Das weiße Leintuch

Das weiße Leintuch

Hardcover
4.02
ExilKlassiker

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Beschreibung

Antanas Škėma (1910–1961) hinterließ einen Roman, der bis heute bedeutenden Einfluss auf die litauische Literatur ausübt: »Das weiße Leintuch«. Geschrieben zwischen 1952 und 1954, wurde er noch nie zuvor ins Deutsche übersetzt. Der Protagonist Antanas Garšva, ein litauischer Exilschriftsteller, arbeitet als Liftboy in einem vielstöckigen New Yorker Hotel. Antanas Garšva, Alter Ego von Antanas Škėma, ist vor den Sowjets aus Litauen geflohen, hadert aber mit der bigotten litauischen Leitkultur und der Trivialität der amerikanischen Konsumgesellschaft. In Rückblenden und Reflexionen versucht er seinen dramatischen Lebensweg zu verarbeiten und ihm einen Sinn zu geben, in der New Yorker Gegenwart findet er sich verstrickt in ein Dreiecksverhältnis mit seiner Geliebten Elena und ihrem Ehemann. Aus den aufwühlenden Episoden ergibt sich ein Puzzle des 20. Jahrhunderts, das Škėma mit kraftvollem sprachlichem Reichtum schildert – ein Wirbel an Wahrnehmungen und Erinnerungen, die über Garšva hereinbrechen, um deren Bewältigung er mit immer neuen literarischen Anläufen ringt. Eindrücke von den Straßen New Yorks, Liedverse und Reminiszenzen an Litauen drängen assoziativ in den Text hinein, treiben den Protagonisten voran, bedrängen ihn. »Das weiße Leintuch« erzählt aber auch von der Verantwortung des Schriftstellers in einer unsicheren Welt, von Formen der Anpassung und Möglichkeiten des Widerstands. In der alle Register ausschöpfenden Übersetzung von Claudia Sinnig ist der Roman nun auf Deutsch zu entdecken, in dunkler Schönheit und mit all seinen bis heute nicht beantworteten existenziellen Fragen.
Haupt-Genre
Romane
Sub-Genre
N/A
Format
Hardcover
Seitenzahl
255
Preis
21.60 €

Autorenbeschreibung

Antanas Škėma (1910–1961) wird im damals zum Russischen Reich gehörenden polnischen Łódź geboren, wohin sein Vater, ein litauischer Lehrer, versetzt worden war. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs flieht die Familie ins russische Hinterland, Škėma durchlebt eine traumatische Kindheit, zunächst in Woronesch und dann während der russischen Revolution in der Ukraine. 1921 kehrt die Familie in das nun unabhängige Litauen zurück. 1929 beginnt Škėma in Kaunas Medizin, später Jura zu studieren. Ab 1935 widmet er sich zunehmend dem Theater, er arbeitet als Schauspieler, später auch als Regisseur am Staatstheater Vilnius. 1944 flieht er vor der sowjetischen Besatzung nach Deutschland, wo er, wie Zehntausende seiner Landsleute, mehrere Jahre in Displaced Persons Camps lebt. 1947 veröffentlicht Škėma einen Kurzgeschichtenband und verfasst erste Dramen, 1949 siedelt er in die USA über, wo er seinen Lebensunterhalt als Fabrikarbeiter und Liftboy verdient. In litauischen Exilkreisen engagiert er sich im Theater, verfasst zahlreiche Beiträge für Zeitungen und Zeitschriften der Emigrantenpresse und publiziert zwei weitere Novellenbände, Essays und Gedichte. Wegen seiner existenziellen Themen wird Škėma als »litauischer Camus« bezeichnet. 1961 stirbt er bei einem Autounfall in Pennsylvania.

Beiträge

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Alle
4

„DU BRAUCHST LEGENDEN, UND ICH UNVOLLENDETE GEDICHTE“ Wie beschreibt man dieses ambivalente Lesevergnügen, das einem der Litauer Antanas Škėma mit seinem einzigen Roman „Das weiße Leintuch“ bereitet? Das stark autobiographisch gezeichnete Werk, das erstmals in deutscher Übersetzung vorliegt, nimmt uns in die Alltagswirklichkeit des Exilschriftstellers Antanas Garšva mit, die geprägt ist von seiner Arbeit als Liftboy eines New Yorker Hotels und ständigen dichterischen Neurosen. Eine oft wechselnde Perspektive zeigt uns den bereits 41-jährigen blonden, bleichen Mann von außen und ebenso folgen wir ihm in einem puren, existentialistisch-destruktiven ‚stream of consciousness‘, der alle Abgründe und Albträume des verzweifelten Antanas offenbart. Die Kulisse des perfekten Liftboys bröckelt umso mehr als die Liebe zur verheirateten Elena in ihm einen Flächenbrand auslöst. Erinnerungen an gewalttätige Traumata, seine gesamte Kindheit und Jugend in Litauen sind poetisch, aber auch naturalistisch – oft viel zu nah an aller Existenz und ihrer Grenzen. Es ist nicht immer leicht, dem Gedankenchaos des Protagonisten zu folgen. Mir gefiel alles Destruktive, das Antanas in sich spürt und dem er ungeschönt Ausdruck verleiht. So wunderbar Natur, Architektur, Kunst und Literatur auch scheinen mögen – jedes litauische Volkslied in seiner Sentimentalität verkehrt sich oft in einen grausigen Abzählreim, der im Wahn gesprochen wird. Beeindruckend und unbedingt lesenswert.

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