Mittagsstunde
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Beschreibung
Autorenbeschreibung
Dörte Hansen, geboren 1964 in Husum, arbeitete nach ihrem Studium der Linguistik als NDR-Redakteurin und Autorin für Hörfunk und Print. Ihr Debüt »Altes Land« wurde 2015 zum »Lieblingsbuch des unabhängigen Buchhandels« und zum Jahresbestseller 2015 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Ihr zweiter Roman »Mittagsstunde« erschien 2018, wurde wieder zum SPIEGEL-Jahresbestseller und mit dem Rheingau Literatur Preis sowie dem Grimmelshausen Literaturpreis ausgezeichnet. 2022 erschien ihr dritter Roman »Zur See«. Dörte Hansen, die mit ihrer Familie in Nordfriesland lebt, ist Mainzer Stadtschreiberin 2022.
Beiträge
Das Buch beeindruckt mich sehr! Ich hatte ein bisschen Probleme reinzukommen, aber dann hat es mich mit Wucht getroffen. Manchmal kam ich mir vor, als würde ich auch in Brinkebüll wohnen. Ich wohne genau in so einem kleinen Dorf, nur leider nicht in Norddeutschland und hatte ständig das Gefühl die in dem Buch beschrieben Menschen leben in meinem Ort. Ich kannte sie alle. Selten weiß man die richtigen Namen, immer nur kennt man sie unter ihren Spitznamen. Man mischt sich auch nicht ein, in die Angelegenheiten der Nachbarn, auch wenn man diese nicht gutheißen kann. So viel Liebe und Schmerz stecken in diesem Roman, so wie das Leben eben spielt und es nicht immer gut zu einem ist. Katastrophen passieren und herzärwärmende Zuneigung und Menschlichkeit passiert. Dorfleben in all seinen Facetten. Die immer wieder auf plattdeutsch eingeflochtenen Äußerungen bereichern das Ganze zusätzlich. "Ik weet wat, wat du nicht weetst." "Sie fuhren schweigend unter einem blauen Himmel, Wolkentiere galoppierten, große Herden eskortierten sie nach Brinkebüll, das sich aus seinem Mittagsschlaf berappelt hatte." Großartig!

Eine fesselnde Geschichte über die Veränderung eines kleinen norddeutschen Dorfes und seine Bewohner. Ein Lesegenuss.
Aus dem wahren Landleben
Ich bin selbst in einem kleinen Dorf aufgewachsen und habe so einige der Charaktere oder deren Merkmale wiedererkennen können. Sehr schön geschrieben, Tränen sind geflossen. Finde das Bich besser und aussagekräftiger als den Film!
Familiengeschichte mit vielen Höhen und Tiefen
Nachdem mir schon „Altes Land“ gefallen hatte von der Autorin, wurde mir dieses Buch wärmstens ans Herz gelegt. So richtig angesprochen hat es mich von Cover her nicht, den Klappentext fand ich nicht sehr vielsagend. Letzten Endes habe ich mich in diesem Buch sehr wohl gefühlt, Dorfleben, plattdeutsche Dialoge, das hat mich an Kindheit und Opa erinnert. Wir erleben in diesem Buch ein Dorf im Norddeutschen Flachland, jeder kennt jeden, Geheimnisse werden gehütet, man tratscht, man weiß alles über jeden. Eine Familiengeschichte, die sehr skurril ist. Ich mochte die Protagonisten und habe über 2 Generationen mit ihnen gefühlt, gelacht und geweint. Es ist eine Geschichte mit sehr viel Gefühl.

Dörte Hansen hat es einfach drauf, Menschen zu zeichnen. Eine sehr unaufgeregte Erzählung, bei der es gar nicht so sehr um die Menschen geht, eher um das Dorf in Norddeutschland. Doch auch dieses Mal beschert das Buch viele Gefühle, gerade auch wegen der Hauptpersonen und ihrer Schicksale. Hat mich total mitgenommen und wird immer wieder weiter empfohlen
Diese Frau kann schreiben, unglaublich.
Schönes Buch. Dörte Hansen beschreibt das Dorfleben so gut und lebhaft, dass man denkt, man wäre live dabei. Da ich selbst vom Dorf komme, habe ich oft gedacht "genau wie bei uns". Auch wenn sie hauptsächlich von Zeiten erzählt, in denen ich noch nicht da war, kann ich mir nur allzu gut vorstellen, dass diese Veränderungen in allen Dörfern so oder so ähnlich stattgefunden haben - auch in meiner Heimat.
Lesenswert!
Viele Schilderungen aus dem Roman erinnern mich an Geschichten meiner Großeltern und Eltern, die auf Bauernhöfen in Nordfriesland aufgewachsen sind. Der Autorin ist es somit gut gelungen die Art der nordfriesischen Dorfbewohner einzufangen. Spannend ist auch der von der Autorin dargestellte Wandel des Dorfes und der Zwiespalt des Protagonisten zwischen Tradition und modernem Stadtleben.
Ein Roman über Familienverhältnisse, das Leben auf dem Dorf, Geheimnisse und Entwicklung. Manchmal etwas langatmig, aber im Grundsatz gut zu hören.
Erst nach mehr als der Hälfte bin in diese Geschichte über das Verschwinden der ursprünglichen bäuerlichen Welt und das Dorfleben eingetaucht. Es erinnerte mich an eine Radtour im Emsland, wo man nur noch Mais und Windräder sehen kann und nur vermuten konnte, dass es mal anders war. Gerade in den letzten Kapiteln geht es darum wie sich die Landwirtschaft verändert hat, die wir doch alle brauchen. Und nicht nur die, sondern das ganze Leben im Dorf, das Feiern, das Miteinander hat sich verändert... " die Zeit der Bauern ging zu Ende. Man blies das Feuer aus, man brach die Zelte ab und ließ die letzten Sesshaften zurück...Zeitalter fingen an und endeten, so einfach war das."...
Mehr als nur eine (Mittags) Stunde
Es wird über das Leben auf dem Platten Land erzählt. Ich habe etwas gebraucht um in die Geschichte reinzukommen, dann lief es dann wie geschnitten Brot. Vielleicht, weil ich selber in einem Dorf groß geworden bin, kann ich die Charaktere nachvollziehen. Die verschiedenen Typen, dass Verhältnis untereinander, die Veränderungen durch Flurbereinigung, es stimmt wirklich! Und seine, Ingwers, Geschichte, ist so lieb geschrieben! Absolut lesenswert!
Dicht und authentisch. Ein tolles Buch bis zur letzten Seite.
Nun ja, jetzt habe ich auch dieses Buch, als letztes, von Dörte Hansen gelesen. Wie auch schon in meinen vorangegangenen Rezensionen für ihre Bücher, kann ich auch diesmal sagen, sie hat den Nagel auf den Kopf getroffen, aber hallo. Es ist für mich absolut beeindruckend, mit welcher Präzision sie ihre Worte genau an die richtige Stelle setzt, sich dadurch bei mir eine Kinoleinwand entfaltet und ich komplett in ihrer Geschichte, in ihren beschriebenen Charakteren versinke. Mehr kann ich von einem Buch nicht erwarten.
Roman, tragisch emotionale Geschichte aus Nordfriesland
In dem Buch gehts eigentlich um Nichts und doch wiederum um Alles! Gespickt mit direkter Rede im absoluten Plattdeutsch, aber mit etwas Phantasie meistens durchaus verständlich. Kann nicht genau sagen warum, mir hat der Roman sehr gut gefallen, vielleicht weil alles tatsächlich so geschehen sein könnte, schöne Sprache, toller Lesefluß!
Ein Buch über die Veränderung eines norddeutschen Dorfes. Ich brauchte recht lange, um in das Buch hineinzukommen, konnte dann aber spätestens ab der Hälfte nicht mehr aufhören zu lesen. Mit einer Genauigkeit und sprachlichen Präzision beschreibt Dörte Hansen, wie sich das Leben der Dorfbevölkerung und das Aussehen eines Dorfes durch gesellschaftliche Entwicklungen teils brachial verändern.
„Es gab in Brinkebüll viel Ungesagtes, manches schwebte schon jahrzehntelang durchs Dorf, von Haus zu Has, va Hof zu Hof. Mal landete es kurz, wenn jemand ein par Worte fallen ließ, betrunken meistens, nicht sehr treffsicher Des trieb es weiter, Angehauchtes und Vermutetes und Unaussprechliches und halb Vergessenes. Das Schweigen war wie eine zweite Muttersprache, man lernte es, wie man das Sprechen lernte. Schon die Kinder wussten, was man sagen durfte und was nicht.“ Dörte Hansen beweist mit Mittagsstunde einmal mehr, dass sie eine wahre Meisterin authentischer Protagonist*innen und des norddeutschen Lebensgefühls ist. Im dritten Roman den ich von ihr las (ihr zweiter veröffentlichter) schafft sie es, die Atmosphäre eines kleinen, sterbenden Dorfes im Norden Deutschlands lebendig werden zu lassen – ein Ort, dessen beste Zeiten längst vorüber sind. Die Geschichte begleitet Ingwer Feddersen, der nach Jahrzehnten in die Heimat zurückkehrt, um Vergangenes wiedergutzumachen und sich den Geistern seiner Kindheit zu stellen. Hansens besondere Erzählweise sticht auch hier hervor: Gespickt mit plattdeutschen Ausdrücken und typisch norddeutschen Redewendungen wirkt die Sprache so authentisch, dass man förmlich den rauen Wind über der Geest spürt. Diese sprachliche Gestaltung ist für mich ein Highlight – es verleiht dem Buch eine unverwechselbare Tiefe und Authentizität und passt perfekt zum Setting. Der Roman entfaltet sich auf zwei Zeitebenen und gibt so Stück für Stück das Bild eines Dorfes frei, das sich in den letzten Jahrzehnten radikal verändert hat. Dabei erleben wir das Leben im Dorf vor und nach der Flurbereinigung der 70er Jahre, ein entscheidender Einschnitt, der vielen kleineren Höfen die Existenzgrundlage raubte und das Gesicht des Dorfes nachhaltig veränderte. In diese Vergangenheit und Gegenwart einzutauchen, erzeugt eine besondere Sogwirkung – auch ohne den klassischen Spannungsbogen, bleibt man als Leser*in neugierig. Ich wollte unbedingt wissen, was in diesem Dorf damals geschah und wie sich die Menschen über die Jahre veränderten. Besonders bewegend ist die Frage, warum sie so wurden, wie sie heute sind, und wie sie auf den Wandel reagierten. Das gesamte Buch ist durchzogen von einer tiefen Melancholie. Die Tonart ist deutlich düsterer als in Hansens Altes Land, fast schon ein Abschiedsgesang auf das dörfliche Leben, das immer mehr zerfällt. Früher ruhte in der Mittagsstunde das gesamte Dorf, eine Zeit, um von der harten Arbeit Kraft zu schöpfen – heute ist diese Tradition längst verschwunden. Stattdessen kämpfen Ingwers Großeltern, Ella und Sönke, um den Fortbestand ihres Gasthofs, der einst das Zentrum des Dorflebens war und nun kaum noch besucht wird. Der Gasthof, der einst Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen beherbergte, ist fast vergessen. Die wenigen Höfe, die nicht aufgegeben wurden, werden heute oft von Städtern bewohnt, die einen ganz anderen Lebensstil pflegen und das frühere Dorfleben, wo Arbeit und Gemeinschaft alles bedeuteten, kaum noch nachvollziehen können. Hansen gelingt es dabei, eine gewisse Sehnsucht nach der „guten alten Zeit“ zu wecken und gleichzeitig die Problematik dieser vergangenen Strukturen offen zu legen. Denn nicht alles war früher besser. Die scheinbar heile Welt hatte ihre Schattenseiten, ihre Härten und ihren Schmerz. Diese Balance aus Liebe und Verlust, Freude und Katastrophen, prägt das Buch und spiegelt das Leben in all seinen Facetten wider – genau das, was mich an diesem Roman so bewegt hat. Die plattdeutschen Dialoge, die Hansen immer wieder einfließen lässt, bereichern das Ganze zusätzlich und geben dem Roman einen unverwechselbaren Klang. Dieser Roman ist für mich wie ein stilles Innehalten in einem hektischen Leben, eine Gelegenheit, über den Wandel von Tradition und Moderne nachzudenken und die Frage zu stellen, was wir eigentlich an „früher“ vermissen. Obwohl ich von Mittagsstunde begeistert bin und von Hansens Schreibstil, fehlte mir ein wenig die Spannung, die in ihren anderen Werken (Altes Land & Zur See) stärker vorhanden war. Dennoch regt die Geschichte zum Nachdenken und Reflektieren an und zeigt Hansens Talent für lebendige Sprache und authentische Figuren. Insgesamt gebe ich Mittagsstunde 4 von 5 Sternen.
