Jeanie und Julius
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Beschreibung
Autorenbeschreibung
Claire Fuller, 1967 geboren, lebt im englischen Winchester. Ihre Romane, in denen sie stets den Außenseiter:innen unserer Gesellschaft eine Stimme verleiht, werden in viele Sprachen übersetzt. »Jeanie und Julius« war ein Sunday Times-Bestseller und wurde mit dem Costa Book Award ausgezeichnet.
Beiträge
Über Menschen, die nicht gesehen werden
Jeanie und Julius leben trotz ihres fortgeschrittenen Alters von 50 Jahren zusammen mit ihrer Mutter Dot in einem einfachen Cottage im Südwesten Englands. Als Dot überraschend plötzlich verstirbt, steht das Leben der Geschwister Kopf. Kein Geld ist da für die Beerdigung, geschweige denn für die Kosten des Lebensunterhalts. Julius verdient nur ein bisschen Geld mit Gelegenheitsjobs und die herzkranke Jeanie kann kaum mehr zum Lebensunterhalt beitragen, als sie mit dem Verkauf des selbst angebauten Gemüses verdient. Als sie auch noch drohen obdachlos zu werden, scheint alles ausweglos und verloren. Ernsthaft? Gleich am Anfang ein Satz über 27 (!) Zeilen. Und so zog es sich durch das ganze Buch. Der ein oder andere Satzpunkt mehr, hätte wirklich nicht geschadet. Aber da hört es auch schon auf mit meiner Kritik, denn die Geschichte hat mich wirklich erreicht. Die Geschwister Jeanie & Julius sind mir mit ihrer Genügsamkeit, der Zufriedenheit mir ihren Leben und ihrer Bodenständigkeit total ans Herz gewachsen. So viele Menschen streben nach immer mehr und mehr Konsum, Gütern, Prestige. Diese beiden sind sich gegenseitig so loyal gegenüber und machen aus der Einfachheit ihres Lebens etwas ganz besonderes. Fuller zeigt aber eben auch die Schattenseiten. Wie Jeanie & Julius von der Außenwelt behandelt werden, wie auf sie herabgeschaut wird ist ein Abbild der Arroganz, die es und er Gesellschaft an jeder Ecke gibt. Die Härte mit der sie teils bedacht werden ist würdelos und menschenverachtend. Es ist nicht leicht, solche Situationen in der Anschaulichkeit zu lesen, in der die Autorin zu Scheiben vermag. Fuller richtet mit diesem Roman das Augenmerk auf zwei Außenseiter:innen, die es verdient haben, gesehen zu werden.
JEANIE UND JULIUS Claire Fuller Dot, die noch immer mit ihrer 51-jährigen Tochter Jeanie in einem Bett schläft, steht auf, stolpert, schlägt sich den Kopf an dem alten Ofen an und ist auf der Stelle tot. Als die Zwillinge Jeanie und Julius sie später finden, stellt sich nach dem ersten Schock die Frage, wovon sie die Beerdigung bezahlen sollen. Das Cottage, in dem sie leben ist alt, baufällig, ohne sanitäre Anlage und fließendem heißen Wasser. Julius schlägt sich mit ein paar Gelegenheitsjobs durch und Jeanie konnte wegen ihres früh erkannten rheumatischen Fiebers nie arbeiten gehen. Ihre Schule brach sie ohne Abschluss als 16-Jährige ab. Kaum jemand weiß, dass sie weder lesen noch schreiben kann. Sie leben von dem, was sie im Garten anbauen und dem Feinkosthändler verkaufen können. Kaum das sich Dots Tod herumgesprochen hat, steht die Frau ihres Vermieters in der Tür. Sie möchte die versäumten Mietschulden in Höhe von zweitausend Pfund eintreiben. Und auch von Stu, dem Ehemann ihrer besten Freundin, hatte sich ihre Mutter Geld geliehen. Was hat Dot verschwiegen und wo ist das Geld geblieben? Jeanie und Julius geraten in eine Spirale aus der es fast keinen Ausweg gibt. Das Setting des Buches hat mir unglaublich gut gefallen. Schnell ist man in dieser Geschichte und leidet ein wenig mit den Zwillingen, denen ich so gerne mit Rat und Tat zur Seite gestanden hätte. Während das Buch auf den ersten 150 Seiten vor sich dahinplätschert, nimmt das Buch in der zweiten Hälfte eine Fahrt auf, in der ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen konnte … Fazit: Ein sehr authentisches Buch, das ein wenig braucht, bis es sich richtig entfaltet. Traurig, fein mit großen Gefühlen. 4/ 5

Über Armut und Geschwisterliebe. 🍒❤️
