Schweiz-Pfalz-Pennsylvania

Schweiz-Pfalz-Pennsylvania

Hardcover

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Beschreibung

Das Buch dokumentiert aus historischer und volkskundlicher Sicht die friedliche Kolonisation eines nahezu entvölkerten Landes – die Pfalz – in der Zeit nach dem 30-jährigen Krieg. Die Kolonisatoren sind Mennoniten und Reformierte aus der Schweiz, die in der Folge auch in Irland und in Pennsylvania erfolgreiche Kolonisationsunternehmen begründen. Aufgrund ihrer überlegenen Kultur in allen Bereichen des menschlichen Lebens und Wirtschaftens formen sie in ihren jeweiligen Zielländern eine neue Gesellschaft nach ihrem Glauben und nach ihren in der Alpenheimat bewährten kulturellen Mustern. Bei der Wahl des neuen Siedlungsortes und der Siedlungsform (Streu- und Höhensiedlung) kommen religiöse Vorstellungen wie die bewusste Absonderung von der Welt zur Vermeidung gefährdender Einflüsse, aber auch wirtschaftliche Erfahrungen zum Tragen. Gemäß Genesis 2,15 gehört es zur Berufung des Menschen, die Erde zu behüten und zu bebauen. Die Bestellung des Ackers – verbunden mit harter körperlicher Arbeit – ist der beste Weg zu einem gottgefälligen Leben im Kreise der Großfamilie. Der Acker bzw. die landwirtschaftliche Arbeit erhält somit eine geistige Bedeutung, die eine Veränderung immer auch zu einer religiösen Frage werden lässt. Die Mennoniten sind Agrarpioniere und die unter ihren Pflug genommenen Landschaften in der Pfalz, in Irland und Pennsylvania werden zu Musterländern durch die Einführung neuer landwirtschaftlicher Kulturen, Geräte und Methoden: Sie sind stets die ersten, die Flachs und Hanf, Dick- oder Runkelrüben anbauen, die in Europa neue Kultur der Kartoffeln nutzen, eine künstliche „Wechselwiese“ mit Wicken, Esparsette, Klee und Luzerne anlegen, eine moderne, technisch aufwendige Wiesenwässerung praktizieren. Ackerbau und Viehzucht gehen Hand in Hand: Je mehr Futter – je mehr Vieh, je mehr Vieh – je mehr Dung, je mehr Dung – je größer der Ertrag der Äcker! lautet ihre ökonomische Grundregel, die auf der realen, praktischen Erfahrung beruht, dass die Wiese „die Mutter des Ackers“ ist. Durch eine konsequente Stallhaltung des Viehs können Felder und Wiesen erstmals planmäßig mit Jauche und Stallmist versorgt werden. Als Viehzüchter nutzen sie die aus ihrer Heimat bewährten Rassen (Simmentaler Höhenvieh, Saaner Ziege). Eine fortschrittliche Milchwirtschaft bringt eine neue Art von Käse hervor: Hartkäse. Fleiß und Tüchtigkeit gehören zu ihrem psychologischen Marschgepäck. Die kulturellen Hervorbringungen der Refomierten/Mennoniten/Amische sind stets religiös motiviert, jedoch kommen damit zugleich soziale und ökonomische Vorstellungen zur Entfaltung. Dies zeigt sich beispielsweise im Nahrungserwerb, bei der Kleidung (Leinen, Holzschuhe), im Hausbau (Großeltern-/Vorbehaltshaus), im bevorzugten Weberhandwerk als (Neben-)Beruf. Ihr protestantisch-calvinistischer Glaube und ihr Arbeitsethos begünstigen einen weltlichen Wohlstand. Doch sie streben ihn nicht um seiner selbst willen an, sondern um der Gemeinschaft Christi und um Gottes Willen. Als Ackerbauern und zugleich Viehzüchter errichten sie das beiden Ansprüchen genügende Einfirsthaus, das später im 18. Jahrhundert zum standardmäßigen Kolonistenhaus der „Pfälzer“ Auswanderer nach