The Noise of Time: A novel
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Beschreibung
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Leningrad, 1936: In einem Wohngebäude steht mitten in der Nacht ein Mann mit Koffer vor dem Fahrstuhl. Er will der Obrigkeit zuvorkommen, denn er rechnet damit, dass jeden Moment Männer aus dem Fahrstuhl treten werden, um ihn zu verhaften. Der Mann heißt Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch und ist ein weltweit gefeierter Komponist. Doch er hat einen entscheidenden Fehler begangen: Er hat eine Oper namens „Lady Macbeth von Mzensk“ geschrieben und mit ihr Stalins Missfallen erregt. Der betrachtet Schostakowitchs Musik als „formalistisch“ und wer dem „Formalismus“ angehört, ist ein Volksfeind. Julian Barnes‘ Roman „The Noise of Time“ gliedert sich in drei Teile, die verschiedenen Phasen seines Lebens und Schaffens des Komponisten zuzuordnen sind. Der erste Teil beschreibt die Zeit, in der Schostakowitsch beim Regime in Ungnade fiel und stets um sein Leben fürchten musste. Der zweite Teil eröffnet mit einer USA-Reise des Komponisten, während der er sich demonstrativ dem Regime unterordnet und die eigentlich hochgeschätzten Kollegen Strawinsky und Prokofjew öffentlich verurteilt. Schostakowitsch wird rehabilitiert und darf weiter komponieren – unter der Voraussetzung, dass er wieder „wahre“, sowjettaugliche Musik produziert. Im dritten Teil schließlich ist Stalin tot und an seiner Stelle regiert Nikita Chruschtschow. Die Zeit des Terrors ist vorbei, doch Schostakowitsch empfindet die neue Ära keineswegs positiv. Denn linientreu muss er auch unter Chruschtschow sein und auf Druck von oben Mitglied der Partei werden, was für ihn einen unverzeihlichen Verrat darstellt, den er als schlimmer empfindet als die Todesangst unter Stalin: „And now, finally, after the great fear was over, they had come for his soul.“ (Seite 152) Ich habe „The Noise of Time“ gerne gelesen, auch wenn das Buch schwere Kost ist. Barnes hat es komponiert wie sein Subjekt seine Symphonien, und zwar in einer klaren, schnörkellosen Sprache, die mir zusagte. Sätze wie „Art is the whisper of history, heard above the noise of time.“ (Seite 91) fand ich ganz wunderbar. Am besten gefallen hat mir der zweite Teil, der sehr viele Ansatzstellen zur Analyse bot, zentrales Thema dieses Teils ist die paradoxe Natur des russischen Sowjetbürgers, denn: „To be Russian was to be pessimistic, to be Soviet was to be optimistic. That was why the words Soviet Russia were a contradiction in terms.“ (Seite 71) Schostakowitsch wird zum Sinnbild des Sojwetbürgers, denn er ist selbst so ein Paradoxon, er ist ein unentschlossener Mensch, außer wenn er entschlossen ist: „‚An optimistic Shostakovich‘. Another contradiction in terms.“ (Seite 152) Seine Unentschlossenheit spiegelt sich unter anderem auch in seinen Beziehungen zu Frauen wider. Mir gefiel dieser rote Faden, dieser Dualismus, ich meinte gar, darin die Quantentheorie wiederzuerkennen, denn Schostakowitsch hat zwei entgegengesetzte Eigenschaften, die jeweils nur in der konkreten Situation zutage treten. Den dritten Teil, in dem noch einmal in Schostakowitschs Innenleben eingedrungen wird, fand ich am mühsamsten zu lesen, wenn er auch inhaltlich und formal stark ist. Insgesamt stelle ich fest: „The Noise of Time“ ist kein einfaches, leicht zu lesendes Buch, gibt jedoch den Terror unter Stalin und die Stimmung in der Sowjetunion eindrücklich wieder und ist für Leser geeignet, die sich für die Auswirkungen von Macht auf Kunst interessieren.
