Die Arbeiter: Roman
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Beiträge
Gekonnte Schilderung des Lebens einer Arbeiterfamilie aus dem Ruhrgebiet, aus Sicht des jüngsten Sohnes. Becker schildert das Leben dieser aussterbenden Arbeiterklasse mit allen Tiefen, aber auch mit den schönen Erlebnissen, die es trotz allem gab.
Nicht so gut wie erwartet
Was hab ich mich auf dieses Buch gefreut! Überall gute Bewertungen, der größte Teil spielt in unserer Nachbarschaft, und dann quäle ich mich durch das Buch. Kurze, unstrukturierte Sätze, wirre Gedanken und zähe Handlungsstränge haben es mir sehr schwer gemacht, insgesamt wenig Handlung, dafür aber viel Hin- und Herdenken. Sehr zäh!
Ein extrem bewegendes Klassen-Buch und zugleich eine sehr zärtliche Familienerinnerung. Man liest nicht nur über den Alltag von Menschen aus dem aussterbenden Arbeitermillieu, sondern auch von vielen kleinen Inseln des Glücks und von noch mehr großen Schären des Pechs - was für eine emotionale Achterbahnfahrt. Große Leseempfehlung.
In diesem autobiographischen Roman erzählt der Autor vom Aufwachsen als jüngstes von 4 Kindern in einer Arbeiterfamilie. Die Eltern rauchen und trinken viel um das Leben zu ertragen, versuchen dabei das beste für ihre Kinder zu erreichen, kämpfen um Darlehen, um wenigstens ein kleines bisschen Luxus erleben zu können, kommen immer wieder an ihre Grenzen, aber versuchen das beste daraus zu machen. An Liebe mangelt es nicht, aber an fast allem anderen. Die Ehrlichkeit des Autors, wenn er seine Gefühle schildert, wenn er sich und seine Familie beschreibt und vor allem auch die Gefühle gegenüber seiner ältesten Schwester Lisbeth, die behindert ist, hat mich sehr berührt. Ein sehr lesenswertes Buch!
“Die Arbeiter” von Martin Becker handelt von einer Arbeiterfamilie aus einfachen Verhältnissen in den 80er Jahren, die für ein Reihenhaus in einer Kleinstadt und einen Urlaub an der Nordsee leben. Mit einem gebrauchten Auto, viel Zigaretten und wenig Geld machen sich die Eltern mit ihrem Nachzügler auf den Weg zu einer Ferienwohnung an die Nordsee. Man kann sich schließlich etwas leisten, auch wenn es nur das Darlehen der Sparkasse ist. Das Leben der Familie mit vier Kindern, eins davon im Rollstuhl, besteht nur aus Arbeit. Der Vater schuftet für ein bisschen Glück, die Mutter eine Näherin, arbeitet nachmittags am Fließband und kümmert sich um die Kinder. Lisbeth im Rollstuhl und der Nachzügler sind ihre Herzenskinder. Um die beiden wird sich am meisten gekümmert. Der Roman wird in der Ich-Form des Nachzüglers oder auch “der Kurze”’ genannt, erzählt. Die Eltern sind bereits gestorben, für ihr Leben mit Alkohol, Nikotin, ungesunder Ernährung und Maloche zahlten sie frühzeitig ihren Preis. Der vierzigjährige Nachzügler hat nun selbst Familie und möchte bei seinem Sohn alles anders machen und doch fällt er in die Muster seiner Erziehung. Die Arbeiterfamilie träumte vom Lottogewinn, bis dahin wurden jedoch die vorhandenen Chancen mit viel Fleiß und Ratenzahlungen genutzt. Ein Sparkassendarlehen zu erhalten und sich etwas leisten zu können, war ausreichend. Die Familie pflegte keine sozialen Kontakte, hinter vorgehaltener Hand wurde im Ort getuschelt und sie wurden belächelt. Vergangenheit und Gegenwart werden im Wechsel erzählt; alles hängt unweigerlich zusammen und doch möchte man alles anders machen. Der Autor zieht den Leser in das unaufgeregte Leben und zeigt auf, dass sich eine Trennung zur Vergangenheit nicht so einfach realisieren lässt. Der Kurze trifft sich nach Jahren mit seiner Schwester Uta in Oostende um sich wieder anzunähern. Uta hat die Familie verlassen, sich kaum gemeldet und erzählt Geschichten von dem Vater als Bestimmer und einer Mutter, die niemals an etwas Schuld war. Viele Fragen bleiben bei den Treffen der Geschwister offen und erst der große Zusammenhang klärt auf. Martin Becker erzählt über eine Generation in der für Gefühle oder Gespräche wenig Platz war. Nichts wird glorifiziert- der Alltag wird schonungslos und in seiner Einfachheit beschrieben. Er lässt die Charaktere der Protagonisten real erscheinen, ihre Verhaltensweisen werden sehr detailliert beschrieben und auch das Empfinden der Kinder wird authentisch dargelegt. Emotionen und Werte werden vermittelt, die man in der Gegenwart überdenken sollte. Der Vater spricht nur ein einziges Mal von “heute haben wir das Glück im Rücken.” Sonst heißt es nur “Das Pech klebt uns wie Scheiße an den Fingern.” (S. 18) Der Autor schreibt in einem humorvollen, flüssigen Schreibstil über die früheren Arbeiterfamilien, die einfachen Verhältnisse und deren Entbehrungen. Trotz aller Erschwernisse, Schicksalschläge und Plackerei ist das Leben schön. Und zwischen Zigarettenqualm und Alkohol, wächst die nächste Generation heran. Eine gelungene Erzählung über die Arbeiter, einem verblassenden Relikt der Vergangenheit.
