Small Island
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I'm really unhappy about the ending ☹ London, 1948. Die junge Jamaikanerin Hortense trifft mit dem Schiff in England ein, um zu ihrem Ehemann Gilbert in London zu stoßen, mit dem sie nach kurzer Bekanntschaft einen Deal geschlossen hat: Geld für die Überfahrt nach London gegen Heirat und Vorbereitung einer Wohnung für sie beide. Der Traum vom strahlenden England wird schnell zerschmettert: Gilbert haust in einem einzigen Zimmer, das Land leidet noch unter den Nachwirkungen des Krieges und die Engländer behandeln farbige Menschen, als seien sie minderwertig. Gilberts weiße Vermieterin Queenie, die er noch während seiner Zeit bei der Airforce im Krieg kennengelernt hatte, lebt allein, da ihr Ehemann Bernard auch 3 Jahre nach Ende des Krieges aus diesem noch nicht zurückgehrt ist, sie hat keine Ahnung, wo er sich aufhält, und rechnet nicht mehr mit seiner Rückkehr. Andrea Levys preisgekrönter Roman aus dem Jahr 2004 hat mir von der ersten Minute an sehr gut gefallen. Die ersten Erzählperspektiven sind die von Queenie und Hortense und vor allem Hortense ist trotz ihrer Naivität eine absolute Sympathieträgerin. Es herrlich, wie gewählt sie sich ausdrückt, vor allem im Kontrast mit den Londonern, die ihre gehobene Ausdrucksweise teilweise gar nicht verstehen, sich aber ansonsten selbstverständlich den „Darkies“ gegenüber als überlegen betrachten. Dies kommt bereits in der ersten Szene auf einer Commonwealth-Ausstellung zum Ausdruck, als ein Afrikaner Queenies Familie sehr höflich und in gehobenem Englisch den Weg weist, der Vater aber bemerkt, die Afrikaner hätten keine Kultur. Hortenses Naivität wirkt komisch, jedoch gleichzeitig auch traurig, denn sie ist sich überhaupt nicht bewusst, wie sie von den Engländern gesehen wird und dass die Bildung, die sie in Jamaika genossen hat, in England nicht ernstgenommen wird. Sie versteht den Rassismus der Engländer nicht, wieso sagt ihr beispielsweise Queenie, sie habe kein Problem damit, sich mit ihr in der Öffentlichkeit zu zeigen? Sie selbst fühlt sich der schlecht gekleideten Frau mit dem starken Akzent eigentlich überlegen. Die Geschichte spielt sich abwechselnd in Jamaika und England, später auch in den Übersee-Einsatzgebieten von Queenies Ehemann Bernard ab, es wird zwischen zwei Zeitebenen gewechselt: noch während des Krieges und 1948. Die Perspektiven wechseln ebenso zwischen den vier Hauptpersonen Hortense, Gilbert, Queenie und Bernard. Das Buch eröffnete mir Einsichten, die ich bisher nie bewusst wahrgenommen habe, so besteht ein deutlicher Unterschied zwischen Briten und jamaikanischen Farbigen einerseits und weißen und schwarzen GIs aus den USA andererseits. Der Rassismus der Amerikaner ist aggressiver, beleidigender als der der Engländer, die sich häufig gar nicht richtig darüber bewusst sind, dass Jamaika zum damaligen Zeitpunkt auch britisch ist. Doch dass etwa Jamaikaner als Kollegen von weißen Frauen arbeiten – undenkbar. Eine Szene, in der Queenie und ihr Schwiegervater mit Gilbert einen Film im Kino ansehen möchten, Gilbert aber aufgefordert wird, sich nach hinten zu den anderen Farbigen zu setzen, mündet in einem Desaster. „Small Island“ ist ein warmherziger, humorvoller Roman über ein schwieriges Thema, der uns vor Augen führt, wie es der sogenannten „Windrush“-Generation jamaikanischer Einwanderer nach England in der Nachkriegszeit ergangen ist. Der Perspektivwechsel zwischen zwei Jamaikaner*innen, von denen einer sich des Rassismus bewusst ist, die andere nicht, einer Engländerin, die nur wenig rassistisch ist, und einem eingefleischten Rassisten eröffnet unterschiedliche Sichtweisen und hat mir sehr gefallen. Lediglich mit dem Ende war ich nicht glücklich. Da hatte ich auf etwas anderes gehofft. In jedem Fall ein sehr lesenswertes Buch, das ich wärmstens empfehlen kann. Die 2019 leider verstorbene Andrea Levy liest ihr Buch selbst und sehr überzeugend, sie spricht perfekt in den verschiedenen Dialekten und bringt die Erfahrungen ihrer Figuren, insbesondere die von Hortense, perfekt zum Ausdruck. Der jamaikanische Akzent ist recht gut zu verstehen, der der Engländer eventuell etwas schwieriger, aber immer noch gut.