Nach ein wenig Startschwierigkeiten, mochte ich es doch sehr gern 🤍
Ingwer Feddersen geht auf die 50 zu, ist Vor- und Frühgeschichtler und lebt in Kiel in einer WG. Normalerweise. Er hat sich eine berufliche Auszeit genommen, um sich in dem Geestdorf, aus dem er kommt, um seine greisen Großeltern und deren Gastwirtschaft zu kümmern. Der Kontrast zwischen Großstadt- und Dorfleben könnte kaum größer sein, zumal das Dorf im Begriff ist, zu sterben. Schon in „Altes Land“ ließ Dörte Hansen Großstädter auf Dörfler treffen. War dies dort jedoch vor allem eine Quelle für Humor, ist die Grundstimmung von „Mittagsstunde“ eine andere. Schon der Titel des Buches deutet darauf hin: Hier geht es um etwas, das ausstirbt. Auch wenn japanische Manager den Powernap für sich entdeckt haben, wer hält heute noch eine richtige Mittagsruhe? Protagonist Ingwer Feddersen ist hin- und hergerissen zwischen Moderne und Tradition, lebt in einer modernen Wohnkonstellation mit einem Mann und einer Frau, mit der beide durchaus einmal auch das Bett teilen, ist aber andererseits Archäologe, beschäftigt sich mit dem, was einmal war, in der Jungsteinzeit, als das bäuerliche Leben an der nordfriesischen Küste entstand. Und mit seinen Großeltern, die die letzte Generation solcher Bauern repräsentieren. Nicht umsonst lief seine Mutter, die etwas verrückte Marret, gewohnheitsmäßig durch Dorf und verkündete: „De Welt geht ünner“! Es begann mit der Flurbereinigung, als traditionelle Strukturen aufgebrochen und vieles zerstört wurde, etwa die alten Kastanien in der Dorfstraße, die früher Schatten spendeten und den Wind bremsten. Heute sind nur noch wenige Bauern in optimierten Höfen übrig, der Dorfladen ist geschlossen. In der alten Mühle hausen ein paar Großstädter, die zurückfinden möchten zur Natur. „Es war ein großes Missverständnis. Die Leute aus der Großstadt suchten die Natur und das Ursprüngliche, und in den Dörfern wurde es gerade abgeschafft“. (Seite 268) Wer jetzt aber glaubt, „Mittagsstunde“ sei ein Jammerroman, in dem die Vergangenheit beweint und romantisiert wird, täuscht sich. Es war eben nicht alles gut damals, das Leben war hart und schwierig, das stellt Dörte Hansen klar. Und doch schwingt eine leise Melancholie mit, als Ingwer Feddersen klar wird: Es gibt keinen Weg zurück, und das ist in Ordnung. Perfekt äußert sich die Melancholie, die ich persönlich mehr als alles andere in Geschichten liebe, im letzten Satz des Romans, den ich in meinem Enthusiasmus zunächst als den klügsten bezeichnete, den ich in einem Buch gelesen habe. Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Behauptung aufrecht erhalten möchte, aber er rückt den Menschen und seine Kultur in die rechte Perspektive. (Natürlich verrate ich den Satz nicht, man muss schon das Buch gelesen haben, um ihn lesen zu können.) Bleibt noch anzumerken, dass das Buch sprachlich umwerfend ist und wunderbare Bilder verwendet.
Mit "Mittagsstunde" ist Dörte Hansen ein poetisches, ruhiges und warmherziges Porträt des ländlichen Lebens im Wandel der Zeit gelungen. Die Themen des Romans sind zeitlos und universell: Heimat, Familie, Identität und der Wandel der Gesellschaft. Liebevoll gezeichnete einzigartige Charaktere lassen den Leser tief in ihre Gedanken- und Gefühlswelt eintauchen. Dazu kommt die sprachliche Gestaltung der Autorin, die eine melancholische Atmosphäre schafft, die berührt und nachdenklich stimmt. "Mittagsstunde" erzählt eine Geschichte, die man nicht nur einmal lesen möchte und die noch lange nachklingt. Eine klare Empfehlung für alle, die eine leise, aber tiefgründige Geschichte zu schätzen wissen.
Ein leises Buch, das mir erst mit der Zeit ans Herz gewachsen ist. Im stetigen Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart lernt der Leser die verschrobenen Bewohner eines nordfriesländischen Dorfes kennen und erfährt wie sich das Dorf und seine Bewohner im Laufe der Zeit wandeln. Scheinbar passiert nicht viel auf diesen 319 Seiten und doch passiert es, dass ich zum Schluss gern weitergelesen hätte.
Hätte nicht gedacht, dass mich das Buch so gefangen nimmt 🥰 so melancholisch, einfühlsam und frei von Kitsch wird hier das Verschwinden einer alten Welt erzählt... ich war begeistert...
Dieses Buch behandelt viele verschiedene Themen - Heimat und Landleben, Gemeinschaft, Familie, Geburt, Tod und einige mehr. Der Schreibstil der Autorin ist einfach genial. In einer knapp gehaltenen Sprache findet sie genau die richtigen Worte. Sie beschreibt die Menschen wunderbar und schafft eine realistische Atmosphäre, die einem sehr nahe geht. Beim Lesen hatte ich das Gefühl mich in diesem Dorf zu befinden. Dieses Buch lebt nicht von der Spannung und ist trotzdem eine Wucht.
Skurrile Leute Seltsame Handlungen
Ich habe es mehrmals versucht mit diesem Buch. Weil ich Altes Land so gerne gelesen habe. Aber erst die Verfilmung hat es mich fertig lesen lassen...
Mit "Mittagsstunde" hat Dörte Hansen eine Geschichte geschaffen, die noch lange nach der letzten Seite nachklingt. Das ist es, was ein Buch für mich besonders macht.
TW: Tod, Suizidversuch, häusliche Gewalt
Ein Buch, melancholisch wie ein grauer, windiger Herbsttag
Wer melancholische (nicht deprimierende!) Bücher mag, kommt hier auf seine Kosten. In vielen Rückblenden werden das Leben und die Menschen in einem fiktiven schleswigschen Dorf über mehrere Jahrzehnte nachgezeichnet. Dörte Hansen entwickelt mit ihrer sehr ruhigen und nachdenklichen Erzählweise die Figuren sehr genau und nachvollziehbar. Ihr zuzulesen ist ein Genuss. Dass der Leser nebenbei einige Happen Plattdeutsch lernt, ist ein charmanter Side-Plot Wer auf viel Action und Pageturner steht, sollte dieses Buch lieber nicht lesen. Für gemütliche Herbsttage ist es jedoch eine klare Empfehlung.
Ein ruhiges Buch, indem sich kaum etwas tut und doch so viel Leben passiert. Über Familie, Dorfgemeinschaft, Lebensentwürfe und so viel mehr. Sprachlich auf den Punkt gebracht, mit einer Portion Ironie, macht es Spaß es zu lesen.
„Ella konnte schweigen, wie die Tanzsaalwände und der Eichenboden, die auch alles wussten über Brinkebüll und nichts verrieten. Weghören oder schweigen, eins von beidem musste man gut können, wenn man einen Gasthof führen wollte.“
Es geht um Ingwer, darum wie er in einem kleinen Dorf in Norddeutschland aufwuchs, zum Studium in die Stadt zog und wie er irgendwann wieder zurück kehrte, um seine Eltern zu pflegen. Es geht darum, wie sich das dörfliche Leben mit den Jahren veränderte und um Familien, was sie mit sich tragen, was das Leben schwer macht und weshalb sich die einzelnen Mitglieder trotzdem brauchen und auf ihre spezielle Art und Weise auch unterstützen. Ich mochte den Schreibstil von Anfang an recht gerne, trotzdem fiel es mir etwas schwer in die Geschichte zu kommen, weil sie sehr langsam erzählt wird und wenig Handlung passiert. Irgendwann war ich dann doch ein kleiner Teil von Brinkebüll, musste immer wieder herzhaft lachen und war Minuten später sehr berührt. Das wird sicher nicht mein letzter Roman von Dörte Hansen gewesen sein.

