Einfühlsame Lebensgeschichte mit kleinen Schwächen.
Die Lebensgeschichte von Zeljko, genannt „Jimmy“, ist eine ruhige, sanfte Erzählung, die den Leser auf eine Reise durch Höhen und Tiefen mitnimmt. Besonders im Mittelpunkt steht dabei seine bewegende Beziehung zu Martha. Die Herkunft aus dem ehemaligen Jugoslawien bringt interessante kulturelle und familiäre Hintergründe mit sich, die der Geschichte Tiefe verleihen.
Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen – es liest sich angenehm und regt zum Nachdenken an. Ein Wermutstropfen war für mich jedoch das Kapitel über die Beerdigung seines Großvaters. Es wirkte auf mich etwas gezwungen, fast so, als diene es lediglich dazu, noch ein Stück Familiengeschichte unterzubringen. An dieser Stelle kam der Lesefluss für mich etwas ins Stocken.
Trotzdem bleibt es eine lesenswerte Geschichte über Liebe, Verlust und das Erwachsenwerden in einem geteilten Europa.
"Ich wollte einer werden, den man nicht herumschieben kann. Ich wollte einer werden mit Verstand. Ich war bereit, alles dafür zu tun."
„Jahre mit Martha“ von Martin Kordić ist ein Roman, der vor allem durch seine besondere Stimmung überzeugt. Der Ton ist ruhig, fast meditativ und genau das macht den Reiz beim Lesen aus. Man wird nicht mit schnellen Wendungen oder lauten Gefühlen überrollt, sondern eher langsam hineingezogen – was auf angenehme Weise entschleunigend wirkt.
Die Figuren sind vielschichtig und glaubwürdig gezeichnet. Besonders Zeljko, der Erzähler, ist eine interessante Figur:
Er wächst als Sohn von Gastarbeitern in Deutschland auf, bewegt sich zwischen verschiedenen Welten und lernt früh, wie unterschiedlich Herkunft, Sprache und Macht zusammenhängen. Auch die Beziehung zu Martha, einer deutlich älteren Professorin, ist komplex, spannend und außergewöhnlich. Der Roman schafft es dabei, ganz unterschiedliche Themen anzusprechen – von Bildung und sozialer Ungleichheit, über Begehren, bis hin zu Macht und Abhängigkeit – und das oft mit einem Augenzwinkern oder sogar etwas Spice.
Gleichzeitig hatte ich beim Lesen manchmal das Gefühl, nicht nahe genug an die Figuren heranzukommen. Obwohl die Geschichte viel Potenzial für Emotionen bietet, hat sie mich nicht durchgehend berührt. An einigen Stellen zog sich das Ganze etwas, vor allem, wenn es stark um Zeljkos Liebes- und Sozialleben in München ging. Eigentlich hat mich sein Familienleben, seine Herkunft und wie er mit seiner Umgebung zurechtkommt, oft mehr interessiert als die Dynamik seiner Liebesbeziehungen und Abhängigkeiten.
Trotzdem: „Jahre mit Martha“ ist ein klug erzählter Roman mit einer ganz eigenen Atmosphäre. Wer ruhige, nachdenkliche Bücher mag, die gleichzeitig unterhalten, informieren und zum Nachdenken anregen, wird hier Einiges entdecken. Auch wenn mich das Buch nicht vollends gepackt hat, bleibt es ein lesenswerter, besonderer Roman.
„Mit jedem Buch, das ich in jener Zeit las, fühlte es sich an, als würde ich mich weiter weglesen von meiner Herkunft, als könnte ich mich zu einem anderen Menschen lesen, mich so sehr mit Geschichten anfüllen, dass die eigene keine Rolle mehr spielte.“
Jahre mit Martha von Martin Kordić ist ein tiefgründiger und nachdenklich stimmender Roman, der auf brillante Weise die Themen Identität, Erwachsenwerden, soziale Mobilität, Zugehörigkeit, Geschichte, Bildung und die komplexen Dynamiken von Mentorenschaft beleuchtet. Der Roman erzählt die Geschichte von Željko, einem jungen Mann mit kroatisch-bosnischen Wurzeln, der in Deutschland aufwächst und sich zwischen seiner Herkunft und seinem Streben nach einer besseren Zukunft navigiert. Im Zentrum steht er selbst, der sich sucht und versucht dazuzugehören, zu Welten zu denen er nicht gehört.
Kordić gelingt es meisterhaft, die Zerrissenheit seines Protagonisten darzustellen – zwischen dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit, dem Drang, sich selbst zu definieren, und den Herausforderungen, die sich durch seine Herkunft und soziale Stellung ergeben. Die Beziehung zu Martha, einer Figur, die nie wirklich greifbar ist, gibt ihm Halt und Führung aber wirkt sich auch problematisch aus. Die Fragen, ob Martha wirklich Zuneigung empfindet oder Željko schlichtweg ein Projekt für sie ist, bleiben im Raum und spiegeln die Ambivalenz wider, die Kordić in der gesamten Erzählung verwebt.
Ein Aspekt, der besonders ins Auge fällt, ist die Darstellung der Mentorenschüler-Dynamik zwischen Željko und Alex Donelli. Alex hat selbst italienische Wurzeln und nimmt Željko unter seine Fittiche. Doch wie so oft im Leben, wird diese Hilfe zu einer undurchsichtigen Beziehung, in der sich Zuneigung, Verantwortung und Macht vermischen. Man kann als Leser*in nie sagen was genau die beiden verbindet, genau wie Željko selbst.
Für die Leser entsteht eine ständige Spannung zwischen Unterstützung und Ausbeutung, was die Geschichte besonders vielschichtig macht.
