Zwei Leben, zwei Epochen, ein Schicksal
Den Roman Marschlande von Jarka Kubsova habe ich bei der Nacht der Bibliotheken in Münster bei einem „Blind-Date mit einem Buch“ erstanden. Nur eingeschlagen in Packpapier, habe ich mich auf das Buch eingelassen und war am Ende echt begeistert von der Geschichte. Es geht um Britta, die mit ihrer Familie - Mann und zwei Kindern - in die Hamburger Marschlande zieht. Ein Neuanfang in normschönem Haus, aber auch in einer völlig fremden Dorfgemeinschaft, fernab vom alten sozialen Umfeld. Britta, selbst Akademikerin mit durch Kinder unterbrochener Karriere und abhängig von ihrem „erfolgreichen“ Ehemann, kommt nicht so recht in der neuen Situation an und versucht, sich in der Gemeinschaft zurecht zu finden. Auch die beiden pubertären Kids haben so ihre Schwierigkeiten mit der Situation. Der Vater scheint dabei nur wenig hilfreich und fokussiert auf seine Karriere. Eines Tages sieht sich Britta, konfrontiert mit der Persona „Abelke Bleken“ und stürzt sich in das Rabbithole einer packenden Recherche über die real existierende Bäuerin, welche rund um das Jahr 1580 gelebt und als alleinstehende Frau einen großen Bauernhof in den Marschlanden geführt hat. Um dies für die Leserschaft noch zu unterbauen, wird als zweite Ebene in das Lebens von Abelke eingeführt. Abelke hat in ihrem Zeitalter als „unabhängige Frau“ einen schweren Stand in der Gesellschaft der Hamburger Marschlande, in denen unter anderem Hexerei und die Angst davor noch eine reale Rolle zu spielen schien. Beide Frauen verbindet die Unterdrückung durch Männer und die Normen und Erwartungen der Gesellschaft. Ich war durch die beiden Schicksale sehr gepackt und habe das Buch mit viel Spannung und Begeisterung gelesen. Jarka Kubsova zeigt hier auf, mit welchen Schwierigkeiten und Repressionen Frauen damals wie heute konfrontiert sind und unter anderem, welche Rolle ein soziales Netzwerk bei der Emanzipation spielen kann. Vom Blind-Date zum einem meiner Lieblingsbücher 2025.