„Mittagsstunde“ von Dörte Hansen ist leider erst der zweite Roman der Autorin, den ich gelesen habe, aber sicherlich nicht der letzte, sie muss nur weiter Romane schreiben, die mich so begeistern wie „Altes Land“ und „Mittagsstunde.“ Aber mit ein wenig Glück, gibt es wohl in diesem oder im nächsten Jahr Nachschub. Bis dahin muss ich mich gedulden und gerne auch nochmal „Mittagsstunde“ re-readen, denn eins muss ich gleich zu Beginn sagen: Das Buch hat von mir leider nicht die volle Aufmerksamkeit bekommen, die es verdient hätte. Der Grund dafür: ich habe das Buch parallel zu einem anderen tollen (Leserunden-) Buch gelesen, weshalb ich für diese Geschichte 2 Wochen gebraucht habe – anstelle von 3-4 Tagen, in denen ich das Buch wohl „gefressen“ hätte, wenn ich nichts anders nebenbei gelesen hätte. Dörte Hansen erzählt in „Mittagsstunde“ die Geschichte der Familie Feddersen. Sönke und Ella sind seit knapp 70 Jahren verheiratet und jeder in der Familie, im Dorf und auch wir Leser hoffen, dass beide ihre Gnadenhochzeit noch gemeinsam feiern können. Gefeiert werden soll natürlich im eigenen Gasthof, dem Mittelpunkt des Dorfes Brinkebüll, den Sönke von seinen Eltern übernommen hat. Betreut werden die beiden von ihrem Enkel Ingwer, Sohn ihrer Tochter Marret „Ünnergang“. Ingwer ist Hochschulprofessor und eigentlich dem Dort seit vielen Jahren entwachsen, legt jetzt ein Sabbatical ein und kehrt nach Brinkebüll zurück, denn „er hing an diesem rohen, abgewetzten Land, wie man an einem abgeliebten Stofftier hing, dem schon ein Auge fehlte, das am Bauch kein Fell mehr hatte.“. Doch er erkennt sein Heimatdorf kaum wieder: „keine Schule, kein Bäcker und kein Kaufmann. Keine Störche auf dem Dach der Kirche, auf den Feldern keine Kühe, nur noch Mais und Wind.“ Und somit erzählt Dörte Hansen auch die Geschichte des Dorfes und seiner Bewohner, und während ich diese Rezi schreibe, werde ich schrecklich melancholisch und die Augen werden feucht. Denn die Geschichte ging unendlich tief in mich hinein. Ich habe sowohl das Dorf und seine Bewohner, allen voran aber Ingwer und seine Großeltern unglaublich lieb gewonnen. Vor allem der alte Sönke, der mit 93 Jahren zwar körperlich nicht mehr fit ist, aber immer noch die Stellung in seinem Gasthof hält, wird für immer einen Platz in meinem Leserherzen haben. Die Beziehung zwischen ihm, dem Kriegsheimkehrer und Ella, die nicht mehr mit seiner Heimkehr gerechnet hat, hat Dörte Hansen so unglaublich feinfühlig und mit so viel Wärme erzählt. Es ist soviel passiert in ihrem Leben und im Dorf, dass ich mich manchmal gefragt habe, wie Dörte Hansen das auf gerade mal 320 Seiten packen konnte. Natürlich hätte ich mir mehr Seiten gewünscht, einfach, weil das Buch sooo gut war, aber irgendwie war es in seiner Kürze auch perfekt geschrieben. Sehr, sehr atmosphärisch mit so einem feinen Gespür für Stimmungen, Gefühle, Menschen. „Marret Ünnergang, verdreht, nicht verrückt, nie ganz normal. Ein Knäuel Mensch, verfilzt, schief aufgerollt.“ Ich sagte schon, ich werde schrecklich melancholisch, wenn ich an das Buch denke und auch wenn ich an der ein oder anderen Stelle lachen oder schmunzeln konnte, es ist kein fröhliches Buch. Es geht tief in mich hinein, der Stachel, den es in mein Herz gebohrt hat, hat Widerhaken und lässt sich nicht herausziehen. Aber der Stachel soll auch gar nicht gezogen werden. Im Gegenteil, ich werde mit einem Re-Read eher noch tiefer hineintreiben, aber auch nur allzu gerne bei jedem „Hä?!“ von Sönke vor mich hingrinsen.
War mir zu anstrengend
Total tiefgründig und toll geschrieben!
Die Autorin schafft es Sätze ohne viele unnötige Wörter bildlich und präzise zu formulieren. Das Lesen ihrer Texte tut einfach total gut! Die Geschichte ist so toll durchwoben mit den verschiedenen Schicksalen - kein Kitsch und kein Theater, einfach nur ein wunderbar bewegendes Buch welches zu meinen Liebsten gehört!
Am Anfang habe ich mich gefragt, warum ich das lese, aber bei ca 1/3 der Geschichte ging das vorbei und ich bin gerne in die Geschichte von Ingwer und von seinem Heimatdorf Brinkebüll eingetaucht.
Ich fand es schwierig reinzukommen und auch immer wieder wenn sich die Perspektive oder Zeit änderte. Die Erzählung und Charaktere sind nicht spektakulär, haben aber etwas an sich, was sympathisch ist und an das eigene Dorf/ die eigene Familie denken lässt.
Die Geschichte von Ingwer Feddersen, der in sein Heimatdorf Brinkebüll zurückkehrt und nichts mehr so vorfindet, wie es mal war, mag einem anfangs recht unspektakulär erscheinen, spätestens aber wenn man mit Ingwer auf die schrulligen Dörfler und ihren hinterwäldlerischen Angewohnheiten und Ansichten trifft, hat Hansen dich am Schopf gepackt und mit aller Wucht in das Geschehen geschleudert, das dem ihres Heimatorts Husum sicher ganz nahe kommt. Auch Ingwer, der Brinkebüll für sein Studium hinter sich gelassen hat, findet deshalb nicht auf Anhieb zurück. Seinem Großvater Sönke nähert er sich nur langsam. Er scheint ihm noch immer nicht verziehen zu haben, dass er damals in die große weite Welt hinauszog und den Familienbetrieb, den Gasthof Brinkebüll hinter sich ließ. Nun blickt Ingwer, mittlerweile Archäologe und Hochschullehrer, einem verstaubten Manifest alter Tage, dem Tanzsaal der Gastwirtschaft, wo man früher das Tanzbein geschwungen und den neuesten Dorftratsch untereinander ausgetauscht hat, und einem gealterten Großvater in die Augen. Ich genoss sie sehr, die Zeit mit Ingwer Feddersen und all den verschrobenen Dörflern aus Brinkebüll. Hansens ehrliche und unaufgeregte Zeilen über das Leben tun einfach der Seele gut. Sie sind ungeschönt, wirken zu keiner Zeit kitschig oder aufgesetzt. Die sprachliche Raffinesse ihrer Zeilen beeindruckt, das Platt unterhält in höchstem Maße.

5/5
Lesegenuss pur ♥️ “Mittagsstunde“ erzählt von Leid und Verschwiegenheit, von völliger Ignoranz, weil nicht sein kann, was nicht sein darf, von Freiheit und Verbundenheit. Vom Altern, der Scham. Vom weggehen und wiederkommen. Von Tradition und Veränderung. Für mich ist dieses Buch so viel mehr als nur eine Geschichte. Es ist ein Leben zwischen zwei Buchdeckeln. Ein Zuhause.
Melancholische und liebevolle Reise ins Geestland.. Ingwer Feddersen ist Archäologe, knapp vor der 50 und lebt in einer 3er WG in Kiel. Er stammt aus Brinkebüll, einem kleinen bäuerlichen Dorf bei Husum. Aufgewachsen ist er bei seinen Großeltern, die eine Gastwirtschaft betreiben. Jetzt, im Alter, brauchen sie seine Hilfe und Unterstützung. Seine Großmutter wird dement und sein tattriger Großvater hält stur die Stellung im Dorfkrug. Darum kehrt Ingwer heim und wir mit ihm. Ich finde die Tonart, in der Dörte Hansen schreibt deutlich melancholischer als in „altes Land“ da dieses Dorf im Sterben liegt. Nach der Flurbereinigung der 70er Jahre ist hier nichts mehr wie es war, Höfe geben auf, Mittagsstunde kann sich keiner mehr erlauben, Ingwers Großeltern haben um ihre Existenz zu kämpfen. War der Gasthof Schauplatz vieler Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen und Mittelpunkt des Dorflebens, vereinsamt er nun zunehmend. Auf vielen Höfen leben nun Städter, die es zurück in die Natur zieht. Wir tauchen tief ein in die Dorfgemeinschaft, lernen Freud und Leid der Bewohner kennen und Dörte Hansen schaffe es sprachlich zu fesseln und uns Norddeutschland nahe zu bringen. Ein Roman sich zu besinnen auf die gute alte Zeit, die nicht immer nur „besser“ war, sondern auch hart und arbeitsintensiv.
Ein sehr authentisches Portrait über ein Dorf, seine Bewohner und deren Entwicklung.
Ich habe mir das Buch auf einer Lesung von Dörte Hansen geholt, und war total begeistert von ihrer Art das Buch zu lesen. Mir selbst ist es zwischendurch schwer gefallen, gerade die plattdeutschen Passagen zu lesen und zu verstehen. Aber ihr Art zu schreiben ist einfach köstlich. Ich habe mich verliebt in die einzelnen Persönlichkeiten, und ihre schrägen Charakter. Einerseits schreibt Dörte Hansen liebevoll komisch, andererseits ist es die reine Wahrheit, die den Leser schonungslos trifft. Lange musste ich warten nach „Altes Land“, und das warten hat sich gelohnt.
Ingwer Feddersen, Brinkebüll und alle seine (weiteren) Bewohner sind mir ans Herz gewachsen. Ich habe verstanden, mitgefühlt, gestaunt, gelacht, geweint. Wer in die Geschichte eines Dorfes und seiner Bewohner eintauchen möchte, dabei ein „büschn Platt“ lernen und die Sozialstruktur von Dörfern (nicht nur im hohen Norden) verstehen mag, ist mit diesem Buch gut ausgestattet.
Sehr gut !
Sehr schönes Buch. Hier scheint die Welt noch in Ordnung. Das kleine Örtchen Brinkebühl scheint ein schöner Ort zu sein :) Die kleinen abschweifer ins Plattdeutsch machen das Lesen interessant. Gerne mehr davon :)
Nicht mein Fall
Leider konnte mich "Mittagsstunde" von Dörte Hansen nicht überzeugen. Obwohl die Charaktere sehr liebevoll und detailliert gezeichnet sind, fiel es mir schwer, eine Verbindung zu ihnen aufzubauen. Die Geschichte wirkte auf mich zäh und stellenweise langatmig, was meinen Lesefluss stark beeinträchtigte. Vielleicht liegt es einfach daran, dass der Stil oder die Thematik nicht meinem persönlichen Geschmack entspricht. Ich kann nicht mal genau benennen, woran es lag, aber es war wirklich anstrengend für mich das Buch zu beenden. Das Buch ist eher ruhig und atmosphärisch. Wer sowas mag, findet hier vielleicht trotzdem Gefallen dran.
Dörte Hansen lässt vor den Augen des Lesers das kleine friesische Dorf Brinkebühl auferstehen, das so verschroben, liebenswert und authentisch ist und stellvertretend wohl für viele kleine Dörfer stehen kann. In der Geschichte klingt von Anfang an eine Melancholie mit, die sich unglaublich schön in die raue friesische Landschaft passt. Doch trotz der oft tragischen Schicksale und Lebenswege, wird der Ton nie wehleidig oder jammervoll. Dörte Hansen trifft die Stimmung perfekt und lässt manchmal auch eine Prise trockenen Humor miteinfließen, meistens genau dann wenn ich es nicht erwartet hatte. Dörte Hansen nimmt ihre Charaktere nicht zu ernst und verleiht dem Buch somit eine Leichtigkeit die zusammen mit dem melancholischen Unterton eine wunderschöne Harmonie ergibt. Das erste Viertel fand ich etwas zäh, aber dann ließ mich die Geschichte nicht mehr los. Ein nostalgischer Heimatroman (darf man diese Bezeichnung hier überhaupt verwenden?) ohne jeden Kitsch, sprachlich großartig erzählt.