„Sie hatten nichts mehr zu lachen. Und haben es trotzdem getan“ (S.244). Und manchmal, ganz manchmal, da hatten sie neben dem Lachen auch das Glück im Rücken: bei der lang ersehnten Fahrt an die Nordsee, die durch die mühsam angesparte Reisekasse ermöglicht wurde; wenn Mutter und Sohn bei Aldi noch die letzten Outdoor-Jacken ergattern konnten; wenn sie es sich leisten konnten – die Discounter-Torte für Geburtstagsfeiern, den Eisbecher mit Sahne und das allabendliche Bier vor der Fernsehsoap im Privatfernsehen. Denn das alles, das war nun einmal ihr gutes Recht. Doch wer waren „sie“? Eine Familie aus dem sauerländischen Plettenberg, aus der sogenannten „Arbeiterklasse“ – ein Leben geprägt von Malocheralltag, protestantischem Arbeitsethos und der Schwierigkeit, das Stigma der Armut abzulegen. Geld – das große Lebensthema. Einkaufen als Euphorieschub und Ersatzbefriedigung. An Essen, Nikotin, Fleisch und Alkohol mangelte es nie. Dafür am Reden über Gefühle. Der Vater, einst Bergarbeiter und später Industrieschmied: ein Mann der wenigen Worte, der für die Arbeit lebte, bis sie ihn zerstörte. Die Mutter, resolut, redselig und vereinnahmend, war Näherin, Hausfrau und professionelle Schnäppchenjägerin. Die große Hoffnung; ja, die lag in jedem Rubbellos: ein Leben am Meer, ein Konto im Plus auch zum Monatsbeginn, ein Reihenhaus, das nicht bis zum Lebensende der Bank gehörte. Doch die Lottofee blieb aus, und statt ihrer kamen zahlreiche Schicksalsschläge – die Schwester, die kurz nach der Geburt starb, verstorbene Eltern, die die statistische Lebenserwartung nicht erreichten, Krankheiten wie Krebs und Demenz. Ein Leben mit hin und wieder Glück im Rücken, vor allem aber ein Leben mit Gegenwind. „Sie“ – das ist eine Familie, die so nicht mehr existiert, die gewisse Klischees und Stereotypen bedient und doch den allergrößten Respekt verdient. Uff. Und schon wieder sitze ich viel zu lange an einer Rezension und finde keine wirklichen Worte, die meinen Gedanken und Empfindungen zu „Die Arbeiter“ gerecht werden könnten. Schon lange nicht mehr hat mich ein Buch so tief bewegt, schon lange habe ich nicht mehr so viel Rotz und Wasser geheult. Die Gründe dafür – ich möchte sie an dieser Stelle nicht teilen. Vielleicht genügt es zu sagen, dass sich dieser Roman für Menschen wie mich, die nicht aus Akademikerfamilien stammen, an vielen Stellen wie eine verständnisvolle Umarmung angefühlt hat – auch wenn die jeweiligen Familienbiographien und damit verbundenen Problemlagen völlig unterschiedlich und nicht deckungsgleich sind bzw. sein müssen. Was mich an diesem vermutlich autofiktionalen Roman ebenfalls überzeugt hat, ist die ungeschönte Ehrlichkeit dieses Textes. Schon lange habe ich keinen so entwaffnend authentischen und schnörkellos intimen Text mehr gelesen, der oft erbarmungslos in der Betrachtung der eigenen Familie, Herkunft und der eigenen Person und dennoch gleichsam voller Wohlwollen, Nachsicht und Verständnis ist. Es braucht nicht immer hochtrabende, eloquente Worthülsen, die letztlich wenig sagen. Martin Becker sagt, auf seine Art, sehr viel – ganz ohne Larmoyanz, Verklärung oder Anklage –, sondern offenen Herzens und „Kopfes“, die Dinge reflektiert beim Namen nennend. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung für diesen literarischen Versuch des „Abschieds“, den es in der Tat möglicherweise nie wirklich geben kann und den Einblick in literarisch aufgearbeitete Lebensrealitäten, die ich auf dem deutschen Buchmarkt - auch mit Gegenwartsbezug - mittlerweile etwas vermisse. Denn gänzlich ausgestorben? Nein, ich denke nicht, nur vielleicht unsichtbar.
