Ich stelle mich schlafend

Ich stelle mich schlafend

Taschenbuch
3.45

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Beschreibung

Ich stelle mich schlafenderzählt von männlicher Gewalt gegen Frauen – und die Geschichte einer Befreiung.

Das Haus, in dem Yasemin bis vor kurzem gelebt hat, steht nicht mehr. Von der Wohnung, die sie zuletzt mit ihrem Freund Vito geteilt hat, sind nur Erinnerungen übrig. Die Geschichte der beiden reicht bis in ihre Jugend zurück: Beide wachsen im selben Hochhauskomplex auf, und Yasemin verliebt sich mit dreizehn in den drei Jahre älteren Nachbarn. Ein Sanatoriumsaufenthalt zur Behandlung ihrer Skoliose wird zum Ort mystischer Erfahrungen. Danach geht Yasemin zu Vito auf Distanz. Zu fremd ist ihr der eigene Körper, der nun von einem Korsett gestützt werden muss. Erst zwanzig Jahre später, als die mühsam aufgerichtete Wirbelsäule droht sich wieder zu stauchen, begegnen sie sich erneut. Yasemin hält dieses späte Aufflammen der Jugendliebe für Schicksal. Aber dann zeigt Vito sein Inneres, das bedrohlich ist und leer.

Haupt-Genre
Romane
Sub-Genre
Zeitgenössische Romane
Format
Taschenbuch
Seitenzahl
248
Preis
14.40 €

Autorenbeschreibung

Deniz Ohde, geboren 1988 in Frankfurt am Main, studierte Germanistik in Leipzig, wo sie heute auch lebt. Für ihren Debütroman Streulicht, der 2020 auf der SPIEGEL-Bestsellerliste und auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stand, wurde sie mit dem Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung und dem aspekte-Literaturpreis ausgezeichnet.

Beiträge

5
Alle
4

TW: Physische und psychische Gewalt, Femizid Es ist ein starker Text. Viele der Beschreibungen und Gedanken gingen unter die Haut, wie ich es selten wahrnehme. Manches kam mir schmerzlich bekannt vor.

4

Vis compulsiva

Der Klappentext verrät, dass dieser Roman von den dunklen Seiten einer Liebe erzählt. Das geschieht eindrücklich. Wo beginnt Gewalt an Frauen? Fängt es an mit der Angst, die Frauen empfinden, wenn sie allein im Dunkeln nach Hause laufen? Ist es die Angst "nein" zu sagen, wenn sie etwas nicht möchte? Ja .... ... und wie endet sie? Mit einen Femizid? Die Angst der Protagonistin ist spürbar. Die Sprache des Buches ist sehr eindringlich. Ich habe leider etwas gebraucht um reinzukommen und den Lesefluss zu finden. Aber je länger ich über das Werk nachdenke, desto kräftiger werden seine Aussagen.

4

Auch der zweite Roman der Autorin ist einen Blick wert.

