Ein Klassiker, der mich leider nicht erreicht hat
‚Jane Eyre‘ ist das Hauptwerk der jung verstorbenen Charlotte Brontë, erschienen im Jahr 1847. Es beschreibt, in Ich-Form geschrieben, die Lebensgeschichte der jungen Gouvernante Jane, deren Weg von Anfang an von Mühsal und Leid geprägt ist. Doch Jane kämpft sich mit Intelligenz und - leider auch viel zu viel - Gottvertrauen durch alle Widrigkeiten, bis sie am Schluß ihr Glück mit ihrer großen Liebe findet. Dieser Roman, im Grunde ein ganz normaler Gouvernantenroman, im viktorianischen Zeitalter ein äußerst beliebtes Genre, erfreut sich ja ungebrochener Beliebtheit, gerade auch wieder sehr bei den Twentysomethings. Immer mal wieder begonnen, habe ich mich in den letzten Wochen diesem Werk im Ganzen gewidmet und kann diese Faszination und Begeisterung nicht so wirklich nachvollziehen. Der erste Teil war noch ganz kurzweilig, Jane ist pfiffig, intelligent und nicht so leicht zu brechen und auch die Geschehnisse auf Thornfield Hall haben ja durchaus Unterhaltungswert, wenn es auch schwerfällt, Janes Begeisterung für Rochester nachzuvollziehen. Aber gut, wo die Liebe hinfällt … Außerdem beschreibt Brontë sehr anschaulich und mit Liebe zum Detail, seien es nun Menschen, Kleider oder die Natur. Hier erkennt man wirklich gut ihr schriftstellerisches Talent. Dann kommt aber der erste quasi herbeigezauberte Zufall und die Geschichte driftet in eine langatmige, religiös-moralische Abhandlung ab, die Charlotte Brontë sich bemüßigt fühlte, ihrer vorwiegend weiblichen Leserschaft zu halten. Vermutlich, damit wir alle gute, gottesfürchtige, in Tugend und Moral standhafte Damen bleiben. Und um uns noch richtig zu züchtigen, gibt es noch die Erkenntnisse eines bigotten christlich-fundamentalen Missionars obendrauf. Toll. Und weil Jane so moralisch einwandfrei handelt und denkt und immer darauf vertraut dass Gott schon alles richtet - ja, warum auch selber den Hintern hochbekommen? - wird sie nicht nur mit einer Erbschaft beschenkt (wie praktisch) sondern Rochester wird auch noch Witwer (auch sehr praktisch) und verliert Hand und Augenlicht und ist somit von Jane abhängig (was auch nicht unpraktisch ist). Ich, für mich, bin sehr froh, dass mein Anspruch an ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben als Frau weit, sehr weit, über gottesfürchtige Demut und Leidensfähigkeit hinausgeht und kann somit die von vielen angepriesene Vorbildfunktion und Stärke Janes für ein Leben im 21. Jarhundert nicht erkennen. Auch der große Abschnitt, der mehr einem religiösen Traktat gleicht, ist mittlerweile völlig aus der Zeit gefallen und hatte für mich nicht den geringsten Mehrwert.