Von Hoffnung im Reihenhaus und Allwetterjacken vom Discounter…. Von Urlauben an der Nordsee in zweiter Reihe!
Wie ist so eine Kindheit in den 80er Jahren als jüngster Sohn von vier Kindern in einem Reihenhaus im Ruhrgebiet? Hier erfahren wir es… In eine Arbeiterfamilie mit 4 Kindern geboren, im sauerländischen Plettenberg lebend. Die Eltern schuften tagein tagaus für… ja wofür eigentlich? Für die Raten des bescheidenen Reihenhauses, die Urlaube an der Nordsee, immer nur ein paar Tage., für ein Stück vom Glück. Wir lesen von einfachen Verhältnissen, von großen Träumen, dem täglichen Kampf ums Auskommen und von bestätigten Lebenserwartungen. Lesen wir hier einen Roman oder eine Autobiografie? Ich denke, dieses Buch vereint beides. Martin Becker gewährt uns tiefe und private Einblicke in seine Kindheit und Jugend. Dabei schönt er nichts (zumindest wirkt es so) und legt den Finger in einige Wunden. Gleichzeitig schafft er mit seiner klaren Sprache eine Spannung, wie ich sie nicht erwartet habe. Er versetzt mich in meine eigene Kindheit und lässt mich Vergleiche ziehen. In einigen Punkten erkenne ich meine Familie wieder. Das starke Rauchen, die belegten Brote für anstehende lange Autofahrten und viele kleine Details. Ein Zeitsprung in Buchform. Ich habe sehr gehofft, dass diese Familie ihr Glück findet. Ob das passiert, verrate ich an dieser Stelle natürlich nicht. Die Antwort ist ohnehin nicht ganz einfach… Ich habe das Buch sehr gern gelesen und denke, dass es noch einige Zeit in mir nachhallen wird. Aber es ist an einigen Stellen wahrlich keine leichte Kost, denn das ist die schnöde Arbeiterfamilienrealitöt nie!
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Gekonnte Schilderung des Lebens einer Arbeiterfamilie aus dem Ruhrgebiet, aus Sicht des jüngsten Sohnes. Becker schildert das Leben dieser aussterbenden Arbeiterklasse mit allen Tiefen, aber auch mit den schönen Erlebnissen, die es trotz allem gab.
Nicht so gut wie erwartet
Was hab ich mich auf dieses Buch gefreut! Überall gute Bewertungen, der größte Teil spielt in unserer Nachbarschaft, und dann quäle ich mich durch das Buch. Kurze, unstrukturierte Sätze, wirre Gedanken und zähe Handlungsstränge haben es mir sehr schwer gemacht, insgesamt wenig Handlung, dafür aber viel Hin- und Herdenken. Sehr zäh!
Ein extrem bewegendes Klassen-Buch und zugleich eine sehr zärtliche Familienerinnerung. Man liest nicht nur über den Alltag von Menschen aus dem aussterbenden Arbeitermillieu, sondern auch von vielen kleinen Inseln des Glücks und von noch mehr großen Schären des Pechs - was für eine emotionale Achterbahnfahrt. Große Leseempfehlung.
In diesem autobiographischen Roman erzählt der Autor vom Aufwachsen als jüngstes von 4 Kindern in einer Arbeiterfamilie. Die Eltern rauchen und trinken viel um das Leben zu ertragen, versuchen dabei das beste für ihre Kinder zu erreichen, kämpfen um Darlehen, um wenigstens ein kleines bisschen Luxus erleben zu können, kommen immer wieder an ihre Grenzen, aber versuchen das beste daraus zu machen. An Liebe mangelt es nicht, aber an fast allem anderen. Die Ehrlichkeit des Autors, wenn er seine Gefühle schildert, wenn er sich und seine Familie beschreibt und vor allem auch die Gefühle gegenüber seiner ältesten Schwester Lisbeth, die behindert ist, hat mich sehr berührt. Ein sehr lesenswertes Buch!