📌 "Wie soll sie erklären, dass sie und Julius obdachlos sind? Was soll sie sagen, wenn sie jemand fragt, wo sie jetzt wohnen?" - S. 176 Die Zwillinge Jeanie und Julius wohnen seit jeher mit ihrer Mutter Dot in einem alten Cottage in Wiltshire/England und leben von dem wenigen, das ihnen zur Verfügung steht. Der Vater und Ehemann ist schon vor vielen Jahren tragisch ums Leben gekommen. Als Dot völlig unerwartet stirbt, müssen die Zwillinge mit nunmehr 51 Jahren plötzlich auf eigenen Beinen stehen und ihren Lebensunterhalt eigenständig bestreiten. Dieses gestaltet sich als äußerst schwierig, den Jeanie, als Kind stets kränkelnd, hat nie richtig lesen und schreiben gelernt und so sind ihre Möglichkeiten stark eingeschränkt. Julius versucht sie beide mit Gelegenheitsjobs über die Runden zu bringen, aber die Arbeit ist hart und der Lohn gering. Als sie auch noch ihr Zuhause verlieren, stürzt besonders die introvertierte Jeanie, die besonders schlecht Hilfe annehmen kann, in eine völlige Perspektivlosigkeit. Es bleibt auch leider nicht bei dem Tod der Mutter und dem Verlust des Heims, denn nicht alle sind den Zwillingen wohlgesonnen. ... 📌 "Es ist schwierig, die eigene Vergangenheit neu zu denken." - S. 327 Das Schicksal dieser beiden einfachen Leute, die während ihres heranwachsens so wenig vom Leben außerhalb ihres geschützten Elternhauses mitbekommen haben, hat mich zutiefst berührt. Zusammen, zufrieden mit der Einfachheit der Gegebenheiten konnten sie sich zu jeder Zeit und in jeder Lebenslage aufeinander verlassen. Am Ende ist dies ein Buch, das bleibt. Weil einem die Menschen darin ans Herz gewachsen sind und ihre Geschichte etwas in einem bewegt hat.

„Sie spürt einen Schmerz. Hinter dem linken Auge. Zwischen ihrem linken Auge und der Schlafe. Hat diese Stelle einen Namen? Sie muss zum Optiker, ihre Augen kontrollieren lassen, aber was dann? Wie soll sie eine neue Brille bezahlen? Sie müsste ihr Rezept in der Apotheke einlösen, aber das kostet Geld. Auch hier unten ist das Licht falsch. Weißend? Heißend? Gleißend. Sie berührt ihre Schlafe, als wollte sie den Schmerz ertasten, und durch die Vorhänge, dort, wo sie nicht ganz schließen, sieht sie, dass es schneit. Es ist der 28. April." (S. 9 f.) In ihren Erzählungen widmet sich die englische Autorin Claire Fuller den sogenannten Außenseiter:innen unserer Gesellschaft, so auch in ihrem neuen Roman über das Zwillingspaar Jeanie und Julius: Gemeinsam mit ihrer Mutter Dot leben sie in einem einfachen, leicht maroden Cottage irgendwo im Südwesten Englands. Jeanie kann weder richtig lesen, noch schreiben und verkauft im nahegelegenen Dorf eigen Angebautes aus dem Garten. Julius Alltag hingegen ist geprägt von verschiedenen Gelegenheitsjobs. Von ihrer Mutter haben sie gelernt, unter keinen Umständen Almosen anzunehmen. Ihr Leben mag zwar einfach sein, aber irgendwie nimmt es immer seinen Lauf. Bis sie Dot eines Morgens tot auffinden und damit plötzlich alles aus den Fugen gerät. Denn wie es scheint, hatte ihre Mutter eine Menge Geheimnisse und, viel schlimmer noch, irgendwie wissen alle darüber Bescheid - außer Jeanie und Julius. Ich für meinen Teil bin ehrlich gesagt relativ unbeschwert in diese Geschichte hineingegangen. Letztlich ist „Jeanie und Julius" jedoch eine zuweilen schonungslose Erzählung über Menschen in Armut, die im Verlauf immer mehr an Härte zunimmt. Trotz aller Tragik schafft es Claire Fuller wiederum, mit einer so zarten, latenten Komik daherzukommen, ihre durchaus skurrilen Figuren zu umschreiben, ohne dabei ins Lächerliche zu verfallen. Seite für Seite habe ich gespürt, wie mich das Erzählte nicht mehr losgelassen hat. Sich die Figuren, allen voran Jeanie in ihrer naiv anmutenden* Gutmütigkeit, in mein Herz geschlichen haben, sodass ich letztlich mit einer leisen Wehmut den Buchdeckel zugeklappt habe. *Hier fragt sich: Kann man wirklich von Naivität sprechen - oder gibt es vielleicht doch so etwas wie ein bedingungsloses Vertrauen gegenüber den Menschen, die wir lieben? Vermutlich liegt die Wahrheit wohl irgendwo dazwischen. Eine nicht unbedingt leicht verdauliche, aber in jedem Fall herzerwärmende Geschichte, die ich euch empfehlen mag. Ein herzlicher Dank geht an den Kjona Verlag und Kirchner Kommunikation für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars.