"De Welt geiht ünner" Nicht die ganze Welt geht unter, aber das kleine Dorf Brinkebüll. Flurbereinigung, Hofaufgaben, Abwanderungen, das Dorf stirbt aus. Nur einer kommt zurück, Ingwer Feddersen, um sich um seine Großeltern zu kümmern, die ihn aufgezogen haben und denen er jetzt etwas zurück geben will. "Mittagsstunde" ist mein zweiter Roman von Dörte Hansen. Und wieder liebe ich die Geschichte und vor Allem die Charaktere sehr. Ich bin so nah dran an den Personen, die Geschichte ist tragisch und doch so liebenswert. Ich bin selber sehr ländlich auf einem Hof großgeworden und kenne und liebe einfach diesen Schlag Mensch. Dörte Hansen hat ihnen ein großartiges Denkmal gesetzt mit diesem Buch. Ganz ruhig erzählt, mit viel Lokalkolorit , mit viel Landschaft und dem "bisschen Mensch" erzählt uns die Autorin eine Geschichte über Familie, über Liebe und Verlust. Besonders Sönke, Kriegsheimkehrer, Gastwirt, Ehemann, Vater, Großvater ist mir ans Herz gewachsen. Seine Geschichte wird in mehreren Zeitsprüngen erzählt denen ich allen gerne gefolgt bin. Das "Altwerden" spielt hier eine große Rolle und wird sehr ehrlich aber auch anrührend erzählt. Eine Geschichte, bei der ich das ein oder andere Tränchen aus den Augenwinkeln wischen musste. Danke für dieses großartige Buch, danke für dieses klingende Brinkebüll, "raschelig in den Eichenkronen, flüsterlich in den Pappeln.". "Weetst du noch?", ich werde es nicht vergessen. Ich möchte auch noch ganz besonders die Sprecherin des Hörbuchs, Hannelore Hoger, erwähnen und loben. Eine tolle Stimme, sehr einfühlsam gelesen. Sie hat das Buch, die hat den "norddeutschen Schnack" lebendig gemacht, sie hat Schlager angesungen, die ich dann meist sogar spontan mitsingen konnte, mit denen auch ich aufgewachsen bin. Ein echtes Erlebnis, das Hörbuch, absolut zu empfehlen.
Vom Anfang bis zum Ende, vom ersten bis zum letzten Wort hat mich dieses Buch begeistert. Jahreshighlight, Lieblingsbuch
Es hat ein Zeitlang gebraucht mich in seinen Bann zu ziehen mit der unaufgeregten Erzählweise. Dann ist das Dorf und seine Bewohner wie alte Bekannte und es tauchen eigene Erinnerungen an ähnliche Menschen auf und es fühlt sich gut an. Ich bin wider Erwarten sehr gut unterhalten worden, vielen Dank.
Wird schon wieder. Wird alles wieder gut. Es gibt Bücher, die will man weiterempfehlen – notfalls weiterverschenken! –, das Lob des Autors oder der Autorin von den Dächern schreien und fortan all ihre Bücher lesen. Bücher wie “Mittagsstunde”. Ich bin verliebt in dieses Buch, das ganz ohne abgedroschene Rührseligkeit daherkommt. Diese Atmosphäre, diese Sprache, diese Charaktere… Grandios. Und dabei so ungefiltert, so wahr und so nah dran am Leben, mit all seinen Höhen und Tiefen, dass es manchmal wehtut. Die Autorin sagt in wenigen Sätzen ganz viel: Lebensgefühl und Lebenswirklichkeit, komprimiert in ein paar prägnanten Bildern. “Keine Schönheit weit und breit. Nur nacktes Land, es sah verwüstet und geschunden aus. Ein Land, das man mit einer frommen Lüge trösten wollte, die Hand auf diese Erde legen: Wird schon wieder. Wird alles wieder gut.” (Zitat S. 18) Was Dörte Hansen hier beschreibt, ist nicht weniger als der leise Abgesang einer Epoche. Hier ist ein Dorf noch ein ganzes Universum – Heim und Trost, Fluch und Gefängnis seiner Bewohner. Vieles wird dabei nicht benannt, nicht mit Etiketten versehen, weil es gar nicht nötig ist. Auch wer nicht vom Dorf kommt, kann diese Welt mühelos aus Frau Hansens Zeilen herauslesen. Alles wird durchs Dorf getragen – nur werden die wirklich wichtigen Dinge nicht zwischen den Leuten besprochen, die es wirklich angeht. Der Zusammenhalt ist absolut, man wendet einem Bewohner des Dorfes nicht den Rücken – aber das gilt auch für den Vater, der seine Kinder verprügelt. Der Roman verzichtet auf plumpe Werturteile, der Leser kann (und wird) sich sein eigenes Bild machen. Das Dorf verkommt dabei nicht zur kitschigen Idylle. “Man hatte hier als Mensch nicht viel zu melden. Man konnte gern rechts ranfahren, aussteigen, gegen den Wind anbrüllen und Flüche in den Regen schreien, es brachte nichts. Es ging hier gar nicht um das bisschen Mensch.” (Zitat S. 17) Das ist meines Erachtens deswegen spannend, weil man gar nicht anders kann, als die Geschehnisse durch die Augen der Charaktere zu sehen – ‘bisschen Mensch’ hin oder her, auch wenn der Roman damit beginnt und endet. Denn die Charaktere sind Menschen, keine Klischees. Sie haben gravierende Schwächen, machen Fehler, sind manchmal unsympathisch, aber immer nachvollziehbar und echt. Der wichtigste Protagonist ist in meinen Augen Ingwer, der dem Dorf schon vor langer Zeit den Rücken gekehrt hat, um zu studieren, und jetzt zurückkehrt, um seine alten Eltern zu pflegen, die eigentlich seine Großeltern sind. Obwohl er schon lange erwachsen ist, steht er immer noch mit einem Fuß in beiden Welten – Dorf und Stadt, Tradition und Moderne. In Rückblicken erfährt man die Geschichte verschiedener Bewohner des Dorfes, wie eben die von Sönke, Ingwers (Groß)vater. Der erscheint auf den ersten Blick schroff und abweisend, wie ein stures Urgestein, mausert sich dann aber zu einem Charakter, der mir ans Herz gewachsen ist wie lange kein anderer. Ein weiterer wichtiger Charakter ist „Marret Ünnergang“, die durchs Dorf tingelt und den Untergang prophezeit. Das wird akzeptiert, darüber wundert sich keiner, sie ist halt “verdreit” – da kann man sich als Leser vergeblich fragen, ob sie vielleicht eine geistige Behinderung hat. Auch hier verzichtet das Buch auf Etiketten. Worauf es ebenfalls verzichtet, sind einfache Antworten. Im Leben gibt es nur sehr wenige ‘saubere’ Enden, und so bleibt vieles ungeklärt. Das tut der Wirkung des Buches meines Erachtens keinen Abbruch. FAZIT Dörte Hansen beschreibt mit viel Wärme, aber ohne platte Heimatidylle, das Ende einer Ära. Die Flurbereinigung hat Brinkebüll erreicht, die kleinen Bauern müssen einsehen, dass die alten Traditionen nicht mehr ausreichen, um von der Landwirtschaft leben zu können… Die Menschen von Brinkebüll sehen sich mit dem Untergang ihrer kleinen Welt konfrontiert. Auch wenn es manchmal schmerzt, ist das Buch doch immer wunderbar, mit einem klaren Schreibstil voller einprägsamer Bilder und lebendigen Charakteren, mit denen man trotz ihrer Schwächen mitfühlt. Diese Rezension erschien zunächst auf meinem Buchblog: https://wordpress.mikkaliest.de/2019/01/23/rezension-doerte-hansen-mittagsstunde/
• MITTAGSSTUNDE • Nachdem ich von dem ersten Roman „Altes Land“ der Autorin Dörte Hansen so begeistert war, habe ich mich sehr auf die Neuerscheinung im Taschenbuchformat von „Mittagsstunde“ gefreut. Im ersten Roman konnten mich vor allem die außergewöhnlichen Charaktere und die Beschreibung von Land und Leuten begeistern. Mit „Mittagsstunde“ konnte mich die Autorin dieses Mal leider nicht überzeugen. Zur Handlung: Der 47-jährige Archäologe und Hochschullehrer Ingwer Feddersen kehrt zurück in seine alte und etwas verstaubte Heimat: das nordfriesische Dorf Brinkebüll. Das Dorf befindet sich im Wandel und von den vollen Tanzsälen, den Dorffesten oder auch der ehemaligen Schule ist nicht mehr viel übrig geblieben. Der Roman spricht Themen, wie Veränderung, Neubeginn und das Altwerden an. Fünfzig Jahre Brinkbüll und die Geschichte rund um die Familie Feddersen können sich wirklich sehr in die länge ziehen. Zudem fehlte mir oftmals der rote Faden, obwohl die Familienzusammensetzung das Bindeglied sein sollte. Zeitsprünge lassen einen an der Vergangenheit und Gegenwart des Dorfes teilhaben. Dennoch ist die Handlung im ersten Teil des Romans relativ überschaubar. Im Gegensatz zu ihrem Erstlingsroman waren mir die Charaktere zu wirr und zu unausgereift. Zudem verheddert sich die Handlung immer und immer wieder in Nebensächlichkeiten und ausgedehnten Beschreibungen. Jetzt nicht falsch verstehen: generell mag ich genaue Beschreibungen von Räumen, der Landschaft oder auch den Charakteren, doch in diesem Fall war es zu viel des Guten. Dörte Hansen hat mir zwar die Sprache des Platts näher gebracht, was ich durchaus sehr interessant fand, jedoch hat sie es dieses Mal leider nicht geschafft mit mir in die schöne nordfriesische Landschaft abzutauchen. Dörte Hansens neuer Roman „Mittagsstunde“ reicht leider nicht an ihr voran gegangenes Buch „Altes Land“ heran. [2/5]
Mein zweites Buch im Jahr 2023, mein erstes von Dörte Hansen. Ein absolutes Highlight, welches betroffen macht, zum Nachdenken anregt und welches mich auf den letzten Seiten noch zum Weinen gebracht hat.
Anrührend, humorvoll, einfühlsam, wenn auch manchmal etwas stockend, vorgetragen von Hannelore Hoger - ein Hörerlebnis!
Nicht meine Autorin.
"An den Koppelrändern standen Kühe mit gesenkten Köpfen wie Melancholiker an Bahnsteigkanten." (S.39) Eine Ode an das Landleben und seine teilweise eigentümlichen Bewohner. Konnte mich leider, wie auch schon "Altes Land" nicht begeistern und für sich einnehmen. Ich habe gelesen und gelesen, mich in der Sprache verloren, aber nicht in die Handlung hineingefunden. Irgendwie fehlte mir der rote Faden und außer Ella ging mir auch keiner der Protagonisten nahe. Ich werde in Zukunft auf weitere Bücher der Autorin verzichten.

