
Für Fans von düsterer Fantasy mit spiritueller Tiefe, die Atmosphäre über Plot stellen 🖤 Empfohlen für Leser*innen, die sich gerne in gotisch-magischen Welten verlieren – aber keine große Charakterentwicklung erwarten
Was, wenn alles, woran du geglaubt hast, sich als Lüge entpuppt? Wenn deine Welt, deine Wahrheit, deine Götter plötzlich zu bröckeln beginnen — was bleibt dann von dir übrig? Diese Frage zieht sich wie ein dunkler Faden durch Rachel Gilligs neues Werk The Knight and the Moth, einem Fantasyroman, der in einem mittelalterlich-gothischen Universum spielt und Themen wie Glaube, Selbstbestimmung und Wahrheit tiefgründig verwebt. Schon vor dem Erscheinen war dieses Buch für mich eines der meisterwarteten Highlights 2025. Nach der grandiosen Dilogie The Shepherd King, die ich geliebt habe, war die Vorfreude riesig. Und spätestens beim Anblick dieses Covers – eine kunstvolle Verschmelzung aus Symbolik, Schatten und Magie – war klar: dieses Buch sollte etwas ganz Besonderes werden. Worum geht’s? Im Zentrum steht Sybil “Six” Delling, eine von sechs sogenannten Divinerinnen, die in einem abgeschotteten religiösen Orden lebt. Sie sind Auserwählte, deren Körper und Geist in einem heiligen Ritual mit Visionen durchflutet werden – Omen, die die Zukunft voraussagen. Doch kurz vor Ende ihrer zehnjährigen Dienstzeit misslingt ein Ritual, bei dem niemand Geringeres als der junge König Benedict anwesend ist – und kurz darauf verschwinden mehrere ihrer Schwestern spurlos. Zusammen mit dem zynischen, gottlosen Ritter Roderick “Rory” Myndacious – ein Mann, der genauso widersprüchlich ist wie sein Name lang – begibt sich Sybil auf eine Reise quer durchs Königreich. Es ist eine Suche nach Wahrheit, nach den verschwundenen Frauen, nach den Ursprüngen der Magie – und vor allem nach sich selbst. Dabei treffen sie auf sprechende Gargoyles, spirituelle Sprites, verrottete Kathedralen und eine Welt, in der Glaube Macht bedeutet – und Visionen gefährlicher sind als Schwerter. Was mir gefallen hat: Bereits nach wenigen Seiten war ich wieder komplett eingenommen vom Setting. Rachel Gillig hat diesen düsteren, gotischen Vibe, den ich aus ihren vorherigen Werken so geliebt habe, perfekt eingefangen. Alles ist durchtränkt von Mystik: ein dunkles Königreich voller Omen, Götter und geheimer Riten. Der Ritualakt der Divinerinnen – wie sie in tranceähnlichen Zuständen durch den heiligen Taufstein gleiten – war so visuell, so einzigartig, dass ich es förmlich gespürt habe. Auch die Themen treffen tief: • Glaube vs. Zweifel • Schuld und Vergebung • Selbstbestimmung versus göttlich legitimierte Kontrolle • Wahrheit als manipulierbare Macht Und trotzdem … So sehr ich dieses Buch lieben wollte, so sehr war ich am Ende enttäuscht. Und das tut weh. Denn das Potenzial war riesig – die Idee, das Worldbuilding, das Magiesystem … Alles war da. Aber es blieb oft zu oberflächlich. In weniger als 400 Seiten wurde so vieles zu schnell abgehandelt, dass ich als Leserin kaum Gelegenheit hatte, richtig einzutauchen. Auch bei den Charakteren blieb der Funke aus. Sybil war mir anfangs noch sehr sympathisch – klug, sensibel, stark. Aber ihre Entwicklung verlor sich im Plot. Rory, der anfangs wie ein arroganter Zyniker wirkt, wurde im Verlauf vielschichtiger, überraschend verletzlich – eigentlich toll, aber: Die Beziehung zwischen den beiden? Für mich leider überhaupt nicht greifbar. Die Rollenvertauschung (sie stark, er sanft) war spannend, aber die Liebesgeschichte kam so plötzlich, so emotionslos abrupt, dass ich nicht mal wusste, woher die Gefühle eigentlich kamen. Nebencharaktere wie die anderen Divinerinnen oder König Benedict – blieben für mich blass und austauschbar. Auch die Story selbst bot wenig Überraschungen. Nichts, das mich wirklich aus der Bahn geworfen hat. Mein Fazit: The Knight and the Moth ist ein Buch, das auf dem Papier alles hatte, was ich liebe: eine düstere Welt, spirituelle Magie, tiefgründige Themen. Aber der Zauber hat mich leider nicht vollends erreicht. Rachel Gilligs atmosphärischer Stil, ihre Bildgewalt und ihre Fähigkeit, eine einzigartige Stimmung zu schaffen – all das ist da. Aber leider bleibt vieles zu unausgereift, zu hastig. Ich bin traurig, dass ich es nicht lieben konnte – aber ich freue mich für jede*n, der es tut. Denn dieses Buch wird seine Leserschaft finden. Nur ich gehöre diesmal leider nicht dazu.