Jedoch bleibt der Roman nicht nur in seinen zwischenmenschlichen Beziehungen stehen, sondern liefert auch eine scharfsinnige Kritik an den sozialen und bildungspolitischen Ungleichgewichten in unserer Gesellschaft. Kordić schafft es, die realen Hürden zu zeigen, die viele Menschen – nicht nur Migranten, sondern auch andere marginalisierte Gruppen – überwinden müssen, um Zugang zu den gleichen Chancen wie privilegiertere Menschen zu erhalten. Das Ende des Buches, das für viele Kritiker ein wenig offen und undurchsichtig bleibt, erscheint mir persönlich als sehr passend. Es spiegelt die Realität wider: Der Weg zum sozialen Aufstieg ist selten klar oder glatt, und oft endet er in einem Zustand von Unvollständigkeit und Unsicherheit.
Trotz einiger flacherer Nebengestalten bleibt die Geschichte stark und packend. Die Unvollständigkeit und die Unklarheit der Charaktere, vor allem von Željko, wirken nicht als Schwäche, sondern als bewusste Entscheidung des Autors. Denn genauso wie der Protagonist auf der Suche nach seiner eigenen Identität ist, bleiben auch die Leser mit offenen Fragen zurück – ein cleverer Schachzug von Kordić, der die nachdenkliche Stimmung des Romans verstärkt.
Insgesamt ist Jahre mit Martha ein tief berührendes und relevanter Roman, der sowohl die persönlichen als auch gesellschaftlichen Herausforderungen des Aufstiegs thematisiert. Es fordert die Leser heraus, über Macht, Verantwortung und die Möglichkeiten nachzudenken, die einem im Leben zur Verfügung stehen. Wer bereit ist, sich auf die komplexen und manchmal unangenehmen Themen einzulassen, wird ein eindrucksvolles Leseerlebnis haben.
Željko, von allen nur Jimmy genannt, wohnt mit seiner Familie in Ludwigshafen. Auf der Geburtstagsfeier seiner Mutter begegnet er Martha, da ist er fünfzehn Jahre alt. Martha verkörpert vieles was Željko gerne selbst wäre. Sie eröffnet ihm diese Welt, mit ihr erlebt er seinen ersten Theaterbesuch, führt intellektuelle Gespräche und fühlt sich wahrgenommen. Željko wie auch Martha bekommen die Zuneigung die sie in dem Moment brauchen. Doch wo verschwimmt die Grenzen zwischen benutzen und Begehren? Die Geschichte ist leidenschaftlich und zärtlich, sie erzählt von Problemen die Željko bewältigen muss um herauszufinden wer er ist und wer er sein möchte. Martha ist ein essenzieller Teil dieser Reise. Mir hat es sehr gut gefallen, die Sprache, die Charaktere und die Settings, alles war rund um gut. Auf dem Weg der Identitätsfindung finde ich mich selbst sehr wieder und der Roman hat genau gepasst. Zwischen den Zeilen schweben kleine Lebensweisheiten und kluge Gedanken. Mal wieder ein gelungener Roman, ich freue mich auf das nächste Buch von Herrn Kordić. (Selbstgekauftes Exemplar)
Es ist schon länger her, dass ich dieses Buch gelesen habe. Deswegen kann ich nicht viel zum Inhalt schreiben, sondern wie es mir mit dem Inhalt ging. Ich habe es gern gelesen. Ich weiß auch, dass es leicht zu lesen war und das ich die verschiedenen Figuren gut und authentisch fand. Dass ich verstehen konnte, wie es sich für Željko anfühlt, als „Ausländer“ in einem Land groß zu werden und wie stark das Begehren nach Bildung und Kultur sein kann. Warum Željko sich von der klugen Martha angezogen fühlt. Wieso er sich so stark anpasst. Wie schwer es ist aufzusteigen und noch schwerer, wenn man Migrant ist. Wie einfach das Leben für die sein kann, die nicht mal eine Rechnung nach Richtigkeit überprüfen müssen. Wie Macht missbraucht werden kann. Eine wirklich feine und zarte Geschichte, die ich schnell und voller Freude gelesen habe, aber der besondere „Kick“ hat mir gefehlt. Warum kann ich gar nicht genau sagen. Vielleicht liegt es daran, dass ich „Wie ich mir das Glück vorstelle“ von Martin Kordić schon gelesen hatte? Es mir etwas nebelhafter und märchenhafter gewünscht hätte. Oder vielleicht lag es auch daran, dass es so nah an meinen eigenen Erfahrungen war, dass ich nicht Neues erzählt bekommen habe. Gleicher Migrationshintergrund, gleiche Schulempfehlung, selbst gleiche Berufsempfehlung und so vieles mehr, dass ich eins zu eins so erlebt habe. Und genau deswegen empfehle ich es jedem weiter, der/die Lust hat mehr über Chancengleichheit, Ungerechtigkeiten, Integration, Identitätssuche zu lesen und diese Erfahrungen gerne in einer Art erzählt bekommen möchte, die so schön und indirekt ist wie bei der Geschichte zwischen Martha und Željko „Jimmy“.
S.22 „Frau Gruber bezahlte mein Eis zusammen mit ihrem Einkauf, ich bedankte mich. Anders als meine Mutter nahm Frau Gruber sich keine Zeit, den Kassenzettel zu überprüfen, sie ließ ihn sich nicht einmal geben.“
S.27 „So hatte meine Mutter also drei Putzstellen: im Krankenhaus, im Friedenszentrum und bei Frau Gruber. Mehr Zeit hatte meine Mutter nicht.“
S.77 „Ein paar Jahre später lebte ich in München, in einem kleinen Apartment im Olympischen Dorf, und ich war so stolz darauf, es bis an eine Universität geschafft zu haben. Zu verdanken hatte ich das meiner wachsenden Wut. Und Martha.“
S.251 „….und sie sprachen ausschließlich Deutsch miteinander, keine Mischsprache. Die jungen Eltern wollten es ihren Kindern leichter machen, bei der Einschulung genauso wie bei einer späteren Wohnungssuche, sie wollten ihre Kinder befreien vom Ausländersein, sie hatten ihre eigene Identität zu oft als Makel erlebt, hatten sich mit diesem Makel durch Jugend und Ausbildung gekämpft.”