“Die Arbeiter” von Martin Becker handelt von einer Arbeiterfamilie aus einfachen Verhältnissen in den 80er Jahren, die für ein Reihenhaus in einer Kleinstadt und einen Urlaub an der Nordsee leben. Mit einem gebrauchten Auto, viel Zigaretten und wenig Geld machen sich die Eltern mit ihrem Nachzügler auf den Weg zu einer Ferienwohnung an die Nordsee. Man kann sich schließlich etwas leisten, auch wenn es nur das Darlehen der Sparkasse ist. Das Leben der Familie mit vier Kindern, eins davon im Rollstuhl, besteht nur aus Arbeit. Der Vater schuftet für ein bisschen Glück, die Mutter eine Näherin, arbeitet nachmittags am Fließband und kümmert sich um die Kinder. Lisbeth im Rollstuhl und der Nachzügler sind ihre Herzenskinder. Um die beiden wird sich am meisten gekümmert. Der Roman wird in der Ich-Form des Nachzüglers oder auch “der Kurze”’ genannt, erzählt. Die Eltern sind bereits gestorben, für ihr Leben mit Alkohol, Nikotin, ungesunder Ernährung und Maloche zahlten sie frühzeitig ihren Preis. Der vierzigjährige Nachzügler hat nun selbst Familie und möchte bei seinem Sohn alles anders machen und doch fällt er in die Muster seiner Erziehung. Die Arbeiterfamilie träumte vom Lottogewinn, bis dahin wurden jedoch die vorhandenen Chancen mit viel Fleiß und Ratenzahlungen genutzt. Ein Sparkassendarlehen zu erhalten und sich etwas leisten zu können, war ausreichend. Die Familie pflegte keine sozialen Kontakte, hinter vorgehaltener Hand wurde im Ort getuschelt und sie wurden belächelt. Vergangenheit und Gegenwart werden im Wechsel erzählt; alles hängt unweigerlich zusammen und doch möchte man alles anders machen. Der Autor zieht den Leser in das unaufgeregte Leben und zeigt auf, dass sich eine Trennung zur Vergangenheit nicht so einfach realisieren lässt. Der Kurze trifft sich nach Jahren mit seiner Schwester Uta in Oostende um sich wieder anzunähern. Uta hat die Familie verlassen, sich kaum gemeldet und erzählt Geschichten von dem Vater als Bestimmer und einer Mutter, die niemals an etwas Schuld war. Viele Fragen bleiben bei den Treffen der Geschwister offen und erst der große Zusammenhang klärt auf. Martin Becker erzählt über eine Generation in der für Gefühle oder Gespräche wenig Platz war. Nichts wird glorifiziert- der Alltag wird schonungslos und in seiner Einfachheit beschrieben. Er lässt die Charaktere der Protagonisten real erscheinen, ihre Verhaltensweisen werden sehr detailliert beschrieben und auch das Empfinden der Kinder wird authentisch dargelegt. Emotionen und Werte werden vermittelt, die man in der Gegenwart überdenken sollte. Der Vater spricht nur ein einziges Mal von “heute haben wir das Glück im Rücken.” Sonst heißt es nur “Das Pech klebt uns wie Scheiße an den Fingern.” (S. 18) Der Autor schreibt in einem humorvollen, flüssigen Schreibstil über die früheren Arbeiterfamilien, die einfachen Verhältnisse und deren Entbehrungen. Trotz aller Erschwernisse, Schicksalschläge und Plackerei ist das Leben schön. Und zwischen Zigarettenqualm und Alkohol, wächst die nächste Generation heran. Eine gelungene Erzählung über die Arbeiter, einem verblassenden Relikt der Vergangenheit.