Armut, Lügen, Schicksale
Die Zwillinge Jeanie und Julius sind plötzlich alleine nach dem Tod ihrer Mutter. Sie sind über 50 und haben ihr Leben lang mit ihr zusammen gelebt. Standen nie auf eigenen Beinen. Plötzlich fordern alle die Schulden ein, die ihre Mutter gemacht haben soll. Sie lebten und leben jedoch in völliger Armut und wissen nicht, wie sie die nächsten Mahlzeiten bezahlen sollen. Ihr Leben ist geprägt von Schicksalen und Ungerechtigkeit. Immer mehr Fragen zu ihrer Mutter kommen auf. War denn wirklich alles so, wie sie das ihnen erzählte? Die Geschichte ist in der ersten Hälfte des Buches etwas träge, nimmt dann in der zweiten Hälfte jedoch sehr Fahrt auf. Ein ruhiges und doch sehr berührendes Buch.
Sehr schön geschrieben und angenehm zu lesen. Es gab einige Längen. Die erste Hälfte plätschert dahin, wohingegen in der zweiten Hälfte zu viel passiert, was nicht gut nachvollziehbar ist und dann auf alle Auflösungen und dramatischen Erlebnisse Schlag auf Schlag folgen. Im Großen und Ganzen fand ich die Gefühlslage der Protagonisten, ihre emotionale Bindung und den Zusammenhalt sehr schön herausgearbeitet und spürbar.
Die ungleichen Zwillinge Jeanie und Julius wirken wie aus einer anderen Zeit gefallen – recht negierende Begriffe wie sonderbar, naiv, schrullig, verschroben, irgendwie lethargisch und realitätsfern drängen sich unweigerlich auf. Mit ihren 51 Jahren leben sie immer „noch“, eher sozial isoliert und in ärmlichen Verhältnissen, zusammen mit ihrer Mutter Dot und dem Hund Maude in einem kleinen, heruntergekommenen Cottage auf dem Lande. Insbesondere die zurückhaltende Jeanie scheint dieses äußerst bescheidene Leben, ohne moderne Annehmlichkeiten, die Selbstversorgung aus dem Garten und die allabendlichen familiären Musiksessions jedoch zu schätzen. Doch als sie eines Tages ihre Mutter tot auf dem Küchenboden findet, gerät die Welt der Geschwister ins Wanken. Plötzlich sehen sich Jeanie und Julius mit einer ihnen fremden, oft harten gesellschaftlichen Realität konfrontiert, der sie sich bisher erfolgreich entzogen hatten bzw. von der sie gezielt abgeschirmt wurden sowie der sukzessiven Um-Schreibung ihrer Vergangenheit und Gegenwart… In „Jeanie und Julius“ zeichnet Fuller einmal mehr das Bild von Menschen, die im 21. Jahrhundert am Rande der Gesellschaft stehen und oft unsichtbar bleiben. In ihrem Roman, der durch leise Töne und subtile Sozialkritik besticht, verwebt Fuller Themen wie gesellschaftliche Marginalisierung und Isolation, Armut, innerfamiliäre Abhängigkeitsbeziehungen, Analphabetismus, Krankheit, schwere Schicksalsschläge, Diskriminierung, menschenverachtendes Verhalten und lebensprägende Lügen. Gleichzeitig lädt sie aber auch zur Reflexion über und die Rückbesinnung auf die Schönheit des Einfachen, über Demut, den Wert einer minimalistischen Lebensweise, bedingungslose Liebe und das unerwartete Finden von Glück ein. Außerdem liest sich der Roman als literarische Aufforderung, hinter Fassaden zu blicken, den wertenden Zeigefinger zu senken, sich mit voreiligen Urteilen, aber auch mit der Überzeugung von der eigenen „richtigen“ Wahrheit und Projektionen zurückzuhalten. Der Roman braucht in der Tat Zeit, um sich zu entfalten. Ich muss zugeben, dass ich auf den ersten 150 Seiten mehrfach versucht war, das Buch