Erwartet hatte ich eine Liebesgeschichte zwischen einer Frau und einem Jugendlichen. Gelesen habe ich einen durchaus anspruchsvollen Roman über Integration. In den wenigen Teilen, in denen die Liebesgeschichte Thema war, ging es hauptsächlich um Sex. Mir war das zu viel.
In "Jahre mit Martha" wird Željkos Geschichte erzählt, eine Geschichte über Identitätskrisen und Abstürze, letztendlich aber auch über Selbstermächtigung und Ankommen.
"Was mich ausmachte, war nicht schwarz
oder weiß. Ausländer und Deutscher,
bosnischer Kroate und kroatischer Bosnier,
Muschis und Schwänze, Straße und
Universität, Gott und Krieg, kriminell und
gesetzestreu, männlich und unmännlich,
Schande und Ehre. Es gab alles gleichzeitig in meinem Leben. In mir selbst war immer alles gleichzeitig.
Heute weiß ich, dass mir in Deutschland
die Vorbilder gefehlt hatten, an denen ich
mich hätte orientieren können, die mir hätten zeigen können, wie mit all dem gut
umzugehen wäre. Es war an uns, zu versuchen, diese Vorbilder selbst zu sein für die, die nach uns kommen, für unsere Nichten und Neffen, für unsere Kinder. Für die in den Džeko-Trikots. Aber damals wusste ich das noch nicht."
Wundervoll geschrieben und thematisch faszinierend. Durfte den Autor (digital) persönlich kennenlernen in meinem exklusiven Buchclub, was das Buch gleich noch viel sympathischer machte. Unbedingt eines meiner Favoriten.
Zugegeben: Als ich das Buch kaufte, hatte ich eine etwas andere Vorstellung davon, worum es gehen würde. Ich erwartete eine Art Liebesgeschichte zwischen dem jungen Željko (genannt Jimmy), dessen Eltern als Gastarbeiter nach Deutschland kamen, und einer älteren und vermögenden Frau, die Professorin ist und bei der Jimmys Mutter als Putzfrau arbeitet.
Die Beziehung steht allerdings nur bedingt im Fokus. Martha stellt für mich eher die Figur dar, die Jimmy über viele Jahre begleitet. Sie ist sozusagen der Rahmen, der alles miteinander verbindet. Es geht im Roman vielmehr um das Erwachsenwerden, Selbstfindung und die Suche sowie die Frage nach Zugehörigkeit. Denn Željko bewegt sich ständig zwischen den Welten: Zwischen seinem Geburtsland Deutschland und dem Heimatland seiner Familie, zwischen guten Schulnoten und Hilfe bei den Putzarbeiten seiner Mutter, zwischen Studium in München bei einem gefeierten Dozenten und kriminellen Machenschaften, zwischen der Beziehung zu einer älteren Frau und verschiedenen sexuellen Erfahrungen mit Frauen sowie Männern.
Es ist ein feinfühliger Roman, den Martin Kordić zu Papier gebracht hat. In dem Humor genauso wie Melancholie zu finden sind. Mit tollen, klugen und intensiven Sätzen, die berühren und nachdenken lassen. Es ist ein Roman, der mir noch länger in Erinnerung bleiben wird.
Ein vielschichtiger Roman über Machtverhältnisse, Migration und der Suche nach dem Selbst
"Jahre mit Martha" ist nicht der klassische Liebesroman. Martha und Zeljko verbindet eine außergewöhnliche und zuweilen auch sehr fragwürdige Beziehung, die vor allem durch das Machtgefälle zwischen beiden geprägt ist.
Wir begleiten Zeljko bei der Suche nach seinem Platz in der Welt, was sich als Migrantenkind in Deutschland alles andere als leicht erweist.
Ein Roman, der durch seine wunderbare Sprache besticht und mir neue Eindrücke und Sichtweisen nahebringen konnte.
Einen Stern habe ich abgezogen, da mich das Buch emotional lediglich auf den letzten Seiten abholen konnte.
Martha war mir bis zum Ende fremd und unnahbar. Auch Zeljko hat mich als Protagonist nicht komplett abholen können.
Dennoch ein sehr gelungener Roman, den ich nur weiterempfehlen kann.
Sprachlich schön und trotzdem leicht zu lesen.
Eine Geschichte, die langsam erzählt wird.
Wer einen Migationshintergrund hat, wird sich in irgendeiner Form wiederfinden.
Manchmal traurig und man fühlt die Enttäuschung der Hauptperson. Am Ende fühlt man, dass er angekommen ist und geht versöhnt.
Ich habe JAHRE MIT MARTHA gerne gelesen.
Besonders die erste Hälfte hat mir gut gefallen, die eine Coming-of-Age-Geschichte ist, mich an DER VORLESER erinnert hat und zeigt in welche Abhängigkeiten sich junge Menschen begeben, wenn sie nach Richtung und Sinn in ihrem Leben suchen.
Gleichzeitig behandelt das Buch das Thema Integration, welches hauptsächlich im zweiten Teil des Buchs zum Tragen kommt. Wie fühlt man sich, wenn man sein ganzes Leben in einem Land fühlt, dass nicht die eigentliche Heimat ist. Wie integriert man sich, passt man sich an oder nicht?
Sehr lesenswert. Leicht zu lesen. Manchmal ist die Beziehung zwischen Martha und Jimmy für mich etwas verstörend gewesen. Aber irgendwie sind einige Beziehungen, die Jimmy eingeht eher verstörend und einseitig.
Das Ende hat mir sehr gut gefallen. Alle Stränge laufen zusammen, keine losen Enden.
