Damit hab ich nicht gerechnet… ✨✨✨✨✨
Inhalt: Das Leben von Lena und ihren Kindern gleicht einem Alptraum. Sie werden in einer kleinen Hütte festgehalten, in der strenge Regeln und Abläufe herrschen: wann sie essen, wann sie schlafen, wann sie zur Toilette gehen. Fensterlos. Abgeschieden. Doch eines Tages können sie der Hütte und ihrem Entführer, der bis dahin ihr Leben bestimmt hat, entkommen. Nach und nach wird aufgedeckt, was in der Hütte wirklich geschehen ist und das übersteigt jegliche Vorstellung von Grausamkeit. Charaktere: Als Leser*innen erleben wir die Geschichte in der Ich-Perspektive von vier zentralen Figuren: Hannah, Matthias, Jasmin und Lena. Auf die einzelnen Figuren kann ich hier nur bedingt eingehen, da ich sonst zu viel vorwegnehmen würde, daher lasse ich Lena und Jasmin mal außen vor. Hannah ist als Lenas Tochter in der Hütte aufgewachsen und kennt kein anderes Leben als dieses. All ihr Wissen speist sich aus dem, was ihre Mutter und vor allem ihr Vater als starke Autoritätsperson ihr beigebracht haben. Sie folgt ihnen bedingungslos und tut immer genau das, was sie sagen. Sie wirkt wesentlich jünger als dreizehn, was ihre Entwicklungsdefizite aufgrund der Gefangenschaft sehr gut zum Ausdruck bringt. Durch ihre Augen werden grausame Taten in kindlicher Naivität beschrieben. Für Matthias, Lenas Vater und Hannahs Großvater, war Lena immer sein größter Schatz. Sie zu verlieren und nicht zu wissen, was mit ihr passiert ist, hat ihn zerstört. Er ist verzweifelt und agiert oft impulsiv und aus dem Bauch heraus, was aus meiner Sicht absolut verständlich in dieser Ausnahmesituation ist. Die Charaktere wirken allesamt sehr authentisch und habe ihre ganz individuelle Erzählstimme. Das fällt vor allen in den Kapiteln, die aus Hannahs Sicht geschrieben sind, auf. Auch, wenn es nicht immer einfach ist, Hannahs Erzählungen und ihrer Sicht auf die Dinge zu folgen, an dieser Stelle ein ganz, ganz großes Lob an die Autorin. In meinen Augen ein Paradebeispiel dafür, dass der Charakter einer Figur allein durch seine Sprache sehr gut herausgestellt werden kann. Schreibstil: Die von Romy Hausmann erschaffene Geschichte, ist meiner Meinung nach von der ersten Seite bis zum Schluss durchweg spannend geschrieben. Ich wollte zu jedem Zeitpunkt wissen, wie es weitergeht. Vom Schreibstil her, haben mich einige Passagen ein wenig an die kurze und prägnante Erzählweise von Bernhard Aichner erinnert, was ich in den Momenten aber auch passend fand und so lange Erklärungen ausgeblieben sind, der Inhalt aber dennoch klar war. Im Laufe der Geschichte kommen viele Fragen auf, die zum Schluss zwar weitestgehend, jedoch nicht vollständig aufgelöst werden – auch, wenn man sich vieles erschließen kann. Da hätte ich mir ein wenig mehr Klarheit gewünscht. Das besondere Etwas: Schon bei der Einteilung der Leseabschnitte für unseren Buddyread, ist mir aufgefallen, dass es keine „klassischen“ Kapitel gibt. Vielmehr reihen sich die unterschiedlichen Perspektiven aneinander, was formal gesehen für mich hier definitiv etwas Besonderes ist. Außerdem möchte ich als besonderes Merkmal hier nochmal die wunderbar herausgearbeiteten Erzählstimmen betonen. Fazit: Ein spannender, sehr gut geschriebener Thriller, der in tiefe Abgründe blicken lässt. Triggerwarnung: sexueller Missbrauch, Kindesmisshandlung. Das Buch ist, obwohl es nicht direkt viele blutrünstige Szenen gibt, aus meiner Sicht auf jeden Fall nichts für schwache Nerven. Die Kapitel aus Hannahs Sicht beschreiben Gewalttaten und psychische wie körperliche Misshandlungen mit einer kindlichen Naivität und Selbstverständlichkeit, dass ich an einigen Stellen wirklich schlucken musste. Mich hat das Buch vollends überzeugt. Auch wenn zum Schluss hin einige Fragen offengeblieben sind, ist das Thriller-Debüt von Romy Hausmann für mich ein klares Jahreshighlight. Ein starker Schreibstil, eine fesselnde und grausame Story.