beiseitezulegen. Die Handlung schreitet recht gemächlich voran, der Erzählstil bleibt oft distanziert und beschreibend, und die Übersetzung empfand ich an manchen Stellen leider auch als holprig bzw. eher das Erzählte unlogisch – einige kürzere Passagen hätten dem Werk aus meiner Sicht außerdem gutgetan; Julius hätte ich außerdem gern hin und wieder ein paar ernste Wörtchen geflüstert. Doch ich versuchte, mich auf diesen literarischen Ruhepool mit seiner zunächst stillen Dramatik einzulassen, denn so ganz losgelassen hat mich die Geschichte nicht. Und letztlich hat sich diese Geduld ausgezahlt. Die Spannung nahm auf ihre Weise kontinuierlich zu und besonders Jeanie entwickelte sich zu einer Figur, die mein Leseherz sehr berühren konnte und mit der ich mitgelitten habe. Insgesamt ist „Jeanie und Julius“ wirklich ein zutiefst menschlicher Roman, der eben gerade durch seine „stille Schönheit“ und Botschaften vor dem Hintergrund einer lauten und oft unbarmherzigen sowie ungerechten Welt besticht. Übersetzt aus dem Englischen von Andrea O‘Brien.
Ein berührender Roman über Menschen die am Rande der Gesellschaft leben. Claire Fuller verleiht ihnen Sichtbarkeit. Pageturner &Lesehighlight 👌
Beschreibung
Autorenbeschreibung
Claire Fuller, 1967 geboren, lebt im englischen Winchester. Ihre Romane, in denen sie stets den Außenseiter:innen unserer Gesellschaft eine Stimme verleiht, werden in viele Sprachen übersetzt. »Jeanie und Julius« war ein Sunday Times-Bestseller und wurde mit dem Costa Book Award ausgezeichnet.
Beiträge
Über Menschen, die nicht gesehen werden
Jeanie und Julius leben trotz ihres fortgeschrittenen Alters von 50 Jahren zusammen mit ihrer Mutter Dot in einem einfachen Cottage im Südwesten Englands. Als Dot überraschend plötzlich verstirbt, steht das Leben der Geschwister Kopf. Kein Geld ist da für die Beerdigung, geschweige denn für die Kosten des Lebensunterhalts. Julius verdient nur ein bisschen Geld mit Gelegenheitsjobs und die herzkranke Jeanie kann kaum mehr zum Lebensunterhalt beitragen, als sie mit dem Verkauf des selbst angebauten Gemüses verdient. Als sie auch noch drohen obdachlos zu werden, scheint alles ausweglos und verloren. Ernsthaft? Gleich am Anfang ein Satz über 27 (!) Zeilen. Und so zog es sich durch das ganze Buch. Der ein oder andere Satzpunkt mehr, hätte wirklich nicht geschadet. Aber da hört es auch schon auf mit meiner Kritik, denn die Geschichte hat mich wirklich erreicht. Die Geschwister Jeanie & Julius sind mir mit ihrer Genügsamkeit, der Zufriedenheit mir ihren Leben und ihrer Bodenständigkeit total ans Herz gewachsen. So viele Menschen streben nach immer mehr und mehr Konsum, Gütern, Prestige. Diese beiden sind sich gegenseitig so loyal gegenüber und machen aus der Einfachheit ihres Lebens etwas ganz besonderes. Fuller zeigt aber eben auch die Schattenseiten. Wie Jeanie & Julius von der Außenwelt behandelt werden, wie auf sie herabgeschaut wird ist ein Abbild der Arroganz, die es und er Gesellschaft an jeder Ecke gibt. Die Härte mit der sie teils bedacht werden ist würdelos und menschenverachtend. Es ist nicht leicht, solche Situationen in der Anschaulichkeit zu lesen, in der die Autorin zu Scheiben vermag. Fuller richtet mit diesem Roman das Augenmerk auf zwei Außenseiter:innen, die es verdient haben, gesehen zu werden.