Der Protagonist Željko erzählt in einer ruhigen Stimmung von seinem Leben als bosnischer Kroate in Deutschland; als Deutscher in Bosnien; als studierendes Arbeiterkind; als verwirrter Erwachsener.
Die einzig ehrliche Beziehung, die er je in seinem Leben hatte - ehrlicher auch als zu sich selbst - hatte er mit Martha. Die deutlich älter als er ist. Die er kennenlernt - aus den Augen verliert - wieder findet - aus seinem Leben lässt, um am Ende wieder auf sie zu treffen.
Durch den Balkan-Background konnte ich mich direkt in Željko aka Jimmy hineinversetzen. Erzählungen von Heimat und Fremde, Familie und Freundschaft, Gemeinschaftsgefühl und Zerrissenheit waren sofort greifbar.
Ein Buch, das ich sehr gerne gelesen habe und dass mich stückweit in eine Jugo-Nostalgie versetzt hat.
„Ich war in Deutschland geboren worden, ich lebte in Deutschland, ich hatte einen deutschen Pass, meine Eltern hatten Deutschland aufgebaut und sauber gemacht, und nun stand ich über tausend Kilometer von diesem Land entfernt am Sack meines Großvaters, der einen Hitlerbart trug.“
Zeljkos Eltern kommen aus Kroatien. Nach Deutschland eingewandert, müssen sie sich ihr Leben mit diversen Jobs finanzieren und hart erkämpfen. Der Vater ist Hausmeister und Bauarbeiter und die Mutter ist Putzkraft an verschiedenen Orten. Schon als Kinder sind Zeljko aka Jimmy und seine Schwester an Wochenenden mit den Eltern mit zur Arbeit gekommen. Einer dieser Orte ist auch das Haus von Professorin Gruber, Martha Gruber. Jimmy ist von Marthas Reichtum im Haus besessen, vor allem von der Bibliothek. Als sich Martha und Jimmy näherkommen, scheint da mehr als nur eine platonische Liebe zu sein.
Zwischen Martha und Jimmy liegen 40 Jahre unterschied. Feinfühlig und pointiert erzählt Martin Kordic nicht nur eine Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen verschiedenen Alters, sondern die Geschichte einer Gast- und Arbeiterfamilie, die Geschichte eines Klassenkampfes und einer Armut in Deutschland. Jimmys einzige Chance, um nicht mehr als Ausländer gesehen zu werden, ist Marthas Bibliothek. Die Sprache beherrschen, um gar nicht aufzufallen, das ist sein Ziel. Mit Martha öffnet sich nicht nur die Liebestür, sondern auch der Zugang zu Büchern, Bildung und Geld. Im Studium arbeitet Jimmy für einen charismatischen Professor namens Alex Donelli und lässt sich auf ihn ein. Auch die Geschichte Balkans bzw. Herzegowinas trifft einen sehr tief.
Ihr Mäuse, dieses Buch ist irgendwie der Wahnsinn. Klug und präzise schreibt Martin mit einer unglaublich tollen Sprachgewalt eine Geschichte mit vielen Facetten. Mich hat diese Coming-of-age Geschichte gefesselt und begeistert. Wie viel Macht und Kraft Kordic seinen Sätzen verleiht, fand ich sehr schön zu lesen. Ich kann euch diese Geschichte, dieses Schreiben, diesen Werdegang und Werdefall nur empfehlen. Lest oder hört es!
„Am liebsten kniete ich zwischen den Beinen anderer. Ich entwickelte eine wahre Sucht danach. Ich empfand es als zutiefst erfüllend. Der ganze Mensch war in diesem Moment so hilflos. Ich mochte es, wenn er gar nichts anderes mehr tun konnte, als einfach nur zu geben, mein Gehirn in einem dichten Nebel, das Bewusstsein immer schwerer.“
Ein Buch über ein Junge der in einem fremden Land auf der Suche nach sich selbst ist.
Željko, den aber aus Gründen der Vereinfachung alle Jimmy nennen, ist der Sohn von kroatischen Gastarbeitern in Deutschland.
Schon früh als Jugendlicher lernt er die viel ältere Martha kennen und es entwickelt sich eine Beziehung, welche teilweise durch Abhängigkeit geprägt wird und auch teilweise von toxischer Natur ist. Doch bleibt sie nicht seine einzige ungesunde Beziehung. Immer wieder versucht er mehr aus seinem Leben zu machen, verschlingt Bücher und arbeitet hart für eine bessere Zukunft. Doch für welchen Preis und ist es wirklich das, was er für seine Erfüllung braucht?
Die Geschichte hat mich sofort in seinen Bann gezogen und ich litt mi Željko mit und hoffte ständig, dass er bald sein Weg findet. Doch leider meinten es viele nicht gut mit ihm. Was ich schade fand war, dass die Sicht und Beweggründe von Martha bis zum Schluss nie so richtig erklärt wurden und offen blieb, ob Jimmy wirklich merkte, was mit ihm in all den Jahren passierte. So blieb es für mich teilweise auch etwas zu oberflächlich und ich hätte gerne mehr Einblicke gehabt. Aber trotz diesem kleinen Makel ist es für mich ein absolut empfehlenswertes Bucht🫶
Die Sprache des Buches ist empfehlenswert und auch das Thema der Migration in Deutschland wird eindrucksvoll in eine Liebesgeschichte eingebettet.
Ich finde, dass die Sprache des Buches sich mit dem Alter von Jimmy verändert hat. Anfänglich erzählt ein jugendlicher Migrant und später ein erwachsener Mann, der in seinem kurz dargestellten Leben Glück, Liebe, Erfolg und Misserfolg, Anerkennung und Ablehnung erfahren hat, ohne seine Wurzeln zu vergessen.
Lesenswert!
Identität und Wunsch werden mit wundervoller Sprache hinterfragt. Leider hat der große Sprung gefehlt, der das Buch hätte grandios werden lassen können. So oder so ein mehr als lesenswerter Roman.