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Autorenbeschreibung
Dörte Hansen, geboren 1964 in Husum, arbeitete nach ihrem Studium der Linguistik als NDR-Redakteurin und Autorin für Hörfunk und Print. Ihr Debüt »Altes Land« wurde 2015 zum »Lieblingsbuch des unabhängigen Buchhandels« und zum Jahresbestseller 2015 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Ihr zweiter Roman »Mittagsstunde« erschien 2018, wurde wieder zum SPIEGEL-Jahresbestseller und mit dem Rheingau Literatur Preis sowie dem Grimmelshausen Literaturpreis ausgezeichnet. 2022 erschien ihr dritter Roman »Zur See«. Dörte Hansen, die mit ihrer Familie in Nordfriesland lebt, ist Mainzer Stadtschreiberin 2022.
Beiträge
Das Buch beeindruckt mich sehr! Ich hatte ein bisschen Probleme reinzukommen, aber dann hat es mich mit Wucht getroffen. Manchmal kam ich mir vor, als würde ich auch in Brinkebüll wohnen. Ich wohne genau in so einem kleinen Dorf, nur leider nicht in Norddeutschland und hatte ständig das Gefühl die in dem Buch beschrieben Menschen leben in meinem Ort. Ich kannte sie alle. Selten weiß man die richtigen Namen, immer nur kennt man sie unter ihren Spitznamen. Man mischt sich auch nicht ein, in die Angelegenheiten der Nachbarn, auch wenn man diese nicht gutheißen kann. So viel Liebe und Schmerz stecken in diesem Roman, so wie das Leben eben spielt und es nicht immer gut zu einem ist. Katastrophen passieren und herzärwärmende Zuneigung und Menschlichkeit passiert. Dorfleben in all seinen Facetten. Die immer wieder auf plattdeutsch eingeflochtenen Äußerungen bereichern das Ganze zusätzlich. "Ik weet wat, wat du nicht weetst." "Sie fuhren schweigend unter einem blauen Himmel, Wolkentiere galoppierten, große Herden eskortierten sie nach Brinkebüll, das sich aus seinem Mittagsschlaf berappelt hatte." Großartig!

Eine fesselnde Geschichte über die Veränderung eines kleinen norddeutschen Dorfes und seine Bewohner. Ein Lesegenuss.
Aus dem wahren Landleben
Ich bin selbst in einem kleinen Dorf aufgewachsen und habe so einige der Charaktere oder deren Merkmale wiedererkennen können. Sehr schön geschrieben, Tränen sind geflossen. Finde das Bich besser und aussagekräftiger als den Film!
Familiengeschichte mit vielen Höhen und Tiefen
Nachdem mir schon „Altes Land“ gefallen hatte von der Autorin, wurde mir dieses Buch wärmstens ans Herz gelegt. So richtig angesprochen hat es mich von Cover her nicht, den Klappentext fand ich nicht sehr vielsagend. Letzten Endes habe ich mich in diesem Buch sehr wohl gefühlt, Dorfleben, plattdeutsche Dialoge, das hat mich an Kindheit und Opa erinnert. Wir erleben in diesem Buch ein Dorf im Norddeutschen Flachland, jeder kennt jeden, Geheimnisse werden gehütet, man tratscht, man weiß alles über jeden. Eine Familiengeschichte, die sehr skurril ist. Ich mochte die Protagonisten und habe über 2 Generationen mit ihnen gefühlt, gelacht und geweint. Es ist eine Geschichte mit sehr viel Gefühl.

Dörte Hansen hat es einfach drauf, Menschen zu zeichnen. Eine sehr unaufgeregte Erzählung, bei der es gar nicht so sehr um die Menschen geht, eher um das Dorf in Norddeutschland. Doch auch dieses Mal beschert das Buch viele Gefühle, gerade auch wegen der Hauptpersonen und ihrer Schicksale. Hat mich total mitgenommen und wird immer wieder weiter empfohlen
Diese Frau kann schreiben, unglaublich.
Schönes Buch. Dörte Hansen beschreibt das Dorfleben so gut und lebhaft, dass man denkt, man wäre live dabei. Da ich selbst vom Dorf komme, habe ich oft gedacht "genau wie bei uns". Auch wenn sie hauptsächlich von Zeiten erzählt, in denen ich noch nicht da war, kann ich mir nur allzu gut vorstellen, dass diese Veränderungen in allen Dörfern so oder so ähnlich stattgefunden haben - auch in meiner Heimat.
Lesenswert!
Viele Schilderungen aus dem Roman erinnern mich an Geschichten meiner Großeltern und Eltern, die auf Bauernhöfen in Nordfriesland aufgewachsen sind. Der Autorin ist es somit gut gelungen die Art der nordfriesischen Dorfbewohner einzufangen. Spannend ist auch der von der Autorin dargestellte Wandel des Dorfes und der Zwiespalt des Protagonisten zwischen Tradition und modernem Stadtleben.
Ein Roman über Familienverhältnisse, das Leben auf dem Dorf, Geheimnisse und Entwicklung. Manchmal etwas langatmig, aber im Grundsatz gut zu hören.
Erst nach mehr als der Hälfte bin in diese Geschichte über das Verschwinden der ursprünglichen bäuerlichen Welt und das Dorfleben eingetaucht. Es erinnerte mich an eine Radtour im Emsland, wo man nur noch Mais und Windräder sehen kann und nur vermuten konnte, dass es mal anders war. Gerade in den letzten Kapiteln geht es darum wie sich die Landwirtschaft verändert hat, die wir doch alle brauchen. Und nicht nur die, sondern das ganze Leben im Dorf, das Feiern, das Miteinander hat sich verändert... " die Zeit der Bauern ging zu Ende. Man blies das Feuer aus, man brach die Zelte ab und ließ die letzten Sesshaften zurück...Zeitalter fingen an und endeten, so einfach war das."...
Mehr als nur eine (Mittags) Stunde
Es wird über das Leben auf dem Platten Land erzählt. Ich habe etwas gebraucht um in die Geschichte reinzukommen, dann lief es dann wie geschnitten Brot. Vielleicht, weil ich selber in einem Dorf groß geworden bin, kann ich die Charaktere nachvollziehen. Die verschiedenen Typen, dass Verhältnis untereinander, die Veränderungen durch Flurbereinigung, es stimmt wirklich! Und seine, Ingwers, Geschichte, ist so lieb geschrieben! Absolut lesenswert!
Dicht und authentisch. Ein tolles Buch bis zur letzten Seite.
Nun ja, jetzt habe ich auch dieses Buch, als letztes, von Dörte Hansen gelesen. Wie auch schon in meinen vorangegangenen Rezensionen für ihre Bücher, kann ich auch diesmal sagen, sie hat den Nagel auf den Kopf getroffen, aber hallo. Es ist für mich absolut beeindruckend, mit welcher Präzision sie ihre Worte genau an die richtige Stelle setzt, sich dadurch bei mir eine Kinoleinwand entfaltet und ich komplett in ihrer Geschichte, in ihren beschriebenen Charakteren versinke. Mehr kann ich von einem Buch nicht erwarten.
Roman, tragisch emotionale Geschichte aus Nordfriesland
In dem Buch gehts eigentlich um Nichts und doch wiederum um Alles! Gespickt mit direkter Rede im absoluten Plattdeutsch, aber mit etwas Phantasie meistens durchaus verständlich. Kann nicht genau sagen warum, mir hat der Roman sehr gut gefallen, vielleicht weil alles tatsächlich so geschehen sein könnte, schöne Sprache, toller Lesefluß!
Ein Buch über die Veränderung eines norddeutschen Dorfes. Ich brauchte recht lange, um in das Buch hineinzukommen, konnte dann aber spätestens ab der Hälfte nicht mehr aufhören zu lesen. Mit einer Genauigkeit und sprachlichen Präzision beschreibt Dörte Hansen, wie sich das Leben der Dorfbevölkerung und das Aussehen eines Dorfes durch gesellschaftliche Entwicklungen teils brachial verändern.
„Es gab in Brinkebüll viel Ungesagtes, manches schwebte schon jahrzehntelang durchs Dorf, von Haus zu Has, va Hof zu Hof. Mal landete es kurz, wenn jemand ein par Worte fallen ließ, betrunken meistens, nicht sehr treffsicher Des trieb es weiter, Angehauchtes und Vermutetes und Unaussprechliches und halb Vergessenes. Das Schweigen war wie eine zweite Muttersprache, man lernte es, wie man das Sprechen lernte. Schon die Kinder wussten, was man sagen durfte und was nicht.“ Dörte Hansen beweist mit Mittagsstunde einmal mehr, dass sie eine wahre Meisterin authentischer Protagonist*innen und des norddeutschen Lebensgefühls ist. Im dritten Roman den ich von ihr las (ihr zweiter veröffentlichter) schafft sie es, die Atmosphäre eines kleinen, sterbenden Dorfes im Norden Deutschlands lebendig werden zu lassen – ein Ort, dessen beste Zeiten längst vorüber sind. Die Geschichte begleitet Ingwer Feddersen, der nach Jahrzehnten in die Heimat zurückkehrt, um Vergangenes wiedergutzumachen und sich den Geistern seiner Kindheit zu stellen. Hansens besondere Erzählweise sticht auch hier hervor: Gespickt mit plattdeutschen Ausdrücken und typisch norddeutschen Redewendungen wirkt die Sprache so authentisch, dass man förmlich den rauen Wind über der Geest spürt. Diese sprachliche Gestaltung ist für mich ein Highlight – es verleiht dem Buch eine unverwechselbare Tiefe und Authentizität und passt perfekt zum Setting. Der Roman entfaltet sich auf zwei Zeitebenen und gibt so Stück für Stück das Bild eines Dorfes frei, das sich in den letzten Jahrzehnten radikal verändert hat. Dabei erleben wir das Leben im Dorf vor und nach der Flurbereinigung der 70er Jahre, ein entscheidender Einschnitt, der vielen kleineren Höfen die Existenzgrundlage raubte und das Gesicht des Dorfes nachhaltig veränderte. In diese Vergangenheit und Gegenwart einzutauchen, erzeugt eine besondere Sogwirkung – auch ohne den klassischen Spannungsbogen, bleibt man als Leser*in neugierig. Ich wollte unbedingt wissen, was in diesem Dorf damals geschah und wie sich die Menschen über die Jahre veränderten. Besonders bewegend ist die Frage, warum sie so wurden, wie sie heute sind, und wie sie auf den Wandel reagierten. Das gesamte Buch ist durchzogen von einer tiefen Melancholie. Die Tonart ist deutlich düsterer als in Hansens Altes Land, fast schon ein Abschiedsgesang auf das dörfliche Leben, das immer mehr zerfällt. Früher ruhte in der Mittagsstunde das gesamte Dorf, eine Zeit, um von der harten Arbeit Kraft zu schöpfen – heute ist diese Tradition längst verschwunden. Stattdessen kämpfen Ingwers Großeltern, Ella und Sönke, um den Fortbestand ihres Gasthofs, der einst das Zentrum des Dorflebens war und nun kaum noch besucht wird. Der Gasthof, der einst Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen beherbergte, ist fast vergessen. Die wenigen Höfe, die nicht aufgegeben wurden, werden heute oft von Städtern bewohnt, die einen ganz anderen Lebensstil pflegen und das frühere Dorfleben, wo Arbeit und Gemeinschaft alles bedeuteten, kaum noch nachvollziehen können. Hansen gelingt es dabei, eine gewisse Sehnsucht nach der „guten alten Zeit“ zu wecken und gleichzeitig die Problematik dieser vergangenen Strukturen offen zu legen. Denn nicht alles war früher besser. Die scheinbar heile Welt hatte ihre Schattenseiten, ihre Härten und ihren Schmerz. Diese Balance aus Liebe und Verlust, Freude und Katastrophen, prägt das Buch und spiegelt das Leben in all seinen Facetten wider – genau das, was mich an diesem Roman so bewegt hat. Die plattdeutschen Dialoge, die Hansen immer wieder einfließen lässt, bereichern das Ganze zusätzlich und geben dem Roman einen unverwechselbaren Klang. Dieser Roman ist für mich wie ein stilles Innehalten in einem hektischen Leben, eine Gelegenheit, über den Wandel von Tradition und Moderne nachzudenken und die Frage zu stellen, was wir eigentlich an „früher“ vermissen. Obwohl ich von Mittagsstunde begeistert bin und von Hansens Schreibstil, fehlte mir ein wenig die Spannung, die in ihren anderen Werken (Altes Land & Zur See) stärker vorhanden war. Dennoch regt die Geschichte zum Nachdenken und Reflektieren an und zeigt Hansens Talent für lebendige Sprache und authentische Figuren. Insgesamt gebe ich Mittagsstunde 4 von 5 Sternen.