JEANIE UND JULIUS Claire Fuller Dot, die noch immer mit ihrer 51-jährigen Tochter Jeanie in einem Bett schläft, steht auf, stolpert, schlägt sich den Kopf an dem alten Ofen an und ist auf der Stelle tot. Als die Zwillinge Jeanie und Julius sie später finden, stellt sich nach dem ersten Schock die Frage, wovon sie die Beerdigung bezahlen sollen. Das Cottage, in dem sie leben ist alt, baufällig, ohne sanitäre Anlage und fließendem heißen Wasser. Julius schlägt sich mit ein paar Gelegenheitsjobs durch und Jeanie konnte wegen ihres früh erkannten rheumatischen Fiebers nie arbeiten gehen. Ihre Schule brach sie ohne Abschluss als 16-Jährige ab. Kaum jemand weiß, dass sie weder lesen noch schreiben kann. Sie leben von dem, was sie im Garten anbauen und dem Feinkosthändler verkaufen können. Kaum das sich Dots Tod herumgesprochen hat, steht die Frau ihres Vermieters in der Tür. Sie möchte die versäumten Mietschulden in Höhe von zweitausend Pfund eintreiben. Und auch von Stu, dem Ehemann ihrer besten Freundin, hatte sich ihre Mutter Geld geliehen. Was hat Dot verschwiegen und wo ist das Geld geblieben? Jeanie und Julius geraten in eine Spirale aus der es fast keinen Ausweg gibt. Das Setting des Buches hat mir unglaublich gut gefallen. Schnell ist man in dieser Geschichte und leidet ein wenig mit den Zwillingen, denen ich so gerne mit Rat und Tat zur Seite gestanden hätte. Während das Buch auf den ersten 150 Seiten vor sich dahinplätschert, nimmt das Buch in der zweiten Hälfte eine Fahrt auf, in der ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen konnte … Fazit: Ein sehr authentisches Buch, das ein wenig braucht, bis es sich richtig entfaltet. Traurig, fein mit großen Gefühlen. 4/ 5

Über Armut und Geschwisterliebe. 🍒❤️
📌 "Wie soll sie erklären, dass sie und Julius obdachlos sind? Was soll sie sagen, wenn sie jemand fragt, wo sie jetzt wohnen?" - S. 176 Die Zwillinge Jeanie und Julius wohnen seit jeher mit ihrer Mutter Dot in einem alten Cottage in Wiltshire/England und leben von dem wenigen, das ihnen zur Verfügung steht. Der Vater und Ehemann ist schon vor vielen Jahren tragisch ums Leben gekommen. Als Dot völlig unerwartet stirbt, müssen die Zwillinge mit nunmehr 51 Jahren plötzlich auf eigenen Beinen stehen und ihren Lebensunterhalt eigenständig bestreiten. Dieses gestaltet sich als äußerst schwierig, den Jeanie, als Kind stets kränkelnd, hat nie richtig lesen und schreiben gelernt und so sind ihre Möglichkeiten stark eingeschränkt. Julius versucht sie beide mit Gelegenheitsjobs über die Runden zu bringen, aber die Arbeit ist hart und der Lohn gering. Als sie auch noch ihr Zuhause verlieren, stürzt besonders die introvertierte Jeanie, die besonders schlecht Hilfe annehmen kann, in eine völlige Perspektivlosigkeit. Es bleibt auch leider nicht bei dem Tod der Mutter und dem Verlust des Heims, denn nicht alle sind den Zwillingen wohlgesonnen. ... 📌 "Es ist schwierig, die eigene Vergangenheit neu zu denken." - S. 327 Das Schicksal dieser beiden einfachen Leute, die während ihres heranwachsens so wenig vom Leben außerhalb ihres geschützten Elternhauses mitbekommen haben, hat mich zutiefst berührt. Zusammen, zufrieden mit der Einfachheit der Gegebenheiten konnten sie sich zu jeder Zeit und in jeder Lebenslage aufeinander verlassen. Am Ende ist dies ein Buch, das bleibt. Weil einem die Menschen darin ans Herz gewachsen sind und ihre Geschichte etwas in einem bewegt hat.

