderen Weise miterlebt. Sei es die Tschernobyl-Katastrophe, die Kuba-Krise, die Geschehnisse rund um die weiße Rose, der Fall der Mauer oder der Brexit. Ganz besonders interessant fand ich, die Corona-Pandemie aus der Sicht Englands zu sehen. Neben den geschichtlichen Ereignissen haben mich aber vor allem die persönlichen Ereignisse in Rolands Leben berührt, bewegt und auch nachdenklich gemacht. Denn ich denke, jeder wird sich ein Stück in Roland wiederfinden. Ist es nicht so, dass uns alle die Frage begleitet, ob wir im Laufe unseres Lebens alles richtig gemacht haben oder ob wir bestimmte Dinge hätten anders machen sollen? Mein Fazit: „Lektionen“ von Ian McEwan ist für mich ein sehr besonderes Buch. Ich habe es – nach ein paar Anfangsschwierigkeiten – sehr genossen, Roland Baines in seinem Leben zu begleiten und habe ihn nur sehr ungern wieder verlassen. Eine große Lebensgeschichte, für die es von mir eine noch größere Leseempfehlung gibt!!!
Lektionen* Ian McEwan "Dies war die Erinnerung eines Schlaflosen, kein Traum." S.11 Kein einzelnes zentrales Thema steht im Fokus dieses 708 Seiten umfassenden Romans. Vielmehr spannt McEwan einen gewaltigen Bogen von der Nachkriegszeit bis hin zur gegenwärtigen Corona-Pandemie und arbeitet so vielleicht auch ein Stück seiner eigenen Lebensgeschichte auf. Den Inhalt möchte ich hier gar nicht zu sehr wiedergeben, vielleicht genügt die Erwähnung von zwei primären, das Leben prägenden Ereignissen. Zum einen die durch ein Machtgefälle und sexuelle Übergriffe gekennzeichnete Beziehung Rolands 11-jährigen Ichs zu seiner Klavierlehrerin zum anderen die unerwartete Trennung von seiner Frau Alyssa, nach welcher er mit 38 Jahren als alleinerziehender Vater zurück bleibt. Beide Ereignisse sind Wendepunkte in Rolands Leben, die alles Weitere in ein Davor und ein Danach teilen. Eingebettet wird die Erzählung in das aktuelle Zeitgeschehen, in welchem Roland sein Leben zu bewältigen sucht und gleichzeitig Erlebtes reflektiert. So entsteht eine Mischung aus historischer Rückschau, literarischer Biographie und gelungener Fiktion. Neben Rolands Individualität tritt dank der gelungenen Konstruktion des Romans auch die Macht der prägenden Erfahrungen zu Tage, die letzten Endes das Leben beeinflussen und das Selbst formen. Dabei ist Lektionen ein Roman, der nicht nach den großen Sensationen im Leben des Einzelnen sucht. Vielmehr werden die kleinen Siege und Verluste in den Fokus genommen und durch Robert Baines ein Leben gezeigt, das moralische Vorstellungen über beruflichen Erfolg stellt. Wer mich schon etwas länger kennt, weiß wie sehr ich Romane mag, die vollkommen durchschnittliche Leben begleiten, ihre Höhen und Tiefen zeigen und der Leserschaft das Gefühl geben, dass am Ende die Moral, die leisen Töne wichtiger sind als die Superlative. Ein Buch, das ich aus vollem Herzen empfehlen kann. 5 von 5 🌟
Ein Buch wie ein ganzes Leben
Ich fand den Anfang toll, dann lässt es nach und hat leider für mich auch deutliche Längen.
Zwischendurch meisterhaft, aber zu viele Längen und teilweise gerade zu langweilend.
Lektionen hat mich aufgeregt, gelangweilt, dann doch wieder neugierig gemacht. Vielleicht habe ich sogar nur deshalb durchgehalten, weil ich es für einen Lesekreis gelesen habe. Es gab einige Stellen, an denen ich, wenn ich das Buch erst einmal länger beiseite gelegt hätte, vielleicht nicht wieder danach gegriffen hätte und das Buch bei Ablauf der Leihfrist einfach unbeendet zurück gebracht hätte. So habe ich bis zum Ende durchgehalten, es auch nicht wirklich bereut. Aber hätte ich es nicht gelesen, wäre es wohl auch kein Verlust. Am interessantesten fand ich letztendlich all die politischen Betrachtungen - da waren wirklich großartige Abschnitte dabei. Geschickt und sprachlich brilliant verwebt der Autor Ian McEvan das Leben des Hauptprotagonisten Roland Baines mit Ereignissen der Weltgeschichte. Auf die ganze Klavierlehrerin-Storyline hingegen hätte ich auch gut verzichten können. Dann wäre das Buch auch gleich ein bisschen weniger dick geworden und um ein paar Längen ärmer. Aber vielleicht habe ich ja nur noch kapiert, wofür das alles gut war.
Ein sehr tolles und unterhaltsames Buch über einen alleinerziehenden Vater. An manchen Stellen etwas zu lang und auch manche Handlungsweisen haben mich den Kopf schütteln lassen.
Alles zwischen 1 und 5 Sternen
Meistens war es super!Aber zwischendurch soooo langatmig, dass die Lust auf das Buch sehr gering wurde, aber eben nie so, dass ein Abbruch im Raum stand. Eine wirklich interessante Lebensgeschichte!