Deniz Ohde - ,,Ich stelle mich schlafend " Im zweiten Roman von Deniz Ohde begleiten wir Yasemin. Zu Beginn stehen wir mit ihr vor ihrem ehemaligen Wohnhaus, das nun abgerissen wird. Für sie ein Anlass, um auf ihre Vergangenheit zurückzuschauen. Yasemin wächst in unmittelbarer Nähe ihres Wohnhauses, in einem Hochhauskomplex mit ihren Eltern auf. Dort lernt die 13-jährige den 3 Jahre älteren Vito kennen. Es ist ihre erste große Liebe, die sie noch lange beeinflussen und bewegen wird. Nach einem Reitunfall und Aufenthalt in einem Sanatorium endet die Beziehung der beiden. Diese Ereignisse werden unsere Protagonistin körperlich und psychische ein Leben lang beschäftigen. Jahre später treffen sich die beiden wieder und die Beziehung wird wieder aufgenommenen. Das Leben, was sich Yasemin in der Zwischenzeit aufgebaut hat, wird sich grundlegend zum Schlechteren verändern. Nach ihrem hervorragenden Debüt war ich sehr gespannt auf den zweiten Roman der Autorin. Sprachlich ist das Buch herausragend geschrieben und ist mit vielen Metaphern besetzt. Anfangs kam ich erst schleppend in die Geschichte, da mir nicht ganz klar war, wo die Geschichte mich hinführen möchte. Yasemin beschreibt ihr Aufwachsen im Plattenbau, ihre ersten Liebeserfahrungen, erste Partys, die Ausbildung, das Erwachsen werden und vor allem ihre stetige Unsicherheit im Leben. Immer gibt sie sich die Schuld, für alles was um sie herum geschieht. Das Gefühl wird sie bis in die 30er Jahre hinein verfolgen und verunsichern. Zudem gibt es noch wichtige Figuren im Roman, wie ihren Vermieter Ante, ihre ehemalige Nachbarin und gute Bekannte Lydia, ihre Schulfreundin Immacolata und Hermann mit dem sie ihre erste lange Beziehung führt. Über diese Charaktere hätte ich sehr gerne noch viel mehr erfahren, aber diese bleiben leider eher blasse Nebenfiguren bis auf Vito, ihren ersten festen Freund. Der Fokus liegt ganz klar auf Yasemin und ihre Gedanken. Diese werden dafür genauestens beschrieben und zeigen uns eine junge engagierte Frau, die immer wieder an sich selbst scheitert, aber mit der ich immer mitgefiebert und auch gelitten habe. Die Entwicklung von Yasemin war interessant und spannend zu lesen. Wie verschiedene Eckpfeiler im Leben einiges verändern und beeinflussen können zeigt ,,Deniz Ohde" hier sehr gut auf. Zahlreiche wichtige Themen werden hier untergebracht wie zum Beispiel den eigenen Lebensweg finden, Selbstbestimmung oder auch toxische Beziehungen. Im letzten Viertel nimmt die Geschichte dann auch erzählerisch sehr an Fahrt auf, sodass der Roman für mich auch ein stimmiges Ende finden konnte. Auch wenn ich nicht alle Entscheidungen der Figuren vollends inhaltlich nachvollziehen konnte, habe ich mich nach anfänglichen Schwierigkeiten doch gut mit dem Buch anfreunden können. Also ist auch der zweite Roman unbedingt einen Blick wert.

Auch der zweite Roman der Autorin ist einen Blick wert.
3

Yasemin verliebt sich als Teenager in Vito, der auch Jahrzehnte später noch eine große Anziehung auf sie auswirkt. Dazwischen ist sie in Behandlung einer körperlichen Fehlstellung nach einem Sturz vom Pferd und baut sich ihr eigenes Leben auf. Mir gefiel die Darstellung kindlicher Fantasie, die Yasemin beim Spielen mit der Freundin oder beim Heraufbeschwören des Geliebten an den Tag legt. Und ich habe einige Stellen markiert, die mich durch eine poetische Sprache oder ihre humorvolle Art begeisterten. Doch in erster Linie geht es in diesem Buch um Scham nach dem Verlust ihrer Unschuld, um ein Minderwertigkeitsgefühl der Protagonistin nach dem Missbrauch durch andere. „War Yasemins Wille gebrochen oder nur gebeugt? Eine Mikrowellenstrahlung, die in ihr Leben hineinragte wie der Nachhall eines Urknalls.“ So wichtig ich dieses Thema empfinde, so unzufrieden macht mich die Umsetzung in diesem Buch. Ich habe mir eine Reaktion gewünscht, zu sehen, wie sich Yasemin in ihrem Leben weiterentwickelt. Stattdessen gibt es unzählige Exkurse, die von den Gefühlen der Hauptfigur ablenken. So fehlt mir der Nachhall, der diesen Roman für mich zu einem besonderen machen würde.