Nach ein wenig Startschwierigkeiten, mochte ich es doch sehr gern 🤍
Ingwer Feddersen geht auf die 50 zu, ist Vor- und Frühgeschichtler und lebt in Kiel in einer WG. Normalerweise. Er hat sich eine berufliche Auszeit genommen, um sich in dem Geestdorf, aus dem er kommt, um seine greisen Großeltern und deren Gastwirtschaft zu kümmern. Der Kontrast zwischen Großstadt- und Dorfleben könnte kaum größer sein, zumal das Dorf im Begriff ist, zu sterben. Schon in „Altes Land“ ließ Dörte Hansen Großstädter auf Dörfler treffen. War dies dort jedoch vor allem eine Quelle für Humor, ist die Grundstimmung von „Mittagsstunde“ eine andere. Schon der Titel des Buches deutet darauf hin: Hier geht es um etwas, das ausstirbt. Auch wenn japanische Manager den Powernap für sich entdeckt haben, wer hält heute noch eine richtige Mittagsruhe? Protagonist Ingwer Feddersen ist hin- und hergerissen zwischen Moderne und Tradition, lebt in einer modernen Wohnkonstellation mit einem Mann und einer Frau, mit der beide durchaus einmal auch das Bett teilen, ist aber andererseits Archäologe, beschäftigt sich mit dem, was einmal war, in der Jungsteinzeit, als das bäuerliche Leben an der nordfriesischen Küste entstand. Und mit seinen Großeltern, die die letzte Generation solcher Bauern repräsentieren. Nicht umsonst lief seine Mutter, die etwas verrückte Marret, gewohnheitsmäßig durch Dorf und verkündete: „De Welt geht ünner“! Es begann mit der Flurbereinigung, als traditionelle Strukturen aufgebrochen und vieles zerstört wurde, etwa die alten Kastanien in der Dorfstraße, die früher Schatten spendeten und den Wind bremsten. Heute sind nur noch wenige Bauern in optimierten Höfen übrig, der Dorfladen ist geschlossen. In der alten Mühle hausen ein paar Großstädter, die zurückfinden möchten zur Natur. „Es war ein großes Missverständnis. Die Leute aus der Großstadt suchten die Natur und das Ursprüngliche, und in den Dörfern wurde es gerade abgeschafft“. (Seite 268) Wer jetzt aber glaubt, „Mittagsstunde“ sei ein Jammerroman, in dem die Vergangenheit beweint und romantisiert wird, täuscht sich. Es war eben nicht alles gut damals, das Leben war hart und schwierig, das stellt Dörte Hansen klar. Und doch schwingt eine leise Melancholie mit, als Ingwer Feddersen klar wird: Es gibt keinen Weg zurück, und das ist in Ordnung. Perfekt äußert sich die Melancholie, die ich persönlich mehr als alles andere in Geschichten liebe, im letzten Satz des Romans, den ich in meinem Enthusiasmus zunächst als den klügsten bezeichnete, den ich in einem Buch gelesen habe. Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Behauptung aufrecht erhalten möchte, aber er rückt den Menschen und seine Kultur in die rechte Perspektive. (Natürlich verrate ich den Satz nicht, man muss schon das Buch gelesen haben, um ihn lesen zu können.) Bleibt noch anzumerken, dass das Buch sprachlich umwerfend ist und wunderbare Bilder verwendet.
Mit "Mittagsstunde" ist Dörte Hansen ein poetisches, ruhiges und warmherziges Porträt des ländlichen Lebens im Wandel der Zeit gelungen. Die Themen des Romans sind zeitlos und universell: Heimat, Familie, Identität und der Wandel der Gesellschaft. Liebevoll gezeichnete einzigartige Charaktere lassen den Leser tief in ihre Gedanken- und Gefühlswelt eintauchen. Dazu kommt die sprachliche Gestaltung der Autorin, die eine melancholische Atmosphäre schafft, die berührt und nachdenklich stimmt. "Mittagsstunde" erzählt eine Geschichte, die man nicht nur einmal lesen möchte und die noch lange nachklingt. Eine klare Empfehlung für alle, die eine leise, aber tiefgründige Geschichte zu schätzen wissen.
Ein leises Buch, das mir erst mit der Zeit ans Herz gewachsen ist. Im stetigen Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart lernt der Leser die verschrobenen Bewohner eines nordfriesländischen Dorfes kennen und erfährt wie sich das Dorf und seine Bewohner im Laufe der Zeit wandeln. Scheinbar passiert nicht viel auf diesen 319 Seiten und doch passiert es, dass ich zum Schluss gern weitergelesen hätte.
Hätte nicht gedacht, dass mich das Buch so gefangen nimmt 🥰 so melancholisch, einfühlsam und frei von Kitsch wird hier das Verschwinden einer alten Welt erzählt... ich war begeistert...
Dieses Buch behandelt viele verschiedene Themen - Heimat und Landleben, Gemeinschaft, Familie, Geburt, Tod und einige mehr. Der Schreibstil der Autorin ist einfach genial. In einer knapp gehaltenen Sprache findet sie genau die richtigen Worte. Sie beschreibt die Menschen wunderbar und schafft eine realistische Atmosphäre, die einem sehr nahe geht. Beim Lesen hatte ich das Gefühl mich in diesem Dorf zu befinden. Dieses Buch lebt nicht von der Spannung und ist trotzdem eine Wucht.
Skurrile Leute Seltsame Handlungen
Ich habe es mehrmals versucht mit diesem Buch. Weil ich Altes Land so gerne gelesen habe. Aber erst die Verfilmung hat es mich fertig lesen lassen...
Mit "Mittagsstunde" hat Dörte Hansen eine Geschichte geschaffen, die noch lange nach der letzten Seite nachklingt. Das ist es, was ein Buch für mich besonders macht.
TW: Tod, Suizidversuch, häusliche Gewalt
Ein Buch, melancholisch wie ein grauer, windiger Herbsttag
Wer melancholische (nicht deprimierende!) Bücher mag, kommt hier auf seine Kosten. In vielen Rückblenden werden das Leben und die Menschen in einem fiktiven schleswigschen Dorf über mehrere Jahrzehnte nachgezeichnet. Dörte Hansen entwickelt mit ihrer sehr ruhigen und nachdenklichen Erzählweise die Figuren sehr genau und nachvollziehbar. Ihr zuzulesen ist ein Genuss. Dass der Leser nebenbei einige Happen Plattdeutsch lernt, ist ein charmanter Side-Plot Wer auf viel Action und Pageturner steht, sollte dieses Buch lieber nicht lesen. Für gemütliche Herbsttage ist es jedoch eine klare Empfehlung.
Ein ruhiges Buch, indem sich kaum etwas tut und doch so viel Leben passiert. Über Familie, Dorfgemeinschaft, Lebensentwürfe und so viel mehr. Sprachlich auf den Punkt gebracht, mit einer Portion Ironie, macht es Spaß es zu lesen.
„Ella konnte schweigen, wie die Tanzsaalwände und der Eichenboden, die auch alles wussten über Brinkebüll und nichts verrieten. Weghören oder schweigen, eins von beidem musste man gut können, wenn man einen Gasthof führen wollte.“
Es geht um Ingwer, darum wie er in einem kleinen Dorf in Norddeutschland aufwuchs, zum Studium in die Stadt zog und wie er irgendwann wieder zurück kehrte, um seine Eltern zu pflegen. Es geht darum, wie sich das dörfliche Leben mit den Jahren veränderte und um Familien, was sie mit sich tragen, was das Leben schwer macht und weshalb sich die einzelnen Mitglieder trotzdem brauchen und auf ihre spezielle Art und Weise auch unterstützen. Ich mochte den Schreibstil von Anfang an recht gerne, trotzdem fiel es mir etwas schwer in die Geschichte zu kommen, weil sie sehr langsam erzählt wird und wenig Handlung passiert. Irgendwann war ich dann doch ein kleiner Teil von Brinkebüll, musste immer wieder herzhaft lachen und war Minuten später sehr berührt. Das wird sicher nicht mein letzter Roman von Dörte Hansen gewesen sein.