„Sie spürt einen Schmerz. Hinter dem linken Auge. Zwischen ihrem linken Auge und der Schlafe. Hat diese Stelle einen Namen? Sie muss zum Optiker, ihre Augen kontrollieren lassen, aber was dann? Wie soll sie eine neue Brille bezahlen? Sie müsste ihr Rezept in der Apotheke einlösen, aber das kostet Geld. Auch hier unten ist das Licht falsch. Weißend? Heißend? Gleißend. Sie berührt ihre Schlafe, als wollte sie den Schmerz ertasten, und durch die Vorhänge, dort, wo sie nicht ganz schließen, sieht sie, dass es schneit. Es ist der 28. April." (S. 9 f.) In ihren Erzählungen widmet sich die englische Autorin Claire Fuller den sogenannten Außenseiter:innen unserer Gesellschaft, so auch in ihrem neuen Roman über das Zwillingspaar Jeanie und Julius: Gemeinsam mit ihrer Mutter Dot leben sie in einem einfachen, leicht maroden Cottage irgendwo im Südwesten Englands. Jeanie kann weder richtig lesen, noch schreiben und verkauft im nahegelegenen Dorf eigen Angebautes aus dem Garten. Julius Alltag hingegen ist geprägt von verschiedenen Gelegenheitsjobs. Von ihrer Mutter haben sie gelernt, unter keinen Umständen Almosen anzunehmen. Ihr Leben mag zwar einfach sein, aber irgendwie nimmt es immer seinen Lauf. Bis sie Dot eines Morgens tot auffinden und damit plötzlich alles aus den Fugen gerät. Denn wie es scheint, hatte ihre Mutter eine Menge Geheimnisse und, viel schlimmer noch, irgendwie wissen alle darüber Bescheid - außer Jeanie und Julius. Ich für meinen Teil bin ehrlich gesagt relativ unbeschwert in diese Geschichte hineingegangen. Letztlich ist „Jeanie und Julius" jedoch eine zuweilen schonungslose Erzählung über Menschen in Armut, die im Verlauf immer mehr an Härte zunimmt. Trotz aller Tragik schafft es Claire Fuller wiederum, mit einer so zarten, latenten Komik daherzukommen, ihre durchaus skurrilen Figuren zu umschreiben, ohne dabei ins Lächerliche zu verfallen. Seite für Seite habe ich gespürt, wie mich das Erzählte nicht mehr losgelassen hat. Sich die Figuren, allen voran Jeanie in ihrer naiv anmutenden* Gutmütigkeit, in mein Herz geschlichen haben, sodass ich letztlich mit einer leisen Wehmut den Buchdeckel zugeklappt habe. *Hier fragt sich: Kann man wirklich von Naivität sprechen - oder gibt es vielleicht doch so etwas wie ein bedingungsloses Vertrauen gegenüber den Menschen, die wir lieben? Vermutlich liegt die Wahrheit wohl irgendwo dazwischen. Eine nicht unbedingt leicht verdauliche, aber in jedem Fall herzerwärmende Geschichte, die ich euch empfehlen mag. Ein herzlicher Dank geht an den Kjona Verlag und Kirchner Kommunikation für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars.

Armut, Lügen, Schicksale
Die Zwillinge Jeanie und Julius sind plötzlich alleine nach dem Tod ihrer Mutter. Sie sind über 50 und haben ihr Leben lang mit ihr zusammen gelebt. Standen nie auf eigenen Beinen. Plötzlich fordern alle die Schulden ein, die ihre Mutter gemacht haben soll. Sie lebten und leben jedoch in völliger Armut und wissen nicht, wie sie die nächsten Mahlzeiten bezahlen sollen. Ihr Leben ist geprägt von Schicksalen und Ungerechtigkeit. Immer mehr Fragen zu ihrer Mutter kommen auf. War denn wirklich alles so, wie sie das ihnen erzählte? Die Geschichte ist in der ersten Hälfte des Buches etwas träge, nimmt dann in der zweiten Hälfte jedoch sehr Fahrt auf. Ein ruhiges und doch sehr berührendes Buch.
