Die Mandarins von Paris: «Das mitreißende Werk einer großen Erzählerin.» Nicole Seifert. In neuer Übersetzung!
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Prix Goncourt Gewinnerbuch 1954 in Neuübersetzung 🤩
Wer sind sie, die titelgebenden Mandarins von Paris? Es sind die Pariser Intellektuellen, die sich aufrieben in ihren Debatten rund um Literatur und Politik vor 70 Jahren. Unter ihnen Anne Dubreuihl, die zwar als Akademiker gerne gesehen war in diesen Kreisen, aber noch lieber wäre sie ihnen wahrscheinlich als Mann gewesen in den in der Nachkriegszeit vorherrschenden patriarchalen Strukturen. Für dieses Werk wurde Simone de Beauvoir 1954 der Prix Goncourt verliehen, doch hinsichtlich der Ablehnung, die sie zuvor erfuhr aufgrund ihres Romans „Das andere Geschlecht“ - hielt sie sich bezüglich der Nominierung und Verleihung des Preises eher im Hintergrund, denn die Häme rund um den Skandal saß tief. Eine Woche habe ich gelesen an dem über 1000 Seiten langen Wälzer in Neuübersetzung. Doch hat es sich gelohnt?! Für mich ganz klar: „Ja“! Es war mein erstes Buch der Autorin und der Wälzer hab mir die Möglichkeit tief einzutauchen in die Romanwelt de Beauvoirs‘. Drei Protagonisten bilden das Herz des Romans: Der Publizist Henri Perron, dem ich eine Ähnlichkeit mit Albert Camus zuschreiben würde; die Psychologin Anne Dubreuilh und der Philosoph Robert Dubreuilh - die eine enge Freundschaft verbindet und deren Parallelen zu Simone de Beauvoir und Jean Paul Satre nicht von der Hand zu weisen sind. Der Roman beginnt mit Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Alliierten 1944 auf Paris vorrückten und bildet den Zwiespalt und die Konflikte zwischen links und rechts in der französischen Nachkriegsgesellschaft ab. Doch auch autofiktionale Verknüpfungen sind in dem Roman verarbeitet, wie die Affäre Anne Dubreuihls (Simone de Beauvoir) mit dem Chicagoer Schriftsteller Lewis Brogan (Nelson Algren). Wem würde ich denn nun empfehlen, den Kampf mit dem 1024 Seiten langen Wälzer aufzunehmen? Ich würde „Die Mandarins von Paris“ allen Leser*innen empfehlen, die sich mehr mit den damaligen zeitgeschichtlichen Zusammenhängen, dem Literaturmilieu, aber auch den politischen Umbrüchen, Feminismus und dem Werk und Leben von Simone de Beauvoirs auseinandersetzen möchten. Es gilt ja durchaus als Schlüsselroman und ich fand es spannend die autobiografischen/ bzw. autofiktionalen Elemente zu erkennen und weiter zu recherchieren - z.B. bin ich bezüglich der Affäre von Anne und Lewis (Simone de Beauvoir und Nelson Algren) auf das Buch „Eine transatlantische Liebe“ gestoßen, das Simone de Beauvoirs Briefe an ihren Freund und Liebhaber Nelson Algren umfasst. Für mich war „Die Mandarins von Paris“ der Einstieg in die Literaturwelt de Beauvoirs‘ und ich freue mich weitere ihrer Werke literarisch zu entdecken. Auch nicht unerwähnt lassen möchte ich die grandiose Übersetzungsarbeit von Claudia Marquardt und Amelie Thoma - an alle, die „Die Mandarins von Paris“ lesen möchten ein kleiner Tipp: Lest unbedingt das Nachwort von Nicole Seifert, hier zum Abschluss ein kleiner Auszug von Simone de Beauvoirs Worten zur Veröffentlichung ihres eigenen Romans: „Ich wollte ganz darin aufgehen, ich wollte mein Verhältnis zum Leben, zum Tod, zur Zeit, zur Literatur, zur Liebe, zur Freundschaft, zum Reisen beschreiben. Ich wollte auch andere Menschen schildern und vor allem die fiebrige, von lauter Enttäuschungen begleitete Geschichte der Nachkriegszeit erzählen.“
Da hat das Buch schon über tausend Seiten und für mich könnte es glatt nochmal so lang weitergehen. Seit langem habe ich endlich mal wieder etwas von Simone de Beauvoir gelesen und mich gleich wieder wohl gefühlt. Ich liebe ihren Stil, ihre Charaktere, und Geschichten. Man bangt, zweifelt, liebt und desillusioniert sich mit ihnen zusammen. Mir hat die Abwechslung zwischen den beiden Erzählweisen gut gefallen, auch wenn ich manchmal wegen der zeitlichen Überschneidung etwas verwirrt war. Zum Inhalt will ich eigentlich gar nicht viel sagen, man merkt, dass in Anne einiges autobiographisches steckt und sich auch Robert und Henri an Sartre und Camus orientieren - und zu wissen, dass sich ihre Liebesgeschichte ebenfalls an ihrem wahren unglücklichen Liebesleben mit dem amerikanischen Schriftsteller Algren orientiert (der übrigens gar nicht erfreut über dieses Buch war, das ihm sogar gewidmet ist), macht das ganze noch etwas intensiver für mich.
