
Langsamer Einstieg bevor richtig aufs Gas getreten wird
In Die gute Seele erzählt John Marrs die Geschichte von Laura, einer scheinbar hilfsbereiten Frau, die sich bei einer Telefonseelsorge engagiert – jedoch mit tödlichen Absichten. Der Klappentext verrät bereits, dass Laura ihre Anrufer nicht retten, sondern in den Selbstmord treiben will. Genau dieser frühe Spoiler nimmt dem ersten Teil des Romans viel Spannung. Der Einstieg in die Geschichte erfolgt ausschließlich aus Lauras Perspektive. Ihre Denkweise ist zweifellos verstörend, doch gerade weil der Leser von Anfang an weiß, was sie tut, fehlt es an Überraschungen oder Wendungen. Statt Spannung baut sich eher ein beklemmendes Gefühl auf, allerdings ohne den Sog, den man von einem Psychothriller erwartet. Laura bleibt als Figur zudem schwer greifbar und fast unsympathisch auf eine uninteressante Weise. Erst nach 140 Seiten erfolgt der Perspektivenwechsel zu Ryan und damit beginnt der eigentliche Thriller. Ab diesem Moment nimmt die Geschichte Fahrt auf, wird emotionaler und spannender. Die Handlung entwickelt sich zu einem fesselnden Katz-und-Maus-Spiel, das bis zum Schluss mitreißt. Fazit: Die gute Seele ist ein Roman mit zwei Gesichtern: Einem recht zähen und spannungsarmen ersten Teil und deutlich packenderen weiteren. Wer den Anfang durchhält, wird mit einem intensiven Psychothriller belohnt, doch der späte Einstieg ins echte Geschehen könnte viele Leser vorher schon verlieren.