
„Selig sind die Einsamen, denn sie wissen, wie man überlebt.“
Gaia Marinos ist ein Überbleibsel der alten Welt: Eine Mutantin. Sie ist ein Zeugnis dessen, was die Menschheit sich angetan hat und warum dies für immer Vergangenheit bleiben muss. Gejagt und missbraucht wird Gaia zum hell leuchtenden Stern für aufstrebende Herrscher der neuen Welt und zu deren Untergang gleichermaßen, immer auf der Suche nach Wissen und Gerechtigkeit, auf den Spuren des Gesetzes der Natur. Solomonica de Winter hat ein sehr besonderes Buch geschrieben. 600 Seiten lang beschäftigt sie den Leser mit einem sehr eigenwilligen, besonderen Schreibstil, frustriert manchmal und erstaunt an anderer Stelle. Es braucht Konzentration, um ihr und ihrer Protagonistin zu folgen und sich durch das Dickicht aus altertümlicher Moderne, Namenlosigkeit mancher Protagonisten und mal mehr, mal weniger subtilem Foreshadowing zu kämpfen. Für die Geschichte selbst holt die Autorin weit aus, beginnt bei den ersten Beweggründen der großen Quest von Gaia und nicht am Beginn der eigentlichen Handlung. Im Stil eines Fantasy-Epos bereisen wir an ihrer Seite zunächst die Welt, mischen Politik und Weltgeschehen auf und beginnen einen Krieg, bevor die Protagonistin sich ihrer eigentlichen Aufgabe in ihrer dystopischen Welt stellt: Das letzte Wissen einer untergegangenen Zivilisation zu finden. Die Hintergründe um das Ende der Menschheit so wie wir sie kennen wurden in diesem Buch wenig bis gar nicht geklärt, genausowenig wie der große Zusammenhang, was ich zwar schade fand, aber auch gar nicht das Ziel dieser Geschichte ist. Vielmehr haben wir hier eine Art Heldenreise gemischt mit einem dystopischen Gedankenspiel, philosophische Fragen zu Gerechtigkeit und Ursprung und dem zentralen Thema Mutterschaft. An vielen Stellen finden sich einige auffällige Parallelen zum Herrn der Ringe, in Zitaten und Handlungen gleichermaßen, auch wenn der Konflikt ein ganz anderer ist. Am Ende steht ein sich schließender Kreis zwischen alter und neuer Welt, der Fragen offen lässt und sich sicherlich vielfältig analysieren und interpretieren lässt, dem aber vor allem eine irrsinnige Ironie innewohnt, was ja auch zutiefst menschlich ist. Das Gesetz der Natur ist keine einfache Geschichte, wer ein Abenteuer oder Fantasy erwartet, wird sicherlich enttäuscht werden. Wer offen ist, sich verwirren zu lassen, geduldig zu sein und etwas zu lesen, das zugleich so alt und neu wirkt, manchmal fast poetisch und dann wieder roh und grob, der sollte sich an Gaia Marinos Seite auf die Reise machen, durch die Wildnis von Neuamerika und die immer gleichen Fehler der Menschen.