16. März 2024
Bewertung:5

„Wie sie sich so sicher sein können. Denn das müssen die Hassenden sein: sicher. Sonst würden sie nicht so sprechen, so verletzen, so morden. Sonst könnten sie andere nicht so herabwürdigend, demütigen, angreifen. Sie müssen sich sicher sein. ohne jeden Zweifel. Am Hass zweifelnd lässt sich nicht hassen.“   Mit einem ähnlichen Ansatz und gelassenem Ton wie in ihrem Buch „Wie wir Begehren“ schreibt Carolin Emcke in „Gegen den Hass“ über verschiedene Diskriminierungsformen in unserer Gesellschaft. Das gleiche Prinzip, das sie anwendet, ist, sich zu einfachen Fragen versuchen eine einfache Antwort zu geben. Schnell merkt sie, dass die Wurzeln der Antworten tiefer sind. Mit cleveren Denkanstößen lässt sie die Lesenden sich selbst positionieren und vielleicht die eigenen Handlungsformen hinterfragen. Was heute ‚sichtbarer ‘und ‚logischer‘ erscheint bezüglich des strukturellen Rassismus, Queerfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, usw. legt Emcke schon 2016 die eigentlichen Grundlagen zu Papier und beschreibt es wahnsinnig pointiert und klug.   Auch wenn ich ab und zu einige Passagen nicht verstanden habe, und Google verwenden musste, um mir wirklich nicht das Wichtigste zu entgehen, ist dieser Essay ein Muss! Manchmal hatte ich den Eindruck, dass manche Themen mehr behandelt wurden als andere. Aber würden alle Themen genau so viele Seiten brauchen, wäre es so dick, wie die Bibel gewesen. Ich denke, dass Emcke sich bewusst ihrer Schwerpunkte gesetzt hat, bei denen sie auch gezielt eingehen konnte. Wobei ich denke, dass sie doch fast alles kann. (vielleicht eine superpower?) Vermutlich landet dieses Buch nur bei Menschen, die schon ein grundlegendes und ethisches Menschenverständnis besitzen bzw.  sich deren Privilegien durch das Buch nochmal bewusster wird. Aber vielleicht hilft das Buch sich selbst zu bestärken und weiterhin gegen den Hass anzukämpfen. Absolute Leseempfehlung!   „(…), schreibt Hannah Arendt in Vita Activa, „Macht besitzt eigentlich niemand, sie entsteht zwischen Menschen, wenn sie zusammen handeln, und sie verschwindet, wenn sie sich zerstreuen.“ Das wäre auch die zutreffendste und schönste Beschreibung von einem Wir in einer offenen demokratischen Gesellschaft: Dieses Wir ist immer ein Potenzial und nicht etwas Unveränderliches, Messbares, Verlässliches. Das Wir definiert niemand allein. Es entsteht, wenn Menschen zusammen handeln, und es verschwindet, wenn sie sich aufspalten.“

Gegen den Hass
Gegen den Hassvon Carolin EmckeS. FISCHER
23. Sept. 2022
Bewertung:5

Worum geht´s? Ein Essay über die großen Themen unserer Zeit - Rassismus, Fanatismus und Demokratiefeindlichkeit. Für alle, die überzeugende Argumente und Denkanstöße suchen, um eine humanistische Haltung und eine offene Gesellschaft zu verteidigen. Meine Meinung: Emckes Buch aus dem Jahr 2016 hat leider nichts an Aktualität verloren. Im Gegenteil, nie war es wichtiger, sich mit den Themen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie und anderen Ausgrenzungen von Minderheiten auseinanderzusetzen, wie jetzt. Emcke versucht hier zu beleuchten, wie es zu dieser Ausgrenzung und dem grenzenlosen Hass kommen kann, dem sich Minderheiten in unserer Gesellschaft aussetzen müssen. Emckes Schreibstil ist sachlich und eindringlich und betont, insbesondere am Anfang des Buches, dass wir Taten verurteilen sollen, nicht aber die Menschen, um diesen die Chance zu geben, sich und ihre Handlungen und Denkmuster zu überdenken und anders zu agieren. Anhand von Beispielen aus der Vergangenheit (Clausnitz und Staten Island) erklärt Emcke explizit, welche Konsequenzen Hass und Vorverurteilung von Fremden in unserer Gesellschaft anrichten. Schockierend und emotional unglaublich berührend schreibt Emcke hier über die Vorfälle. Man ist ein weiteres Mal fassungslos, obwohl das Bewusstsein für dieses Thema vorhanden ist, kann man einfach nicht begreifen, was Menschen zu solchen Gräueltaten führt. Weiterhin geht die Autorin auf Ideologien und deren Verbreitung ein und appelliert eindringlich dafür, die Diversität unserer Gesellschaft als etwas Gutes anzusehen und daraus positive Aspekte zu gewinnen. “Pluralität in einer Gesellschaft bedeutet nicht den Verlust der individuellen (oder kollektiven) Freiheit, sondern garantiert sie erst.” Fazit: Auch drei Jahre nach Erstveröffentlichung hat dieses Buch (leider) nichts an Aktualität verloren und gehört in meinen Augen zur Pflichtlektüre! Lesenswert!

Gegen den Hass
Gegen den Hassvon Carolin EmckeS. FISCHER