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Leningrad, 1936: In einem Wohngebäude steht mitten in der Nacht ein Mann mit Koffer vor dem Fahrstuhl. Er will der Obrigkeit zuvorkommen, denn er rechnet damit, dass jeden Moment Männer aus dem Fahrstuhl treten werden, um ihn zu verhaften. Der Mann heißt Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch und ist ein weltweit gefeierter Komponist. Doch er hat einen entscheidenden Fehler begangen: Er hat eine Oper namens „Lady Macbeth von Mzensk“ geschrieben und mit ihr Stalins Missfallen erregt. Der betrachtet Schostakowitchs Musik als „formalistisch“ und wer dem „Formalismus“ angehört, ist ein Volksfeind. Julian Barnes‘ Roman „The Noise of Time“ gliedert sich in drei Teile, die verschiedenen Phasen seines Lebens und Schaffens des Komponisten zuzuordnen sind. Der erste Teil beschreibt die Zeit, in der Schostakowitsch beim Regime in Ungnade fiel und stets um sein Leben fürchten musste. Der zweite Teil eröffnet mit einer USA-Reise des Komponisten, während der er sich demonstrativ dem Regime unterordnet und die eigentlich hochgeschätzten Kollegen Strawinsky und Prokofjew öffentlich verurteilt. Schostakowitsch wird rehabilitiert und darf weiter komponieren – unter der Voraussetzung, dass er wieder „wahre“, sowjettaugliche Musik produziert. Im dritten Teil schließlich ist Stalin tot und an seiner Stelle regiert Nikita Chruschtschow. Die Zeit des Terrors ist vorbei, doch Schostakowitsch empfindet die neue Ära keineswegs positiv. Denn linientreu muss er auch unter Chruschtschow sein und auf Druck von oben Mitglied der Partei werden, was für ihn einen unverzeihlichen Verrat darstellt, den er als schlimmer empfindet als die Todesangst unter Stalin: „And now, finally, after the great fear was over, they had come for his soul.“ (Seite 152) Ich habe „The Noise of Time“ gerne gelesen, auch wenn das Buch schwere Kost ist. Barnes hat es komponiert wie sein Subjekt seine Symphonien, und zwar in einer klaren, schnörkellosen Sprache, die mir zusagte. Sätze wie „Art is the whisper of history, heard above the noise of time.“ (Seite 91) fand ich ganz wunderbar. Am besten gefallen hat mir der zweite Teil, der sehr viele Ansatzstellen zur Analyse bot, zentrales Thema dieses Teils ist die paradoxe Natur des russischen Sowjetbürgers, denn: „To be Russian was to be pessimistic, to be Soviet was to be optimistic. That was why the words Soviet Russia were a contradiction in terms.“ (Seite 71) Schostakowitsch wird zum Sinnbild des Sojwetbürgers, denn er ist selbst so ein Paradoxon, er ist ein unentschlossener Mensch, außer wenn er entschlossen ist: „‚An optimistic Shostakovich‘. Another contradiction in terms.“ (Seite 152) Seine Unentschlossenheit spiegelt sich unter anderem auch in seinen Beziehungen zu Frauen wider. Mir gefiel dieser rote Faden, dieser Dualismus, ich meinte gar, darin die Quantentheorie wiederzuerkennen, denn Schostakowitsch hat zwei entgegengesetzte Eigenschaften, die jeweils nur in der konkreten Situation zutage treten. Den dritten Teil, in dem noch einmal in Schostakowitschs Innenleben eingedrungen wird, fand ich am mühsamsten zu lesen, wenn er auch inhaltlich und formal stark ist. Insgesamt stelle ich fest: „The Noise of Time“ ist kein einfaches, leicht zu lesendes Buch, gibt jedoch den Terror unter Stalin und die Stimmung in der Sowjetunion eindrücklich wieder und ist für Leser geeignet, die sich für die Auswirkungen von Macht auf Kunst interessieren.