Bin null reingekommen und habe ewig für die zweihundert Seiten gebraucht. Wer sich für den Gerichtsprozess um NSU- Mitglied Beate Zschäpe und ihre mutmaßlichen Unterstützer interessiert- " Laufende Verfahren" setzt viel Wissen über die Morde der beiden Uwes und die Geschehnisse bei Gericht voraus. Mir war der Schreibstil zu aufgesetzt und intellektuell abgehoben, ehrlich gesagt. Viel nebulöses Gerede und Empfinden, endloses Beschreiben, wenig echte Momente aus dem Gerichtsalltag. Die Aussagen der Eltern von Uwe Mundlos und deren zwiegespaltenes Ankommen beim " Wir" des Buches fand ich noch am eindrücklichsten. Aber auch nur, weil ich anderweitig schon viel darüber gelesen habe.
5 Jahre NSU-Prozess in Deutschland. Kathrin Röggla saß an fast allen Tagen im Publikum zusammen mit anderen ihr vorher fremden Menschen und nimmt uns durch die "Wir"- Form mit auf die Zuschauerplätze, teilt ihre Beobachtungen und ihre Personenbeschreibungen mit uns, ihr Entsetzen, ihre Enttäuschung, selbst ihre Langeweile an Prozesstagen, an denen kaum etwas nennenswertes passiert. Der Stil, den sie dafür gewählt hat, ist außergewöhnlich und gefällt mir sehr gut, wir erfahren auch viel über Prozessverlauf und - Ende, über die Stimmung drinnen und draußen. Die Kritik, dass die Opfer selbst nicht stärker im Fokus des Romans stehen, teile ich. Auf welcher Seite die Autorin steht, macht sie allerdings dennoch deutlich. Ich fand es sehr lesenswert.

Der NSU Prozess aus Sicht von Beobachter*innen, einem undefinierten „Wir“. Für mich als Anwältin war die in dem Buch eingenommene Beobachtendenperspektive sehr spannend. Sprachlich ist das Buch mit dem Kollektiv an Beobachtenden vermulich nichts für Alle. Mir hat es gefallen.