Fein gezeichnete und authentische Chataktere, in einer Zeit des möglichen Umschwungs.
Zu Beginn war ich mir noch unsicher und dachte, dass dieses Buch mit seinen gut 1000 Seiten ein hartes Stück Arbeit werden würde. Nach den ersten Seiten bin ich aber gut rein gekommen und fand mich in einem Lesefluss wieder. Wir befinden uns in Paris. Der zweite Weltkrieg hat endlich sein Ende gefunden und in den Köpfen der Menschen wird sich ausgemalt, wie es nun weitergeht. Der Erzählstil wechselt mit jedem Kapitel. Wird die dritte Person Singular verwendet, so wissen wir dass der Fokus gerade auf Henri liegt. Henri ist ein junger Intellektueller, der Romane schreibt, seine eigene Zeitung "Espoir" leitet und sich in einer doch eher fragwürdigen Beziehung mit Paule befindet. Mit Politik möchte er eigentlich nichts am Hut haben, doch kann auch er sich davor nicht ganz verschließen und sieht sich schon bald schwierigen Entscheidungen gegenüber in welchen von ihm eine Positionierung erwartet wird. Kapitel in der Ich-Perspektive sind aus der Sich von Anne geschrieben. Sie hat sich als Therapeutin einen Namen gemacht, ist aber vor allem durch ihren Mann bekannt, der wie sein guter Freund Henri Schriftsteller ist und zu den Intelektuellen der Stadt zählt. Der Wechsel zwischen den Kapiteln hat mir aus zwei Gründen sehr gut gefallen. Zum einen, war dadurch immer direkt klar, wessen Geschichte gerade erzählt wird und zum anderen konnten wir die beiden im Fokus stehenden Person auch aus der jeweils anderen Perspektive betrachten. Mir haben die vielen unterschiedlichen Charaktere gut gefallen. Jeder wurde fein gezeichnet, war authentisch und blieb sich stets treu. Insbesondere Paule und ihre persönliche Entwicklung ist der Autorin sehr gut gelungen! Insgesamt liest sich der Roman sehr angenehm, und das ohne wirklichen Spannungsbogen. Ca. zur Hälfte habe ich es als etwas müßig empfunden, gegen Ende kam der Fluss allerdings zurück. 150 Seiten weniger wären in Summe vermutlich auch ok gewesen. In erster Linie habe ich mich für dieses Buch, da der Klappentext den Eindruck erweckt, dass Anne im Vordergrund steht. Ich habe erwartet das es viel offensichtlicher und stärker um die Rolle der Frau in dieser Zeit geht. Doch so war es letztlich nicht. Dass dieses Bild gar nicht so stark und direkt war, ist aber ggf. gewollt, da das nicht vorkommen von Anne in politischen und literarischen Diskussionen doch eben genau die Rolle der Frau gut wiederspiegelt. _______________ "Espoir" heißt übrigens übersetzt "Hoffnung". Ein perfekt gewählter Name für eine Zeitung in einem Nachkriegsroman.