Sehr schön geschrieben und angenehm zu lesen. Es gab einige Längen. Die erste Hälfte plätschert dahin, wohingegen in der zweiten Hälfte zu viel passiert, was nicht gut nachvollziehbar ist und dann auf alle Auflösungen und dramatischen Erlebnisse Schlag auf Schlag folgen. Im Großen und Ganzen fand ich die Gefühlslage der Protagonisten, ihre emotionale Bindung und den Zusammenhalt sehr schön herausgearbeitet und spürbar.
Die ungleichen Zwillinge Jeanie und Julius wirken wie aus einer anderen Zeit gefallen – recht negierende Begriffe wie sonderbar, naiv, schrullig, verschroben, irgendwie lethargisch und realitätsfern drängen sich unweigerlich auf. Mit ihren 51 Jahren leben sie immer „noch“, eher sozial isoliert und in ärmlichen Verhältnissen, zusammen mit ihrer Mutter Dot und dem Hund Maude in einem kleinen, heruntergekommenen Cottage auf dem Lande. Insbesondere die zurückhaltende Jeanie scheint dieses äußerst bescheidene Leben, ohne moderne Annehmlichkeiten, die Selbstversorgung aus dem Garten und die allabendlichen familiären Musiksessions jedoch zu schätzen. Doch als sie eines Tages ihre Mutter tot auf dem Küchenboden findet, gerät die Welt der Geschwister ins Wanken. Plötzlich sehen sich Jeanie und Julius mit einer ihnen fremden, oft harten gesellschaftlichen Realität konfrontiert, der sie sich bisher erfolgreich entzogen hatten bzw. von der sie gezielt abgeschirmt wurden sowie der sukzessiven Um-Schreibung ihrer Vergangenheit und Gegenwart… In „Jeanie und Julius“ zeichnet Fuller einmal mehr das Bild von Menschen, die im 21. Jahrhundert am Rande der Gesellschaft stehen und oft unsichtbar bleiben. In ihrem Roman, der durch leise Töne und subtile Sozialkritik besticht, verwebt Fuller Themen wie gesellschaftliche Marginalisierung und Isolation, Armut, innerfamiliäre Abhängigkeitsbeziehungen, Analphabetismus, Krankheit, schwere Schicksalsschläge, Diskriminierung, menschenverachtendes Verhalten und lebensprägende Lügen. Gleichzeitig lädt sie aber auch zur Reflexion über und die Rückbesinnung auf die Schönheit des Einfachen, über Demut, den Wert einer minimalistischen Lebensweise, bedingungslose Liebe und das unerwartete Finden von Glück ein. Außerdem liest sich der Roman als literarische Aufforderung, hinter Fassaden zu blicken, den wertenden Zeigefinger zu senken, sich mit voreiligen Urteilen, aber auch mit der Überzeugung von der eigenen „richtigen“ Wahrheit und Projektionen zurückzuhalten. Der Roman braucht in der Tat Zeit, um sich zu entfalten. Ich muss zugeben, dass ich auf den ersten 150 Seiten mehrfach versucht war, das Buch beiseitezulegen. Die Handlung schreitet recht gemächlich voran, der Erzählstil bleibt oft distanziert und beschreibend, und die Übersetzung empfand ich an manchen Stellen leider auch als holprig bzw. eher das Erzählte unlogisch – einige kürzere Passagen hätten dem Werk aus meiner Sicht außerdem gutgetan; Julius hätte ich außerdem gern hin und wieder ein paar ernste Wörtchen geflüstert. Doch ich versuchte, mich auf diesen literarischen Ruhepool mit seiner zunächst stillen Dramatik einzulassen, denn so ganz losgelassen hat mich die Geschichte nicht. Und letztlich hat sich diese Geduld ausgezahlt. Die Spannung nahm auf ihre Weise kontinuierlich zu und besonders Jeanie entwickelte sich zu einer Figur, die mein Leseherz sehr berühren konnte und mit der ich mitgelitten habe. Insgesamt ist „Jeanie und Julius“ wirklich ein zutiefst menschlicher Roman, der eben gerade durch seine „stille Schönheit“ und Botschaften vor dem Hintergrund einer lauten und oft unbarmherzigen sowie ungerechten Welt besticht. Übersetzt aus dem Englischen von Andrea O‘Brien.