„Mittagsstunde“ von Dörte Hansen ist leider erst der zweite Roman der Autorin, den ich gelesen habe, aber sicherlich nicht der letzte, sie muss nur weiter Romane schreiben, die mich so begeistern wie „Altes Land“ und „Mittagsstunde.“ Aber mit ein wenig Glück, gibt es wohl in diesem oder im nächsten Jahr Nachschub. Bis dahin muss ich mich gedulden und gerne auch nochmal „Mittagsstunde“ re-readen, denn eins muss ich gleich zu Beginn sagen: Das Buch hat von mir leider nicht die volle Aufmerksamkeit bekommen, die es verdient hätte. Der Grund dafür: ich habe das Buch parallel zu einem anderen tollen (Leserunden-) Buch gelesen, weshalb ich für diese Geschichte 2 Wochen gebraucht habe – anstelle von 3-4 Tagen, in denen ich das Buch wohl „gefressen“ hätte, wenn ich nichts anders nebenbei gelesen hätte. Dörte Hansen erzählt in „Mittagsstunde“ die Geschichte der Familie Feddersen. Sönke und Ella sind seit knapp 70 Jahren verheiratet und jeder in der Familie, im Dorf und auch wir Leser hoffen, dass beide ihre Gnadenhochzeit noch gemeinsam feiern können. Gefeiert werden soll natürlich im eigenen Gasthof, dem Mittelpunkt des Dorfes Brinkebüll, den Sönke von seinen Eltern übernommen hat. Betreut werden die beiden von ihrem Enkel Ingwer, Sohn ihrer Tochter Marret „Ünnergang“. Ingwer ist Hochschulprofessor und eigentlich dem Dort seit vielen Jahren entwachsen, legt jetzt ein Sabbatical ein und kehrt nach Brinkebüll zurück, denn „er hing an diesem rohen, abgewetzten Land, wie man an einem abgeliebten Stofftier hing, dem schon ein Auge fehlte, das am Bauch kein Fell mehr hatte.“. Doch er erkennt sein Heimatdorf kaum wieder: „keine Schule, kein Bäcker und kein Kaufmann. Keine Störche auf dem Dach der Kirche, auf den Feldern keine Kühe, nur noch Mais und Wind.“ Und somit erzählt Dörte Hansen auch die Geschichte des Dorfes und seiner Bewohner, und während ich diese Rezi schreibe, werde ich schrecklich melancholisch und die Augen werden feucht. Denn die Geschichte ging unendlich tief in mich hinein. Ich habe sowohl das Dorf und seine Bewohner, allen voran aber Ingwer und seine Großeltern unglaublich lieb gewonnen. Vor allem der alte Sönke, der mit 93 Jahren zwar körperlich nicht mehr fit ist, aber immer noch die Stellung in seinem Gasthof hält, wird für immer einen Platz in meinem Leserherzen haben. Die Beziehung zwischen ihm, dem Kriegsheimkehrer und Ella, die nicht mehr mit seiner Heimkehr gerechnet hat, hat Dörte Hansen so unglaublich feinfühlig und mit so viel Wärme erzählt. Es ist soviel passiert in ihrem Leben und im Dorf, dass ich mich manchmal gefragt habe, wie Dörte Hansen das auf gerade mal 320 Seiten packen konnte. Natürlich hätte ich mir mehr Seiten gewünscht, einfach, weil das Buch sooo gut war, aber irgendwie war es in seiner Kürze auch perfekt geschrieben. Sehr, sehr atmosphärisch mit so einem feinen Gespür für Stimmungen, Gefühle, Menschen. „Marret Ünnergang, verdreht, nicht verrückt, nie ganz normal. Ein Knäuel Mensch, verfilzt, schief aufgerollt.“ Ich sagte schon, ich werde schrecklich melancholisch, wenn ich an das Buch denke und auch wenn ich an der ein oder anderen Stelle lachen oder schmunzeln konnte, es ist kein fröhliches Buch. Es geht tief in mich hinein, der Stachel, den es in mein Herz gebohrt hat, hat Widerhaken und lässt sich nicht herausziehen. Aber der Stachel soll auch gar nicht gezogen werden. Im Gegenteil, ich werde mit einem Re-Read eher noch tiefer hineintreiben, aber auch nur allzu gerne bei jedem „Hä?!“ von Sönke vor mich hingrinsen.
War mir zu anstrengend
Total tiefgründig und toll geschrieben!
Die Autorin schafft es Sätze ohne viele unnötige Wörter bildlich und präzise zu formulieren. Das Lesen ihrer Texte tut einfach total gut! Die Geschichte ist so toll durchwoben mit den verschiedenen Schicksalen - kein Kitsch und kein Theater, einfach nur ein wunderbar bewegendes Buch welches zu meinen Liebsten gehört!
Am Anfang habe ich mich gefragt, warum ich das lese, aber bei ca 1/3 der Geschichte ging das vorbei und ich bin gerne in die Geschichte von Ingwer und von seinem Heimatdorf Brinkebüll eingetaucht.
Ich fand es schwierig reinzukommen und auch immer wieder wenn sich die Perspektive oder Zeit änderte. Die Erzählung und Charaktere sind nicht spektakulär, haben aber etwas an sich, was sympathisch ist und an das eigene Dorf/ die eigene Familie denken lässt.
Die Geschichte von Ingwer Feddersen, der in sein Heimatdorf Brinkebüll zurückkehrt und nichts mehr so vorfindet, wie es mal war, mag einem anfangs recht unspektakulär erscheinen, spätestens aber wenn man mit Ingwer auf die schrulligen Dörfler und ihren hinterwäldlerischen Angewohnheiten und Ansichten trifft, hat Hansen dich am Schopf gepackt und mit aller Wucht in das Geschehen geschleudert, das dem ihres Heimatorts Husum sicher ganz nahe kommt. Auch Ingwer, der Brinkebüll für sein Studium hinter sich gelassen hat, findet deshalb nicht auf Anhieb zurück. Seinem Großvater Sönke nähert er sich nur langsam. Er scheint ihm noch immer nicht verziehen zu haben, dass er damals in die große weite Welt hinauszog und den Familienbetrieb, den Gasthof Brinkebüll hinter sich ließ. Nun blickt Ingwer, mittlerweile Archäologe und Hochschullehrer, einem verstaubten Manifest alter Tage, dem Tanzsaal der Gastwirtschaft, wo man früher das Tanzbein geschwungen und den neuesten Dorftratsch untereinander ausgetauscht hat, und einem gealterten Großvater in die Augen. Ich genoss sie sehr, die Zeit mit Ingwer Feddersen und all den verschrobenen Dörflern aus Brinkebüll. Hansens ehrliche und unaufgeregte Zeilen über das Leben tun einfach der Seele gut. Sie sind ungeschönt, wirken zu keiner Zeit kitschig oder aufgesetzt. Die sprachliche Raffinesse ihrer Zeilen beeindruckt, das Platt unterhält in höchstem Maße.

5/5
Lesegenuss pur ♥️ “Mittagsstunde“ erzählt von Leid und Verschwiegenheit, von völliger Ignoranz, weil nicht sein kann, was nicht sein darf, von Freiheit und Verbundenheit. Vom Altern, der Scham. Vom weggehen und wiederkommen. Von Tradition und Veränderung. Für mich ist dieses Buch so viel mehr als nur eine Geschichte. Es ist ein Leben zwischen zwei Buchdeckeln. Ein Zuhause.
Melancholische und liebevolle Reise ins Geestland.. Ingwer Feddersen ist Archäologe, knapp vor der 50 und lebt in einer 3er WG in Kiel. Er stammt aus Brinkebüll, einem kleinen bäuerlichen Dorf bei Husum. Aufgewachsen ist er bei seinen Großeltern, die eine Gastwirtschaft betreiben. Jetzt, im Alter, brauchen sie seine Hilfe und Unterstützung. Seine Großmutter wird dement und sein tattriger Großvater hält stur die Stellung im Dorfkrug. Darum kehrt Ingwer heim und wir mit ihm. Ich finde die Tonart, in der Dörte Hansen schreibt deutlich melancholischer als in „altes Land“ da dieses Dorf im Sterben liegt. Nach der Flurbereinigung der 70er Jahre ist hier nichts mehr wie es war, Höfe geben auf, Mittagsstunde kann sich keiner mehr erlauben, Ingwers Großeltern haben um ihre Existenz zu kämpfen. War der Gasthof Schauplatz vieler Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen und Mittelpunkt des Dorflebens, vereinsamt er nun zunehmend. Auf vielen Höfen leben nun Städter, die es zurück in die Natur zieht. Wir tauchen tief ein in die Dorfgemeinschaft, lernen Freud und Leid der Bewohner kennen und Dörte Hansen schaffe es sprachlich zu fesseln und uns Norddeutschland nahe zu bringen. Ein Roman sich zu besinnen auf die gute alte Zeit, die nicht immer nur „besser“ war, sondern auch hart und arbeitsintensiv.
Ein sehr authentisches Portrait über ein Dorf, seine Bewohner und deren Entwicklung.
Ich habe mir das Buch auf einer Lesung von Dörte Hansen geholt, und war total begeistert von ihrer Art das Buch zu lesen. Mir selbst ist es zwischendurch schwer gefallen, gerade die plattdeutschen Passagen zu lesen und zu verstehen. Aber ihr Art zu schreiben ist einfach köstlich. Ich habe mich verliebt in die einzelnen Persönlichkeiten, und ihre schrägen Charakter. Einerseits schreibt Dörte Hansen liebevoll komisch, andererseits ist es die reine Wahrheit, die den Leser schonungslos trifft. Lange musste ich warten nach „Altes Land“, und das warten hat sich gelohnt.
Ingwer Feddersen, Brinkebüll und alle seine (weiteren) Bewohner sind mir ans Herz gewachsen. Ich habe verstanden, mitgefühlt, gestaunt, gelacht, geweint. Wer in die Geschichte eines Dorfes und seiner Bewohner eintauchen möchte, dabei ein „büschn Platt“ lernen und die Sozialstruktur von Dörfern (nicht nur im hohen Norden) verstehen mag, ist mit diesem Buch gut ausgestattet.
Sehr gut !
Sehr schönes Buch. Hier scheint die Welt noch in Ordnung. Das kleine Örtchen Brinkebühl scheint ein schöner Ort zu sein :) Die kleinen abschweifer ins Plattdeutsch machen das Lesen interessant. Gerne mehr davon :)
Nicht mein Fall
Leider konnte mich "Mittagsstunde" von Dörte Hansen nicht überzeugen. Obwohl die Charaktere sehr liebevoll und detailliert gezeichnet sind, fiel es mir schwer, eine Verbindung zu ihnen aufzubauen. Die Geschichte wirkte auf mich zäh und stellenweise langatmig, was meinen Lesefluss stark beeinträchtigte. Vielleicht liegt es einfach daran, dass der Stil oder die Thematik nicht meinem persönlichen Geschmack entspricht. Ich kann nicht mal genau benennen, woran es lag, aber es war wirklich anstrengend für mich das Buch zu beenden. Das Buch ist eher ruhig und atmosphärisch. Wer sowas mag, findet hier vielleicht trotzdem Gefallen dran.
Dörte Hansen lässt vor den Augen des Lesers das kleine friesische Dorf Brinkebühl auferstehen, das so verschroben, liebenswert und authentisch ist und stellvertretend wohl für viele kleine Dörfer stehen kann. In der Geschichte klingt von Anfang an eine Melancholie mit, die sich unglaublich schön in die raue friesische Landschaft passt. Doch trotz der oft tragischen Schicksale und Lebenswege, wird der Ton nie wehleidig oder jammervoll. Dörte Hansen trifft die Stimmung perfekt und lässt manchmal auch eine Prise trockenen Humor miteinfließen, meistens genau dann wenn ich es nicht erwartet hatte. Dörte Hansen nimmt ihre Charaktere nicht zu ernst und verleiht dem Buch somit eine Leichtigkeit die zusammen mit dem melancholischen Unterton eine wunderschöne Harmonie ergibt. Das erste Viertel fand ich etwas zäh, aber dann ließ mich die Geschichte nicht mehr los. Ein nostalgischer Heimatroman (darf man diese Bezeichnung hier überhaupt verwenden?) ohne jeden Kitsch, sprachlich großartig erzählt.