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Prix Goncourt Gewinnerbuch 1954 in Neuübersetzung 🤩
Wer sind sie, die titelgebenden Mandarins von Paris? Es sind die Pariser Intellektuellen, die sich aufrieben in ihren Debatten rund um Literatur und Politik vor 70 Jahren. Unter ihnen Anne Dubreuihl, die zwar als Akademiker gerne gesehen war in diesen Kreisen, aber noch lieber wäre sie ihnen wahrscheinlich als Mann gewesen in den in der Nachkriegszeit vorherrschenden patriarchalen Strukturen. Für dieses Werk wurde Simone de Beauvoir 1954 der Prix Goncourt verliehen, doch hinsichtlich der Ablehnung, die sie zuvor erfuhr aufgrund ihres Romans „Das andere Geschlecht“ - hielt sie sich bezüglich der Nominierung und Verleihung des Preises eher im Hintergrund, denn die Häme rund um den Skandal saß tief. Eine Woche habe ich gelesen an dem über 1000 Seiten langen Wälzer in Neuübersetzung. Doch hat es sich gelohnt?! Für mich ganz klar: „Ja“! Es war mein erstes Buch der Autorin und der Wälzer hab mir die Möglichkeit tief einzutauchen in die Romanwelt de Beauvoirs‘. Drei Protagonisten bilden das Herz des Romans: Der Publizist Henri Perron, dem ich eine Ähnlichkeit mit Albert Camus zuschreiben würde; die Psychologin Anne Dubreuilh und der Philosoph Robert Dubreuilh - die eine enge Freundschaft verbindet und deren Parallelen zu Simone de Beauvoir und Jean Paul Satre nicht von der Hand zu weisen sind. Der Roman beginnt mit Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Alliierten 1944 auf Paris vorrückten und bildet den Zwiespalt und die Konflikte zwischen links und rechts in der französischen Nachkriegsgesellschaft ab. Doch auch autofiktionale Verknüpfungen sind in dem Roman verarbeitet, wie die Affäre Anne Dubreuihls (Simone de Beauvoir) mit dem Chicagoer Schriftsteller Lewis Brogan (Nelson Algren). Wem würde ich denn nun empfehlen, den Kampf mit dem 1024 Seiten langen Wälzer aufzunehmen? Ich würde „Die Mandarins von Paris“ allen Leser*innen empfehlen, die sich mehr mit den damaligen zeitgeschichtlichen Zusammenhängen, dem Literaturmilieu, aber auch den politischen Umbrüchen, Feminismus und dem Werk und Leben von Simone de Beauvoirs auseinandersetzen möchten. Es gilt ja durchaus als Schlüsselroman und ich fand es spannend die autobiografischen/ bzw. autofiktionalen Elemente zu erkennen und weiter zu recherchieren - z.B. bin ich bezüglich der Affäre von Anne und Lewis (Simone de Beauvoir und Nelson Algren) auf das Buch „Eine transatlantische Liebe“ gestoßen, das Simone de Beauvoirs Briefe an ihren Freund und Liebhaber Nelson Algren umfasst. Für mich war „Die Mandarins von Paris“ der Einstieg in die Literaturwelt de Beauvoirs‘ und ich freue mich weitere ihrer Werke literarisch zu entdecken. Auch nicht unerwähnt lassen möchte ich die grandiose Übersetzungsarbeit von Claudia Marquardt und Amelie Thoma - an alle, die „Die Mandarins von Paris“ lesen möchten ein kleiner Tipp: Lest unbedingt das Nachwort von Nicole Seifert, hier zum Abschluss ein kleiner Auszug von Simone de Beauvoirs Worten zur Veröffentlichung ihres eigenen Romans: „Ich wollte ganz darin aufgehen, ich wollte mein Verhältnis zum Leben, zum Tod, zur Zeit, zur Literatur, zur Liebe, zur Freundschaft, zum Reisen beschreiben. Ich wollte auch andere Menschen schildern und vor allem die fiebrige, von lauter Enttäuschungen begleitete Geschichte der Nachkriegszeit erzählen.“
Da hat das Buch schon über tausend Seiten und für mich könnte es glatt nochmal so lang weitergehen. Seit langem habe ich endlich mal wieder etwas von Simone de Beauvoir gelesen und mich gleich wieder wohl gefühlt. Ich liebe ihren Stil, ihre Charaktere, und Geschichten. Man bangt, zweifelt, liebt und desillusioniert sich mit ihnen zusammen. Mir hat die Abwechslung zwischen den beiden Erzählweisen gut gefallen, auch wenn ich manchmal wegen der zeitlichen Überschneidung etwas verwirrt war. Zum Inhalt will ich eigentlich gar nicht viel sagen, man merkt, dass in Anne einiges autobiographisches steckt und sich auch Robert und Henri an Sartre und Camus orientieren - und zu wissen, dass sich ihre Liebesgeschichte ebenfalls an ihrem wahren unglücklichen Liebesleben mit dem amerikanischen Schriftsteller Algren orientiert (der übrigens gar nicht erfreut über dieses Buch war, das ihm sogar gewidmet ist), macht das ganze noch etwas intensiver für mich.