"Auf die Frage, wer ich war, gab es keine leichte Antwort. Wenn ich aber selbst nicht sagen konnte, wer ich war, wie sollten andere mich dann als jemanden erkennen, mit dem ich einverstanden war."
Željko ist Kind bosnischer Einwanderer. Die Professorin Martha zeigt ihm eine neue Welt.
Kein einfaches Buch, kein gefälliges Buch, ein schwieriges Thema, eine Story, bei der ich hin-und hergerissen bin zwischen Faszination und Abscheu.
Željko muss sich finden und wird massiv von Martha dabei beeinflusst und dieser Einfluß ist nicht immer gut für ihn. Beide Charaktere sind sperrig und daher wirklich spannend, wobei Martha auch für mich als Leser stets fremd und unnahbar bleibt. Željkos Handeln kann ich nur teilweise nachvollziehen und das lässt mich wirklich intensiv über die Story nachdenken und daher wird das Buch sicherlich lange nachwirken. Spannend wie interessant man Charaktere und ihre Geschichte finden kann, auch wenn man sie nicht mag.
Auch der Schreibstil ist nicht leicht, das Buch liest sich mal nicht eben weg, was es aber auch wieder eindringlicher macht. Es geht ums Erwachsenwerden, um Identitätsfindung, um Einwanderung und Integration. Viele Themen, komplex verpackt, oft auch nur angedeutet und daher überdenkenswert.
Ein Buch, das im Gedächtsnis bleibt
Eine kluger interessanter Roman, der mich aufgrund einer gewissen Nüchternheit im Erzählstil und einer von mir empfundenen unterschwelligen Distanziertheit zwischen den Protagonisten emotional nicht packen konnte.
Jahre mit Martha*
Martin Kordić
„Mit jedem Buch, das ich las, fühlte es sich an, als würde ich mich weiter weglesen von meiner Herkunft, als könnte ich mich zu einem anderen Menschen lesen, mich so sehr mit Geschichten anfüllen, dass die eigene keine Rolle mehr spielte.“
Wieder einmal scheint es mir das beste zu sein ohne Erwartungen zu einem Roman zu greifen und sich überraschen zu lassen. Bei „Jahre mit Martha“ ist mir das gelungen - und wie.
Željko, der von allen »Jimmy« genannt wird, ist fünfzehn, als er Martha begegnet und sich in die deutlich ältere Professorin verliebt. Die Liebe zu Martha, ist sicherlich ein wichtiger und intensiv geschilderter Baustein dieses Buches, aber eben nur ein Baustein.
Das zentrale Thema dieses Buches war für mich die Identitätssuche Željkos, der als ehrgeiziger junger Mann sowohl nach seiner gesellschaftlichen, privaten als auch sexuellen Wirklichkeit zu suchen scheint. Dabei schafft es Kordič Diskriminierung, Hoffnungslosigkeit, Erfolg, Ehrgeiz, Liebe, Begehren, Hass, Annahme und Perspektiven so aufzuzeigen, dass für mich das Gefühl der größtmöglichen Unmittelbarkeit aufkam.
Željko ist so echt, so nahbar, dass mir sämtliche Themen wahnsinnig nah gekommen sind. Als ganz besonders empfinde ich es in diesem Zusammenhang auch , dass Kordić seinen Leser*innen zutraut selbst zu denken, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Er wertet nicht, sondern erzählt in einer Leichtigkeit und Neutralität, die mich einen völlig neuen Zugang zur Thematik finden ließ und meine Sichtweise sicherlich dauerhaft beeinflussen wird.
Eine ganz große Leseempfehlung.
5 von 5 Sternen
Für mich wieder ein Buchschatz. 🤩
Ich habe lange überlegt, ob ich dazu greifen möchte. Als ich das Buch dann aber in meiner Bücherei sah, habe ich es mitgenommen und nicht bereut.
Das Buch beginnt und endet mit Martha.
Für mich hat Kordić hier einen sehr feinen, gut durchdachten Text verfasst.
Martha ist eine eher schwierige Figur, die es dem/der Leser:in nicht leicht macht. Es wird nicht ganz klar, was genau sie mit ihrer “Beziehung“ zu Zeljko beabsichtigt.
Klar ist, dass sie dem 15 jährigen Jungen, dessen Eltern aus Bosnien- Herzegowina eingewandert sind, Türen in eine Welt voller Kultur und Bildung erschließt.
Doch nicht nur Martha ist ein Antrieb für ihn. Auch seine Wut darüber, dass er als Kind/ Jugendlicher spürt, dass es keine Chancengleichheit gibt. Dass Kinder mit Migrationsgeschichte immer mit einem Stigma behaftet sind, gegen Vorurteile kämpfen müssen und überhaupt immense Anstrengungen auf sich nehmen müssen, um gesellschaftlich aufzusteigen.
Den Gegenpol zu Martha stellt für mich der Charakter des Alex Donelli dar. Hier zeigt Kordić ganz klar, dass dieser den Protagonisten Zeljko ausbeutet und im späteren Verlauf auch wie eine heiße Kartoffel fallen lässt.
Martha hingegen hält über viele Jahre den Kontakt zu Zeljko.
Ich hatte anfangs extrem Probleme mit dem Verhältnis zwischen den Beiden. Schließlich ist Zeljko noch ein Teenager und Martha eine 40-jährige verheiratete Frau und Mutter.
Doch im späteren Verlauf mochte ich die zarten Bande, die die beiden in Kontakt hielten.
Die Briefe, die sie sich schrieben…. Bestehend aus jeweils nur einem Satz bzw. die Schachzüge, die sie sich auf Theaterkarten oder auch Restaurantrechnungen schickten, hatte für mich als Kommunikationsmittel etwas Besonderes. Manchmal war es gar nicht wichtig, was sich die beiden schrieben, sondern worauf…..