"De Welt geiht ünner" Nicht die ganze Welt geht unter, aber das kleine Dorf Brinkebüll. Flurbereinigung, Hofaufgaben, Abwanderungen, das Dorf stirbt aus. Nur einer kommt zurück, Ingwer Feddersen, um sich um seine Großeltern zu kümmern, die ihn aufgezogen haben und denen er jetzt etwas zurück geben will. "Mittagsstunde" ist mein zweiter Roman von Dörte Hansen. Und wieder liebe ich die Geschichte und vor Allem die Charaktere sehr. Ich bin so nah dran an den Personen, die Geschichte ist tragisch und doch so liebenswert. Ich bin selber sehr ländlich auf einem Hof großgeworden und kenne und liebe einfach diesen Schlag Mensch. Dörte Hansen hat ihnen ein großartiges Denkmal gesetzt mit diesem Buch. Ganz ruhig erzählt, mit viel Lokalkolorit , mit viel Landschaft und dem "bisschen Mensch" erzählt uns die Autorin eine Geschichte über Familie, über Liebe und Verlust. Besonders Sönke, Kriegsheimkehrer, Gastwirt, Ehemann, Vater, Großvater ist mir ans Herz gewachsen. Seine Geschichte wird in mehreren Zeitsprüngen erzählt denen ich allen gerne gefolgt bin. Das "Altwerden" spielt hier eine große Rolle und wird sehr ehrlich aber auch anrührend erzählt. Eine Geschichte, bei der ich das ein oder andere Tränchen aus den Augenwinkeln wischen musste. Danke für dieses großartige Buch, danke für dieses klingende Brinkebüll, "raschelig in den Eichenkronen, flüsterlich in den Pappeln.". "Weetst du noch?", ich werde es nicht vergessen. Ich möchte auch noch ganz besonders die Sprecherin des Hörbuchs, Hannelore Hoger, erwähnen und loben. Eine tolle Stimme, sehr einfühlsam gelesen. Sie hat das Buch, die hat den "norddeutschen Schnack" lebendig gemacht, sie hat Schlager angesungen, die ich dann meist sogar spontan mitsingen konnte, mit denen auch ich aufgewachsen bin. Ein echtes Erlebnis, das Hörbuch, absolut zu empfehlen.
Vom Anfang bis zum Ende, vom ersten bis zum letzten Wort hat mich dieses Buch begeistert. Jahreshighlight, Lieblingsbuch
Es hat ein Zeitlang gebraucht mich in seinen Bann zu ziehen mit der unaufgeregten Erzählweise. Dann ist das Dorf und seine Bewohner wie alte Bekannte und es tauchen eigene Erinnerungen an ähnliche Menschen auf und es fühlt sich gut an. Ich bin wider Erwarten sehr gut unterhalten worden, vielen Dank.
Wird schon wieder. Wird alles wieder gut. Es gibt Bücher, die will man weiterempfehlen – notfalls weiterverschenken! –, das Lob des Autors oder der Autorin von den Dächern schreien und fortan all ihre Bücher lesen. Bücher wie “Mittagsstunde”. Ich bin verliebt in dieses Buch, das ganz ohne abgedroschene Rührseligkeit daherkommt. Diese Atmosphäre, diese Sprache, diese Charaktere… Grandios. Und dabei so ungefiltert, so wahr und so nah dran am Leben, mit all seinen Höhen und Tiefen, dass es manchmal wehtut. Die Autorin sagt in wenigen Sätzen ganz viel: Lebensgefühl und Lebenswirklichkeit, komprimiert in ein paar prägnanten Bildern. “Keine Schönheit weit und breit. Nur nacktes Land, es sah verwüstet und geschunden aus. Ein Land, das man mit einer frommen Lüge trösten wollte, die Hand auf diese Erde legen: Wird schon wieder. Wird alles wieder gut.” (Zitat S. 18) Was Dörte Hansen hier beschreibt, ist nicht weniger als der leise Abgesang einer Epoche. Hier ist ein Dorf noch ein ganzes Universum – Heim und Trost, Fluch und Gefängnis seiner Bewohner. Vieles wird dabei nicht benannt, nicht mit Etiketten versehen, weil es gar nicht nötig ist. Auch wer nicht vom Dorf kommt, kann diese Welt mühelos aus Frau Hansens Zeilen herauslesen. Alles wird durchs Dorf getragen – nur werden die wirklich wichtigen Dinge nicht zwischen den Leuten besprochen, die es wirklich angeht. Der Zusammenhalt ist absolut, man wendet einem Bewohner des Dorfes nicht den Rücken – aber das gilt auch für den Vater, der seine Kinder verprügelt. Der Roman verzichtet auf plumpe Werturteile, der Leser kann (und wird) sich sein eigenes Bild machen. Das Dorf verkommt dabei nicht zur kitschigen Idylle. “Man hatte hier als Mensch nicht viel zu melden. Man konnte gern rechts ranfahren, aussteigen, gegen den Wind anbrüllen und Flüche in den Regen schreien, es brachte nichts. Es ging hier gar nicht um das bisschen Mensch.” (Zitat S. 17) Das ist meines Erachtens deswegen spannend, weil man gar nicht anders kann, als die Geschehnisse durch die Augen der Charaktere zu sehen – ‘bisschen Mensch’ hin oder her, auch wenn der Roman damit beginnt und endet. Denn die Charaktere sind Menschen, keine Klischees. Sie haben gravierende Schwächen, machen Fehler, sind manchmal unsympathisch, aber immer nachvollziehbar und echt. Der wichtigste Protagonist ist in meinen Augen Ingwer, der dem Dorf schon vor langer Zeit den Rücken gekehrt hat, um zu studieren, und jetzt zurückkehrt, um seine alten Eltern zu pflegen, die eigentlich seine Großeltern sind. Obwohl er schon lange erwachsen ist, steht er immer noch mit einem Fuß in beiden Welten – Dorf und Stadt, Tradition und Moderne. In Rückblicken erfährt man die Geschichte verschiedener Bewohner des Dorfes, wie eben die von Sönke, Ingwers (Groß)vater. Der erscheint auf den ersten Blick schroff und abweisend, wie ein stures Urgestein, mausert sich dann aber zu einem Charakter, der mir ans Herz gewachsen ist wie lange kein anderer. Ein weiterer wichtiger Charakter ist „Marret Ünnergang“, die durchs Dorf tingelt und den Untergang prophezeit. Das wird akzeptiert, darüber wundert sich keiner, sie ist halt “verdreit” – da kann man sich als Leser vergeblich fragen, ob sie vielleicht eine geistige Behinderung hat. Auch hier verzichtet das Buch auf Etiketten. Worauf es ebenfalls verzichtet, sind einfache Antworten. Im Leben gibt es nur sehr wenige ‘saubere’ Enden, und so bleibt vieles ungeklärt. Das tut der Wirkung des Buches meines Erachtens keinen Abbruch. FAZIT Dörte Hansen beschreibt mit viel Wärme, aber ohne platte Heimatidylle, das Ende einer Ära. Die Flurbereinigung hat Brinkebüll erreicht, die kleinen Bauern müssen einsehen, dass die alten Traditionen nicht mehr ausreichen, um von der Landwirtschaft leben zu können… Die Menschen von Brinkebüll sehen sich mit dem Untergang ihrer kleinen Welt konfrontiert. Auch wenn es manchmal schmerzt, ist das Buch doch immer wunderbar, mit einem klaren Schreibstil voller einprägsamer Bilder und lebendigen Charakteren, mit denen man trotz ihrer Schwächen mitfühlt. Diese Rezension erschien zunächst auf meinem Buchblog: https://wordpress.mikkaliest.de/2019/01/23/rezension-doerte-hansen-mittagsstunde/
• MITTAGSSTUNDE • Nachdem ich von dem ersten Roman „Altes Land“ der Autorin Dörte Hansen so begeistert war, habe ich mich sehr auf die Neuerscheinung im Taschenbuchformat von „Mittagsstunde“ gefreut. Im ersten Roman konnten mich vor allem die außergewöhnlichen Charaktere und die Beschreibung von Land und Leuten begeistern. Mit „Mittagsstunde“ konnte mich die Autorin dieses Mal leider nicht überzeugen. Zur Handlung: Der 47-jährige Archäologe und Hochschullehrer Ingwer Feddersen kehrt zurück in seine alte und etwas verstaubte Heimat: das nordfriesische Dorf Brinkebüll. Das Dorf befindet sich im Wandel und von den vollen Tanzsälen, den Dorffesten oder auch der ehemaligen Schule ist nicht mehr viel übrig geblieben. Der Roman spricht Themen, wie Veränderung, Neubeginn und das Altwerden an. Fünfzig Jahre Brinkbüll und die Geschichte rund um die Familie Feddersen können sich wirklich sehr in die länge ziehen. Zudem fehlte mir oftmals der rote Faden, obwohl die Familienzusammensetzung das Bindeglied sein sollte. Zeitsprünge lassen einen an der Vergangenheit und Gegenwart des Dorfes teilhaben. Dennoch ist die Handlung im ersten Teil des Romans relativ überschaubar. Im Gegensatz zu ihrem Erstlingsroman waren mir die Charaktere zu wirr und zu unausgereift. Zudem verheddert sich die Handlung immer und immer wieder in Nebensächlichkeiten und ausgedehnten Beschreibungen. Jetzt nicht falsch verstehen: generell mag ich genaue Beschreibungen von Räumen, der Landschaft oder auch den Charakteren, doch in diesem Fall war es zu viel des Guten. Dörte Hansen hat mir zwar die Sprache des Platts näher gebracht, was ich durchaus sehr interessant fand, jedoch hat sie es dieses Mal leider nicht geschafft mit mir in die schöne nordfriesische Landschaft abzutauchen. Dörte Hansens neuer Roman „Mittagsstunde“ reicht leider nicht an ihr voran gegangenes Buch „Altes Land“ heran. [2/5]
Mein zweites Buch im Jahr 2023, mein erstes von Dörte Hansen. Ein absolutes Highlight, welches betroffen macht, zum Nachdenken anregt und welches mich auf den letzten Seiten noch zum Weinen gebracht hat.
Anrührend, humorvoll, einfühlsam, wenn auch manchmal etwas stockend, vorgetragen von Hannelore Hoger - ein Hörerlebnis!
Nicht meine Autorin.
"An den Koppelrändern standen Kühe mit gesenkten Köpfen wie Melancholiker an Bahnsteigkanten." (S.39) Eine Ode an das Landleben und seine teilweise eigentümlichen Bewohner. Konnte mich leider, wie auch schon "Altes Land" nicht begeistern und für sich einnehmen. Ich habe gelesen und gelesen, mich in der Sprache verloren, aber nicht in die Handlung hineingefunden. Irgendwie fehlte mir der rote Faden und außer Ella ging mir auch keiner der Protagonisten nahe. Ich werde in Zukunft auf weitere Bücher der Autorin verzichten.