Ost und West wird. Ihre bevorzugte geschlossene Vererbung aufgrund des Anerbenrechts (Primogenitur) hat zu einer besonderen Häusergruppe u.a. auf der Sickinger Höhe geführt. Ein Generationen übergreifendes Denken (Großeltern-/Vorbehaltshaus) und eine im sozialen und ökonomischen Sinne nachhaltige Lebenspraxis (Wetterschutz/Schindelhäuser, Rampenscheune) sind handlungsorientierte Leitvorstellungen. Haus und Hof, ihren gesamten Besitz, stellen sie unter eine spirituelle Schutzhülle mit Hilfe allerlei volksmagischer Zeichen (Andreaszeichen, Raute, Hexen- und Sternzeichen). Der christliche Glaube allein scheint nicht ausreichend für eine gesicherte Daseinsvorsorge und bedarf der Ergänzung durch praktizierte Vorstellungen des Aberglaubens (Elwetrittsche, Haus- und Stallsegen) und der Wetter- und Ernteorakel. In allen ihren Zielländern wie Pfalz, Irland und Pennsylvania bewahrt die soziale Gruppe ihr eigenes, identisches Kulturprofil. Dabei erweisen sich die Religionszugehörigkeit und die Bevorzugung bestimmter Heiratsstrategien als bestimmende Integrationsfaktoren. Die eigentliche Rolle der Pfalz in der Kulturgeschichte Mitteleuropas zeigt sich lediglich darin, dass sie Brückenkopf und Drehscheibe eines mächtigen Stromes und Austauschs von Menschen, Dingen und Ideen war. Die ab 1650 einsetzende mitteleuropäische Massenmigration, wie sie sich in der modernen Geschichte Europas bis dahin noch nicht ereignet hatte, wird mit ihren fundamentalen sozialen, wirtschaftlichen und gesamtkulturellen Folgen durch eine Inventarisation vergleichbarer volkskundlicher Sachverhalte in der Schweiz, der Pfalz und in Pennsylvania erfahrbar gemacht. Die ausgelöste Kulturströmung verlief am Oberrhein von Süden nach Norden in alles noch Bestehende einebnenden Wellen, die überall gleiche kulturelle Muster entsprechend dem Kulturprofil ihrer Träger hervorbrachten. In der rückblickenden Zusammenschau ergibt sich der Eindruck einer einzigartigen oberrheinischen Kulturrevolution, die ein vollkommen neues Denken, Handeln und Wirtschaften mit sich brachte. Sachstand ist: Die Pfälzer sind im 21. Jahrhundert aktuell dabei, die letzten Reste der überlieferten materiellen Kultur, der Sitten und Gewohnheiten der Schweizer Urahnen aufzugeben wie beispielsweise das Tragen von Holzschuhen, den Verzehr des Straubengebäcks, die Aufführung der Narrenspiele des Pfingstquack und des Hansel Fingerhut, die Verkleidung von Häusern mit Holzschindeln – nur noch die alte Schweizer Kuh in Gestalt des palatinisierten Glanrindes wird wohl noch zu retten sein, weil sein fein marmoriertes Fleisch so gut schmeckt … Erstmals in der Mundartforschung werden Alemannismen im Pfälzischen des 18. Jahrhunderts nachgewiesen, die eine Form der „Zweisprachigkeit“ belegen. Spuren des Schwiizer Dütsch aus der Kolonialzeit können auch in Irland und Pennsylvania aufgezeigt werden. Das Buch korrigiert falsche Vorstellungen der bisherigen Geschichts- und Einwanderungsforschung wie „Palatines“ = „Pfälzer“ und erweitert zugleich die traditionellen Vorstellungen von der „Pfalz“ um eine kulturale Dimension: im ethnokulturellen Prozess der Pfalzwerdung haben die alpin-schweizerischen Kulturelemente konstitutiven Charakter.
Haupt-Genre
Fachbücher
Sub-Genre
Gesellschaft & Sozialwissenschaften
Format
Hardcover
Seitenzahl
275
Preis
75.00 €