Für mich hat der Autor einen Text verfasst, mit sehr ernster Thematik aber mit zwei unheimlich gut durchdachten Charakteren, die zu Interpretationen und Spekulationen einladen. Die aber trotz alledem aber glasklar strukturelle, gesellschaftliche Probleme aufzeigt und den Finger genau in die Wunde legt.
Es macht Spaß, zwischen den Zeilen zu lesen und sich von dieser Geschichte einnehmen zu lassen.
Auch die Nebencharaktere waren so liebenswert und authentisch gezeichnet. Ich konnte mir gerade Zejlkos Familie unheimlich gut vorstellen. Vor allen Dingen, wie hart seine Eltern in Deutschland gearbeitet haben, um ihren drei Kindern ein besseres Leben ermöglichen zu können. Aber auch um die Familie, die in der Heimat zurückgeblieben ist, zusätzlich mit materiellen Dingen noch unterstützen zu können.
Für mich ein extrem herzerwärmendes Buch, dessen Charaktere auch Ecken und Kanten haben.
Von mir eine absolute Leseempfehlung ♥️.
Eine ungewöhnliche, aber sehr ergreifende Liebesgeschichte. Dazu kommt ein sehr authentischer Einblick in das Leben einer sogenannten Gastarbeiterfamilie, dessen nachfolgende Generationen ein ganz anderes Leben führen, aber trotzdem die Last weitertragen. Ein sehr empfehlenswerte Buch!
Darum geht es:
Zeljko, genannt Jimmy verliebt sich unsterblich, im Alter von fünfzehn Jahren, in die sehr viel ältere, gebildete Professorin Martha Gruber. Jimmys Mutter putzt bei der Professorin und der Heranwachsende hilft währenddessen bei Gartenarbeiten und Reparaturen. Eine zarte Verliebtheit nimmt seinen Lauf, denn Martha erwidert die Gefühle von Jimmy. Die reife, gebildete Frau verkörpert alles, wovon Jimmy träumt - kultiviert, klug und gute Einkünfte. Mit ihr kann er unbeschwert lachen. Jimmys Familie hat es dagegen nicht einfach, sie stammt aus Bosnien-Herzegowina. Sein Vater hat zwei Jobs, er ist Bauarbeiter und Hausmeister, seine Mutter hat mehrere Putzstellen. Zu fünft leben sie in einer kleinen 2-Zimmer-Wohnung.
Mein Leseeindruck:
Mich hat die Geschichte vom Einwandererkind gefesselt, tief berührt, teilweise wütend gemacht und nicht mehr losgelassen. Jimmy ringt mit seinen Wurzeln und sucht nach seinem Platz in der Gesellschaft. Diese Identitätssuche ist dem Autor Martin Kordic großartig gelungen. Der Autor skizziert seine Protagonisten realistisch, authentisch, ehrlich und vor allem menschlich. Sehr eindrücklich und scharfsinnig erfahren wir, was es bedeuten kann, ein Einwandererkind in Deutschland zu sein, Benachteiligungen in der Schule, in der Arbeitswelt und auch in der Freizeitgestaltung. Ich habe diesen klugen und anmutigen Roman sehr gerne gelesen. Man spürt zwischen Jimmy und Martha, dieses Band von Abhängigkeit, Bewunderung, Zuneigung und Vorbildfunktion.
Fazit:
5/5 ⭐️ Ein herausragender Roman voller Empathie über Abhängigkeit, Hierarchie und
Migration.
Vordergründig scheint es um eine Liebesgeschichte zwischen einem jüngeren Mann und einer sehr viel älteren Frau zu gehen. Im Hintergrund wird das Schubladen-Denken und das Klassensystem von Deutschland an den Pranger gestellt.
Željko, der von allen Jimmy genannt wird, ist fünfzehn, als er sich in Martha verliebt. Sie ist Professorin in Heidelberg, er lebt mit seinen Eltern und Geschwistern zu fünft in einer Zweizimmerwohnung in Ludwigshafen. Martha hat, was Željko sich sehnlichst wünscht: Bücher, Bildung und Souveränität. Mit Martha besucht er zum ersten Mal ein Theater, sie spricht mit ihm, wie sonst niemand mit ihm spricht. Mit Marthas Liebe wächst Željkos Welt. Doch welche Welt ist es, die er da betritt und wen lässt er dafür zurück? Wo verlaufen die Grenzen zwischen Begehren und Ausbeutung?
Man erfährt, wie Jimmy älter wird und dabei immer mehr Fuß fassen kann, sowohl in der akademischen Gesellschaft als auch in seinem Alltag. Allerdings stößt er trotz seiner hervorragenden Bildung immer wieder an Grenzen - an die Grenzen der deutschen Tolleranz der Gesellschaft.
In diesem wunderbaren Buch geht es nicht nur um die Liebe zwischen Zeljko und Martha, auch wenn ich persönlich ein sehr großer Fan dieser Liebesgeschichte bin 🫶🏻.
Vielmehr ist es gesellschaftskritisch und gibt Einblicke, wie es ist, als Einwanderer in Deutschland zu leben (und zu fühlen).
Über viele Jahre begleiten wir die persönliche Entwicklung von „Jimmy“. Seine Bindung zu Martha, sein Hadern mit seiner Herkunft und das Entfliehen aus derselben, die Rückkehr zu den Wurzeln und das damit verbundene Sich-Selbst-Finden.
Ich finde auch die sprachliche Gestaltung wirklich sehr gelungen. Man kann einfach nicht mehr aufhören zu lesen.
Mir hat dieses Buch wirklich gut gefallen, was vor allem am Schreibstil des Autors liegt. Er hat hier eine ganz zarte und ruhige Geschichte geschrieben, und mich hat seine Erzählweise sofort in ihren Bann gezogen. Für mich war dieses Buch wirklich ein Lesegenuss.