Wie alles anfing Zu Beginn des Buches lernen wir den 11-jährigen Roland Baines als sehr sensibles Kind kennen, das dem Leben im britischen Jungsinternat bang entgegensieht. Obwohl die schlimmsten Ängste sich als unbegründet erweisen, fühlt er sich zunächst entwurzelt. Und da kommt diese Klavierlehrerin daher und quält ihn mit fiesen Kniffen und herabwürdigender Sprache, verunsichert ihn mit übergriffigen Berührungen, gibt ihm aber gleichzeitig das Gefühl, dies alles machte ihn zu etwas Besonderem. Das fällt auf fruchtbaren Boden – ein Kind wie Roland, das sich nach einer Veränderung haltlos fühlt, lässt sich von Erwachsenen sehr leicht zum Opfer machen. Wenige Jahre später wird aus diesem verstörenden Innuendo mehr; Miriam nutzt die ganz normalen sexuellen Neigungen eines Kindes aus und pervertiert sie, überschreitet alle Grenzen des Rechts und der Moral. Wie es die Weichen stellt Das prägt Roland fürs ganze Leben, zieht sich unterschwellig durch die Jahrzehnte. An seiner zwanghaften Hypersexualität scheitern Beziehungen; tiefsitzende Rastlosigkeit und Entscheidungsunfähigkeit führen zu einem Leben, das zwar überaus ereignisreich verläuft – und das von McEwan komplett auserzählt wird –, in dem Rolands außergewöhnliche Talente jedoch nie voll zum Erblühen kommen. Nur die Vaterschaft, die gelingt ihm ganz ohne Zweifel, indem er seinem Sohn immer mit Respekt und Wertschätzung begegnet. Man könnte Roland als gescheiterte Existenz bezeichnen, und dennoch, dennoch … Er hat viel erlebt, ist Zeitzeuge von Ereignissen geworden, die in Geschichtsbüchern weitergetragen werden. Lässt sich der Wert seines Lebens wirklich am Erfolg messen, an der Karriere? Ist ein scheinbar unbedeutendes, unspektakuläres Leben nicht lebenswert? Im Literarischen Quartett am 14.10.2022 nannte Thea Dorn ihn »eine Figur, die sich selber staunend bei der Katastrophe namens Leben zuguckt«, und das trifft es für mein Empfinden sehr gut. Träume und Traumata McEwan stellt die Innenleben seiner Charakter so prägnant wie feinfühlig dar, mit viel Gespür für die Zwischentöne, das zutiefst in der persönlichen Geschichte Verwurzelte. Dabei verfällt er meines Erachtens nie in Kitsch oder abgedroschene Allgemeinplätze; er zeichnet mit fein dosierten Worten ein sehr dichtes, differenziertes Bild. Dieser Roman ist so autobiographisch geprägt wie kein anderer seiner Romane zuvor, bleibt aber nichtsdestotrotz innerhalb der Grenzen der Autofiktion. »Ich empfinde eine heimliche Bewunderung und gleichzeitig ein Misstrauen gegenüber Autoren, die ihr Leben endlos ausplündern. (…) Aber dieses Mal dachte ich, ich nehme mir meine gesamte Existenz und verpacke sie in eine Fiktion.« (AUS EINEM INTERVIEW MIT IAN MCEWAN, ÜBERSETZT) Allenfalls könnte man dem Roman vorwerfen, dass er sich allzu ausschweifend treiben lässt durch die Zeitläufe der Geschichte, mit einem Helden, der dazu neigt, passiv zu erdulden, statt aktiv anzupacken. Ich kenne Leser:innen, die Rolands Gleichmut unsäglich störte, für mich persönlich las es sich indes wie aus einem Guss. Denn Roland mag der Fix- und Angelpunkt des Romans sein, um ihn herum tobt jedoch das wunderbare, schreckliche Chaos des Lebens, das McEwan so gekonnt in Worte fasst. Patriarchalische Verwerfungen im Lebenslauf Obwohl Roland ohne Zweifel der Schlüsselcharakter ist, gibt McEwan auch den Frauen in seinem Leben viel Raum, was einen feministisch geprägten Themenkomplex eröffnet. Immer wieder geht es um weibliche Selbstbehauptung und weibliche Fremdbestimmung im Laufe der Zeit, insbesondere im Kontext der traditionellen Rolle der Mutterschaft – weibliche Entwicklung als Auflehnung gegen die gesellschaftlichen Erwartungen. Da ist Alissa, die Ehefrau, die Roland mit dem kleinen Sohn sitzenlässt, um ungestört schreiben zu können – was die üblichen Geschlechterrollen umgekehrt! –, und schon mit dem Debütroman zur literarischen Sensation wird. Da ist Jane, Alis
Ein Meisterwerk.
Bewegend
Mit seinem so leichten und lockeren Schreibstil, bringt Ian McEwan seine Leser*innen durch 700 Seiten, die das Leben von Roland Baines verkörpert. Wir begleiten Roland und sein komplettes Leben. Es geht um Schicksal, Chancen und Verzwickungen. Um Ereignisse in seinem Leben, mit denen er lange Kämpft. Das Buch ist zudem noch sehr gut recherchiert und so berührend. Wir haben hier auch Passagen über die DDR, den Mauerfall und dass mit einer Leichtigkeit, dass mich tatsächlich ein paar Stellen zum innehalten gebracht hat. Vor allem die Erkenntnis, dass ich unbedingt noch mehr vom Autor lesen muss. Dieses Buch ist so bewegend und ergreifend, dass es für mich eine Faszination ist. 700 Seiten, aufgeteilt in 12 Kapitel. Die Kapitel sind entsprechend lang aber dennoch nicht zäh und langatmig. Es ist auch anspruchsvoll und daher nicht zu empfehlen für zwischendurch. Also nehmt euch die Zeit und eine gewisse Konzentration und lest dieses Meisterwerk.