2

2,5 Sterne (ich habe lange mit mir gerungen, ob ich aufgrund der herausragend guten sprachlichen Gestaltung aufrunde - Bonuspunkte gebe. Erst mal nicht. Der Unmut überwiegt aktuell noch) „Seine Größe entsprang seiner Überredungskunst. Der Fähigkeit, ein Nein in ein Ja zu verwandeln. Ein Zauberer war er, der seinen Willen durchsetzte. Wie der Mond das Wasser den Gezeiten unterwarf, war Lydias Freund nicht laut, nicht aufbrausend, sondern beharrlich. Sie folgte ihm wie das Wasser. Verschwand hinter den Felsen seines Brustkorbs, nur Schlick war übrig. In sie eingebläut, dass der Wunsch des Mannes in Wirklichkeit auch der ihre sei. So lag Yasemin in diesem silbernen Licht und bewegte sich nicht, gleichwie sich Lydia nicht bewegte. Yasemin wohnte ihrer eigenen Zeugung bei. Das Kind– es sollte nicht aufwachen. »Aydede, ich stelle mich schlafend.« Ein rhythmisches Schmatzen war zu hören. Yasemin wagte nicht mehr, durch ihre Wimpern zu schauen.“ Ohdes schwebend, elektrisierende Sprache überzeugt. Das Zitat nimmt den Leser in eine traumatisierende Erfahrung Yasemins in ihrer Kindheit mit. Das Psychogramm Yasemins, durch Lücken, Auslassungen der Erzählung, der Kühle, Distanz, Funktionalität, Ohnmacht - absolut überzeugend. Die Traumatisierung – Schuld – setzt vor ihrer Geburt ein. Schuld gezeugt worden zu sein. Eine alkoholisierte Mutter, die nicht Nein sagen konnte und dies symbolisch durch ein Zitat in der Bibel, sich und ihrer Familie, tagtäglich im Schrank stehend, mahnend nicht vergessen lässt. Yasemin, ein fragmentiertes Selbst, die Lust und Genuss nur in Form von Reinigungsritualen, Ordnung, Struktur, Spaziergängen in der Natur und Atmen verspüren kann. Genuss an einer liebevollen Beziehung? Schwierig. Erträglich, solange sie und ihr Skoliose geplagter Körper miteinander stabil sind, zusammengehalten werden. „ Die unzähligen Abende mit Hermann vor dem Fernseher: das Glück. Sie hatten Zeit zu verschwenden. Seine Finger glitten ihr durchs Haar. Kein Zweifel war in ihrem Zusammensein, kein Reißen, das sie zu ihm hingezogen und ihr Schmerzen zugefügt hätte. Sie verschwand nicht in ihm, und immer wenn sie es versuchte, wies er es zurück. Genuss an der Wiederholung des Leides, dem Schmerz – Masochismus. Hier begehrt jemand das Begehren auszulöschen. Todestrieb, volle Fahrt voraus! Vito – der Messias, der bewundert und gefürchtet werden, aber bloß nicht heilen will ist durch diese überbordende Psyche nur Statist. Yasemin überlagert in ihrer komplexen Anlage den gesamten Text. Ihre Freundin Immacolata, Vito, sein Freund Sascha,Hermann, Lydia (zu der komme ich gleich noch), Ante ihr Vermieter – alles Figuren die irgendetwas dienen und doch zusammenhangslos, teil sinnlos im Text angelegt und inkonsequent bearbeitet werden. Ohde stellt in „ich stelle mich schlafend“ ein Zitat aus Amor und Psyche voran. Sie verfolgt die narrative Struktur des Mythos von Fall, Prüfung, Läuterung und Erhebung. Ihr geht es um Ganzheit und Transformation. Die mystischen Momente des Buches, die Hexen, sollen Hoffnung spenden. Die Schicksalsgläubigkeit dient der Legitimation zum Verderben und Schmerz. Die Kosmetikerin Lydia und Freundin Yasemins, illustriert eine weise Frau, die Yasemins Transformation symbolisch durch das Abziehen einzelner Hautschichten herausarbeiten soll. Weise – Lydia hat Erfahrung und Meinung. Sie ist Prozesstreiber. Lydia bemüht einen Vergleich einer Affekthandlung um Yasemins ( wir beachten die komplex angelegte Psychologie hinter dieser Person) Dilemma mit der Männerwahl zu veranschaulichen: „Bis heute habe ich diese blaue Flamme vor Augen. Bis heute frage ich mich, warum ich das getan habe. Warum ich mich nicht habe aufhalten können. Wie eine Schlafwandlerin. So kommt mir das vor, was dir passiert ist.“ Das Buch bleibt in oberflächlicher Schau – rutscht kurz in den gesellschaftspolitischen Diskurs, Stichwort Empowerment ab, ohne der traumatischen Persönlichkeit Yasemins gerecht zu werden. Die Läuterung und Erhebung – wenig überzeugend. Zu hart im symbolischen, der Realität verortet, zu seicht, zu einfach, zu banal. Ohdes Text wirkt im letzten Drittel wie der Zauberlehrling, der die Geister die er rief, nicht mehr unter Kontrolle bringt. Der Text geht auf. Ja. Er liest sich fantastisch. Und dennoch bleibt das Gefühl betrogen worden zu sein, um Magie, um Imagination, um Verbindungen, um Tiefgründigkeit, um Yasemin. Das Gefühl, die Autorin hat ihre eigene Figur nicht mehr verstanden und verarztet eine lebensgefährliche Wunde mit etwas sozialer Wärme, freundschaftlichem Gequatsche beim Pickel ausdrücken, exorzistischen Atemübungen und ein paar Selbstreflexionen, die nicht annähernd die Schichten des traumatischen Kerns erreichen.

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