Princeton, New Jersey, 1905: Während Woodrow Wilson, der Rektor der Elite-Uni, sich mit seinem Stellvertreter bekriegt, geschehen in dem Ort eigenartige Dinge. Es gibt einen Lynchmord, dann wird ein Kind ermordet und ein seltsamer Südstaatler dringt in die gesellschaftliche Elite des Ortes ein. Mit der Hochzeit von Annabel Slade, der Enkeltochter des betagten und angesehenen ehemaligen Universitätsrektors Winslow Slade, mit einem Sprössling einer weiteren angesehenen Familie, steht außerdem ein gesellschaftliches Großereignis an. Und spätestens am Tag dieser Hochzeit steht fest: Princeton wird von einem Fluch heimgesucht. Was soll ich zu diesem Buch sagen. Zunächst einmal ist das Buch etwas ganz anderes, als die Inhaltsbeschreibung erwarten lässt. Ich hatte es ursprünglich als Gruselbuch für Halloween besorgt, aber gruselig ist das Buch kaum. Ja, es ist eine Gothic Novel, aber die übersinnlichen Elemente sind eher grotesk als gruselig, sie haben etwas Expressionistisches. Außerdem stehen sie in dem Roman eher an untergeordneter Stelle, sie dienen vielmehr als Rahmen für die Diskussion mehrerer gesellschaftlicher Themen, und zwar Rassismus, Feminismus und Sozialismus. Mehrere herausragende Persönlichkeiten der damaligen Zeit treten in dem Buch auf – Woodrow Wilson, Upton Sinclair, Grover Cleveland, Jack London, Mark Twain – und keiner von ihnen kommt dabei gut weg, am ehesten noch der aufrichtige Sozialist Upton Sinclair. Ich weiß nicht, mit welchen Quellen Joyce Carol Oates gearbeitet hat, aber zumindest die äußerst negative Darstellung von Jack London scheint mir nach etwas Internetrecherche überzogen. Aber um hierzu mehr sagen zu können, bedürfte es weiterer Recherche. Vor allem die Scheinheiligkeit der gesellschaftlichen Elite gegenüber Themen wie Rassismus und Frauenrechten stellt Joyce Carol Oates heraus. Ein Beispiel hierfür sind die Gedankengänge Woodrow Wilsons in dem Buch: “So long as Negroes – darkies, as they were more fondly called, in Woodrow’s childhood – knew their place, and were not derelict as servants and workers, Dr. Wilson had very little prejudice against them, in most respects.” (Seite 18/19). Sicherlich ist dies es ein interessanter Ansatz, Gesellschaftskritik mit einer Gothic Novel zu verknüpfen, doch was Joyce Carol Oates daraus macht, ist leider weniger spannend als nervtötend. Denn es gibt keine gute Kohäsion zwischen den Kapiteln des Buchs, Oates erzählt mal hier, mal da, und verliert sich dabei in ellenlangen Abschweifungen, die von der grundlegenden Geschichte unabhängig sind und den Leser in zunehmendem Maße irritieren. Geschuldet ist dies teilweise natürlich auch der gewählten Erzählperspektive, denn Oates’ Erzähler ist ein Historiker, der die Geschichte des “Fluchs” von Princeton anhand seiner verschiedenen Quellen schildert und dabei häufig Kapitel als Zwischenbemerkungen einfügt. Diese “Abschweifungen” mögen der Charakterisierung der jeweiligen Person dienen, beeinträchtigen jedoch den Lesefluss und stellen die Geduld des Lesers auf die Probe. Sprachlich habe ich an dem Buch nichts auszusetzen, dass Joyce Carol Oates schreiben kann, ist offensichtlich. Der Schluss des Buchs ist erneut expressionistischer, grotesker Natur und die sich ergebende Schlussfolgerung eine eindeutige Religionskritik. Ich muss abschließend feststellen, dass ich die Motivation hinter dem Buch anerkenne, jedoch möchte ich ein Buch nicht nur lesen, um es hinterher analysieren zu können oder zu müssen. Ein Buch muss mir schon auch einen gewissen Genuss bieten, und der ist mir aufgrund er oben geschilderten Aspekte mit zunehmendem Lesefortschritt gänzlich abhanden gekommen. Das Buch ist vieles, ein Lesevergnügen war es für mich nicht.
28. Sept. 2022
Oates, J: The Accursedvon Joyce Carol OatesHarper Collins Publ. UK