Es geht um den 15 jährigen Jimmy, der sich in die sehr viel ältere Professorin Martha verliebt, die seine Gefühle auch erwidert. Auch als Jimmy erwachsen wird und studiert, bricht ihr Kontakt nie ganz ab, und als er erwachsen ist, kommen sie sich wieder näher, bis er Martha sogar mitnimmt nach Bosnien, zur Beerdigung seines Opas. Doch dies Verändert ihre "Beziehung".
Dieses Buch ist nicht in erster Linie eine Liebesgeschichte. Es geht auch um Migration, um Gastarbeiterkinder in Deutschland, um unterschiedliche Welten, um Abhängigkeiten. Dabei verurteilt der Autor nie, er erzählt nur. Das mochte ich sehr.
Definitiv ein Buch, das ich weiterempfehlen möchte.
Keine klassische Liebesgeschichte, aber ein guter Roman.
📌 "Die Nähe entstand nicht durch die Dinge, die wir miteinander gemacht hatten, sondern im Miteinanderreden und in dem, was wir wegließen." (S. 134)
Als Zeljko/Jimmy Martha kennenlernt ist er noch sehr jung.
Ich finde es nachvollziehbar, dass er während des jugendlichen Hormonfluss' Interessen entwickelt, für die viel ältere, gutsituierte Deutsche, die ihm eine gänzlich andere Lebensweise aufzeigt, als die die er gewohnt ist, ihm als Migrantenkind aber erstrebenswert erscheint.
Eine richtige Liebesgeschichte war das Ganze für mich persönlich nicht, denn Martha hatte eher die romantisierte Funktion der Problemlöserin in allen (brenzligen) Lebenslagen und bot Zeljko die finanziellen und emotionale Grund- und Rücklagen, während seines "Fußfassens" und erwachsenwerdens.
Sprachlich habe ich es sehr gemocht und auch inhaltlich fand ich Zeljkos Geschichte und Entwicklung sehr interessant und bewegend. Die Bemühungen sich anzupassen und hier seinen Platz zu finden - dennoch verwurzelt in der Heimat.
Hat mir schlussendlich gut gefallen und am Ende hat es mir vielleicht eine klitzekleine Träne beschert, als mit dem abschließen seiner Entwicklung, ein Teil von ihm - das Kapitel Martha - beendet wurde.
Empfehlung.
Mit einem flotten Schreibstil wird eine Geschichte über das Finden der eigenen Identität erzählt. Wie kann man zu sich selbst finden, wenn man nirgendwo richtig dazugehört? Wenn man als Gastarbeiterkind in Deutschland lebt, wo rassistische Erfahrungen Alltag sind? Zu wem kann man unter solchen Bedingungen werden?
Auch wenn die ungewöhnliche Beziehung des Protagonisten zu Martha der rote Faden des Romans ist, so ist für mich das Verhältnis der beiden nicht der Schwepunkt des Romans .
Fast zu genial. Fast zu traurig. Fast zu großartig.
„Ich war in Deutschland geboren worden, ich lebte in Deutschland, ich hatte einen deutschen Pass, meine Eltern hatten Deutschland aufgebaut und sauber gemacht, und nun stand ich über tausend Kilometer von diesem Land entfernt am Sack meines Großvaters, der einen Hitlerbart trug.“
Zeljkos Eltern kommen aus Kroatien. Nach Deutschland eingewandert, müssen sie sich ihr Leben mit diversen Jobs finanzieren und hart erkämpfen. Der Vater ist Hausmeister und Bauarbeiter und die Mutter ist Putzkraft an verschiedenen Orten. Schon als Kinder sind Zeljko aka Jimmy und seine Schwester an Wochenenden mit den Eltern mit zur Arbeit gekommen. Einer dieser Orte ist auch das Haus von Professorin Gruber, Martha Gruber. Jimmy ist von Marthas Reichtum im Haus besessen, vor allem von der Bibliothek. Als sich Martha und Jimmy näherkommen, scheint da mehr als nur eine platonische Liebe zu sein.
Zwischen Martha und Jimmy liegen 40 Jahre unterschied. Feinfühlig und pointiert erzählt Martin Kordic nicht nur eine Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen verschiedenen Alters, sondern die Geschichte einer Gast- und Arbeiterfamilie, die Geschichte eines Klassenkampfes und einer Armut in Deutschland. Jimmys einzige Chance, um nicht mehr als Ausländer gesehen zu werden, ist Marthas Bibliothek. Die Sprache beherrschen, um gar nicht aufzufallen, das ist sein Ziel. Mit Martha öffnet sich nicht nur die Liebestür, sondern auch der Zugang zu Büchern, Bildung und Geld. Im Studium arbeitet Jimmy für einen charismatischen Professor namens Alex Donelli und lässt sich auf ihn ein. Auch die Geschichte Balkans bzw. Herzegowinas trifft einen sehr tief.
Ihr Mäuse, dieses Buch ist irgendwie der Wahnsinn. Klug und präzise schreibt Martin mit einer unglaublich tollen Sprachgewalt eine Geschichte mit vielen Facetten. Mich hat diese Coming-of-age Geschichte gefesselt und begeistert. Wie viel Macht und Kraft Kordic seinen Sätzen verleiht, fand ich sehr schön zu lesen. Ich kann euch diese Geschichte, dieses Schreiben, diesen Werdegang und Werdefall nur empfehlen. Lest oder hört es!
„Am liebsten kniete ich zwischen den Beinen anderer. Ich entwickelte eine wahre Sucht danach. Ich empfand es als zutiefst erfüllend. Der ganze Mensch war in diesem Moment so hilflos. Ich mochte es, wenn er gar nichts anderes mehr tun konnte, als einfach nur zu geben, mein Gehirn in einem dichten Nebel, das Bewusstsein immer schwerer.“
Eine wunderbare zarte Liebesgeschichte zwischen 2 Personen mit großem Altersunterschied. Ein toller Schreibstil, der mich nur so durch die Seiten durchfliegen ließ. Habe ich wirklich gerne gelesen!