Fein gezeichnete und authentische Chataktere, in einer Zeit des möglichen Umschwungs.
Zu Beginn war ich mir noch unsicher und dachte, dass dieses Buch mit seinen gut 1000 Seiten ein hartes Stück Arbeit werden würde. Nach den ersten Seiten bin ich aber gut rein gekommen und fand mich in einem Lesefluss wieder. Wir befinden uns in Paris. Der zweite Weltkrieg hat endlich sein Ende gefunden und in den Köpfen der Menschen wird sich ausgemalt, wie es nun weitergeht. Der Erzählstil wechselt mit jedem Kapitel. Wird die dritte Person Singular verwendet, so wissen wir dass der Fokus gerade auf Henri liegt. Henri ist ein junger Intellektueller, der Romane schreibt, seine eigene Zeitung "Espoir" leitet und sich in einer doch eher fragwürdigen Beziehung mit Paule befindet. Mit Politik möchte er eigentlich nichts am Hut haben, doch kann auch er sich davor nicht ganz verschließen und sieht sich schon bald schwierigen Entscheidungen gegenüber in welchen von ihm eine Positionierung erwartet wird. Kapitel in der Ich-Perspektive sind aus der Sich von Anne geschrieben. Sie hat sich als Therapeutin einen Namen gemacht, ist aber vor allem durch ihren Mann bekannt, der wie sein guter Freund Henri Schriftsteller ist und zu den Intelektuellen der Stadt zählt. Der Wechsel zwischen den Kapiteln hat mir aus zwei Gründen sehr gut gefallen. Zum einen, war dadurch immer direkt klar, wessen Geschichte gerade erzählt wird und zum anderen konnten wir die beiden im Fokus stehenden Person auch aus der jeweils anderen Perspektive betrachten. Mir haben die vielen unterschiedlichen Charaktere gut gefallen. Jeder wurde fein gezeichnet, war authentisch und blieb sich stets treu. Insbesondere Paule und ihre persönliche Entwicklung ist der Autorin sehr gut gelungen! Insgesamt liest sich der Roman sehr angenehm, und das ohne wirklichen Spannungsbogen. Ca. zur Hälfte habe ich es als etwas müßig empfunden, gegen Ende kam der Fluss allerdings zurück. 150 Seiten weniger wären in Summe vermutlich auch ok gewesen. In erster Linie habe ich mich für dieses Buch, da der Klappentext den Eindruck erweckt, dass Anne im Vordergrund steht. Ich habe erwartet das es viel offensichtlicher und stärker um die Rolle der Frau in dieser Zeit geht. Doch so war es letztlich nicht. Dass dieses Bild gar nicht so stark und direkt war, ist aber ggf. gewollt, da das nicht vorkommen von Anne in politischen und literarischen Diskussionen doch eben genau die Rolle der Frau gut wiederspiegelt. _______________ "Espoir" heißt übrigens übersetzt "Hoffnung". Ein perfekt gewählter Name für eine Zeitung in einem Nachkriegsroman.