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I'm really unhappy about the ending ☹ London, 1948. Die junge Jamaikanerin Hortense trifft mit dem Schiff in England ein, um zu ihrem Ehemann Gilbert in London zu stoßen, mit dem sie nach kurzer Bekanntschaft einen Deal geschlossen hat: Geld für die Überfahrt nach London gegen Heirat und Vorbereitung einer Wohnung für sie beide. Der Traum vom strahlenden England wird schnell zerschmettert: Gilbert haust in einem einzigen Zimmer, das Land leidet noch unter den Nachwirkungen des Krieges und die Engländer behandeln farbige Menschen, als seien sie minderwertig. Gilberts weiße Vermieterin Queenie, die er noch während seiner Zeit bei der Airforce im Krieg kennengelernt hatte, lebt allein, da ihr Ehemann Bernard auch 3 Jahre nach Ende des Krieges aus diesem noch nicht zurückgehrt ist, sie hat keine Ahnung, wo er sich aufhält, und rechnet nicht mehr mit seiner Rückkehr. Andrea Levys preisgekrönter Roman aus dem Jahr 2004 hat mir von der ersten Minute an sehr gut gefallen. Die ersten Erzählperspektiven sind die von Queenie und Hortense und vor allem Hortense ist trotz ihrer Naivität eine absolute Sympathieträgerin. Es herrlich, wie gewählt sie sich ausdrückt, vor allem im Kontrast mit den Londonern, die ihre gehobene Ausdrucksweise teilweise gar nicht verstehen, sich aber ansonsten selbstverständlich den „Darkies“ gegenüber als überlegen betrachten. Dies kommt bereits in der ersten Szene auf einer Commonwealth-Ausstellung zum Ausdruck, als ein Afrikaner Queenies Familie sehr höflich und in gehobenem Englisch den Weg weist, der Vater aber bemerkt, die Afrikaner hätten keine Kultur. Hortenses Naivität wirkt komisch, jedoch gleichzeitig auch traurig, denn sie ist sich überhaupt nicht bewusst, wie sie von den Engländern gesehen wird und dass die Bildung, die sie in Jamaika genossen hat, in England nicht ernstgenommen wird. Sie versteht den Rassismus der Engländer nicht, wieso sagt ihr beispielsweise Queenie, sie habe kein Problem damit, sich mit ihr in der Öffentlichkeit zu zeigen? Sie selbst fühlt sich der schlecht gekleideten Frau mit dem starken Akzent eigentlich überlegen. Die Geschichte spielt sich abwechselnd in Jamaika und England, später auch in den Übersee-Einsatzgebieten von Queenies Ehemann Bernard ab, es wird zwischen zwei Zeitebenen gewechselt: noch während des Krieges und 1948. Die Perspektiven wechseln ebenso zwischen den vier Hauptpersonen Hortense, Gilbert, Queenie und Bernard. Das Buch eröffnete mir Einsichten, die ich bisher nie bewusst wahrgenommen habe, so besteht ein deutlicher Unterschied zwischen Briten und jamaikanischen Farbigen einerseits und weißen und schwarzen GIs aus den USA andererseits. Der Rassismus der Amerikaner ist aggressiver, beleidigender als der der Engländer, die sich häufig gar nicht richtig darüber bewusst sind, dass Jamaika zum damaligen Zeitpunkt auch britisch ist. Doch dass etwa Jamaikaner als Kollegen von weißen Frauen arbeiten – undenkbar. Eine Szene, in der Queenie und ihr Schwiegervater mit Gilbert einen Film im Kino ansehen möchten, Gilbert aber aufgefordert wird, sich nach hinten zu den anderen Farbigen zu setzen, mündet in einem Desaster. „Small Island“ ist ein warmherziger, humorvoller Roman über ein schwieriges Thema, der uns vor Augen führt, wie es der sogenannten „Windrush“-Generation jamaikanischer Einwanderer nach England in der Nachkriegszeit ergangen ist. Der Perspektivwechsel zwischen zwei Jamaikaner*innen, von denen einer sich des Rassismus bewusst ist, die andere nicht, einer Engländerin, die nur wenig rassistisch ist, und einem eingefleischten Rassisten eröffnet unterschiedliche Sichtweisen und hat mir sehr gefallen. Lediglich mit dem Ende war ich nicht glücklich. Da hatte ich auf etwas anderes gehofft. In jedem Fall ein sehr lesenswertes Buch, das ich wärmstens empfehlen kann. Die 2019 leider verstorbene Andrea Levy liest ihr Buch selbst und sehr überzeugend, sie spricht perfekt in den verschiedenen Dialekten und bringt die Erfahrungen ihrer Figuren, insbesondere die von Hortense, perfekt zum Ausdruck. Der jamaikanische Akzent ist recht gut zu verstehen, der der Engländer eventuell etwas schwieriger, aber immer noch gut.