Einfühlsam erzählt Martin Kordic in „Jahre mit Martha“ nicht nur die ungewöhnliche und berauschende Liebesgeschichte eines jungen Mannes und einer älteren Frau, nein, diese Geschichte ist so viel mehr als das: Feinfühlig und bedrückend lässt er in Nebensätzen immer wieder anklingen, wie es um Željkos soziale Herkunft bestellt ist, dass er von klein auf lernt, für seine Familie, seine Geschwister zu sorgen, selbstlos ist; wie er seiner Mutter beim Putzen zur Hand geht, für sich und seine Geschwister Zeitungen aus alten Containern sammelt; den reichen Kindern von nebenan zeigt, wie man „arm sein“ wirklich spielt. Dem gegenüber stehen Željkos Fluchtversuche aus der Armut, die geprägt sind vom Alters- und Klassenunterschied und deren Auswirkungen auf seine Beziehung zu Martha. Was folgt, ist ein ungleiches Machtverhältnis, das an Ausnutzung und Gefügigkeit grenzt. Doch Željko muss sich in immer wieder seinem Gegenüber kniend wiederfinden, geschlagen; Martha, die er vergöttert und ihm finanzielle Unabhängigkeit durch emotionale Abhängigkeit ermöglicht; seinem Dozenten Alex Donelli, dem Starprofessor, der ihn hintergeht und durch sein Licht für andere unnahbar macht.
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Es sind die immer wiederkehrenden Muster in Željkos Leben, die mürbe machen, ihn, das Kind einer bosnischen Einwanderer- und Arbeiterfamilie jedoch anspornen, denn er weiß, was er kann, er weiß, wer er ist und was er will. Und all das – seine zuversichtliche Einstellung allen Widrigkeiten zum Trotz, die Vorurteile und den Hass (let’s say it: Rassismus) deutscher Beamter mit Worten (und manchmal auch mit Fäusten) dementierend, seine Hartnäckigkeit – hält ihn am Leben. Er durchlebt eine unkonventionelle Heldenreise, fliegt hoch und stürzt tief, gerät auf die schiefe Bahn. Und er schreibt, schreibt und liest über und von der Liebe, von Hertha Kräftner, seiner Schutzpatronin – und landet sanft, als sich der Kreis und damit ein Kapitel seines Lebens schließt.
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Innerhalb weniger Seiten hat die Geschichte von Željko aka Jimmy mit seiner sanften Rauheit und der multithematischen Herangehensweise, die gleichermaßen als gesellschaftliches Psychogramm, als Coming of Age-, Liebes- und Bildungsgeschichte gelesen werden kann, mein Herz erobert. Ich habe gelacht und geweint, gelitten und gebangt – vor allem aber: geliebt. Was für ein grandioses Buch!
In diesem Buch geht es um einen sehr prägende Lebensweg und einer, zumindest zu Anfang, verbotenen Liebe.
Eine zutiefst bewegende Liebesgeschichte, die in vielen Facetten berührend ist.
Dem Buch wohnt eine Schönheit inne die verzaubert und ich finde der Klappentext bringt nicht ansatzweise rüber, was diese Geschichte bereit hält.
Liebe und Herkunft werden hier ausführlich dargelegt, aber nicht zu sehr romantisiert.
Außerdem geht es darum, wie stark eine Bindung zwischen zwei Menschen sein kann, obwohl sie ein großer Altersunterschied trennt. Selbst nach Jahren des nicht Sehens ist das Band zwischen Jimmy und Martha nie gerissen.
Ich konnte zwischen die Zeilen tauchen und habe diese Liebesgeschichte inklusive ihrer Botschaft von Herzen gern gelesen, mir aber schlussendlich mehr Seiten dazu gewünscht.
Martin Kordić hat mich positiv überrascht und gehört mit „Jahre mit Martha“ zu meinen tollen Neuentdeckungen in diesem Jahr.
Ein ungewöhnlich und ergreifendes Werk, was viel mehr als nur ein Liebesroman ist.
Zitat S. 71
„Zwischen unseren Körpern lagen Jahre.
Zwischen unseren Augen lag nichts.“
Happy reading!
Jasmin ♡
Ich bin so traurig dass das Buch zu Ende ist. Ein wundervoller Text, der mich zum lachen und zum weinen gebracht hat. Željko, der sich Jimmy nennt, Ist Kind kroatischer Eltern aus der Herzegowina die in Ludwigshafen ein Teil der deutschen Gesellschaft sein möchten, und trotzdem ihre Identität behalten haben. Jimmy lernt die viel ältere Martha kennen und es entsteht zwischen beiden eine Beziehung. Freundschaft, Liebesbeziehung, oder Abhängigkeit? Das muss jeder Leser selber für sich einordnen. Für mich schwingt in dieser Beziehung tiefe Verbundenheit mit und ich wäre durchaus damit einverstanden es Liebe zu nennen. Wir erfahren die Ups and Downs von Jimmys Werdegang. Ich habe mit ihm gelitten. Die Sprache Martin Kordićs hat sich tief in mein Herz eingegraben. Die Beschreibung seines Elternhauses und der kroatischen community ist so intensiv und ehrlich, ich habe mich darin sehr wieder gefunden, nicht zuletzt in den Schlüssen die er daraus zieht. Einen Satz hab ich mir aufgeschrieben und ich muss ihn mir immer wieder anschauen „…erst jetzt, wo ich mich von allem löste, von allem lossagte, sollte ich am Anfang der zufriedensten Zeit meines Lebens stehen“. So ist es mir auch gegangen!Hvala für diesen Satz und auch andere schöne Episoden aus dem kroatisch/herzegowinischen Gastarbeiterleben. Und für die tiefen Gefühle die ich mit Jimmy und Martha teilen durfte. Definitiv ein Jahres Highlight