„Sie hatten nichts mehr zu lachen. Und haben es trotzdem getan“ (S.244). Und manchmal, ganz manchmal, da hatten sie neben dem Lachen auch das Glück im Rücken: bei der lang ersehnten Fahrt an die Nordsee, die durch die mühsam angesparte Reisekasse ermöglicht wurde; wenn Mutter und Sohn bei Aldi noch die letzten Outdoor-Jacken ergattern konnten; wenn sie es sich leisten konnten – die Discounter-Torte für Geburtstagsfeiern, den Eisbecher mit Sahne und das allabendliche Bier vor der Fernsehsoap im Privatfernsehen. Denn das alles, das war nun einmal ihr gutes Recht. Doch wer waren „sie“? Eine Familie aus dem sauerländischen Plettenberg, aus der sogenannten „Arbeiterklasse“ – ein Leben geprägt von Malocheralltag, protestantischem Arbeitsethos und der Schwierigkeit, das Stigma der Armut abzulegen. Geld – das große Lebensthema. Einkaufen als Euphorieschub und Ersatzbefriedigung. An Essen, Nikotin, Fleisch und Alkohol mangelte es nie. Dafür am Reden über Gefühle. Der Vater, einst Bergarbeiter und später Industrieschmied: ein Mann der wenigen Worte, der für die Arbeit lebte, bis sie ihn zerstörte. Die Mutter, resolut, redselig und vereinnahmend, war Näherin, Hausfrau und professionelle Schnäppchenjägerin. Die große Hoffnung; ja, die lag in jedem Rubbellos: ein Leben am Meer, ein Konto im Plus auch zum Monatsbeginn, ein Reihenhaus, das nicht bis zum Lebensende der Bank gehörte. Doch die Lottofee blieb aus, und statt ihrer kamen zahlreiche Schicksalsschläge – die Schwester, die kurz nach der Geburt starb, verstorbene Eltern, die die statistische Lebenserwartung nicht erreichten, Krankheiten wie Krebs und Demenz. Ein Leben mit hin und wieder Glück im Rücken, vor allem aber ein Leben mit Gegenwind. „Sie“ – das ist eine Familie, die so nicht mehr existiert, die gewisse Klischees und Stereotypen bedient und doch den allergrößten Respekt verdient. Uff. Und schon wieder sitze ich viel zu lange an einer Rezension und finde keine wirklichen Worte, die meinen Gedanken und Empfindungen zu „Die Arbeiter“ gerecht werden könnten. Schon lange nicht mehr hat mich ein Buch so tief bewegt, schon lange habe ich nicht mehr so viel Rotz und Wasser geheult. Die Gründe dafür – ich möchte sie an dieser Stelle nicht teilen. Vielleicht genügt es zu sagen, dass sich dieser Roman für Menschen wie mich, die nicht aus Akademikerfamilien stammen, an vielen Stellen wie eine verständnisvolle Umarmung angefühlt hat – auch wenn die jeweiligen Familienbiographien und damit verbundenen Problemlagen völlig unterschiedlich und nicht deckungsgleich sind bzw. sein müssen. Was mich an diesem vermutlich autofiktionalen Roman ebenfalls überzeugt hat, ist die ungeschönte Ehrlichkeit dieses Textes. Schon lange habe ich keinen so entwaffnend authentischen und schnörkellos intimen Text mehr gelesen, der oft erbarmungslos in der Betrachtung der eigenen Familie, Herkunft und der eigenen Person und dennoch gleichsam voller Wohlwollen, Nachsicht und Verständnis ist. Es braucht nicht immer hochtrabende, eloquente Worthülsen, die letztlich wenig sagen. Martin Becker sagt, auf seine Art, sehr viel – ganz ohne Larmoyanz, Verklärung oder Anklage –, sondern offenen Herzens und „Kopfes“, die Dinge reflektiert beim Namen nennend. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung für diesen literarischen Versuch des „Abschieds“, den es in der Tat möglicherweise nie wirklich geben kann und den Einblick in literarisch aufgearbeitete Lebensrealitäten, die ich auf dem deutschen Buchmarkt - auch mit Gegenwartsbezug - mittlerweile etwas vermisse. Denn gänzlich ausgestorben? Nein, ich denke nicht, nur vielleicht unsichtbar.
Von Hoffnung im Reihenhaus und Allwetterjacken vom Discounter…. Von Urlauben an der Nordsee in zweiter Reihe!
Wie ist so eine Kindheit in den 80er Jahren als jüngster Sohn von vier Kindern in einem Reihenhaus im Ruhrgebiet? Hier erfahren wir es… In eine Arbeiterfamilie mit 4 Kindern geboren, im sauerländischen Plettenberg lebend. Die Eltern schuften tagein tagaus für… ja wofür eigentlich? Für die Raten des bescheidenen Reihenhauses, die Urlaube an der Nordsee, immer nur ein paar Tage., für ein Stück vom Glück. Wir lesen von einfachen Verhältnissen, von großen Träumen, dem täglichen Kampf ums Auskommen und von bestätigten Lebenserwartungen. Lesen wir hier einen Roman oder eine Autobiografie? Ich denke, dieses Buch vereint beides. Martin Becker gewährt uns tiefe und private Einblicke in seine Kindheit und Jugend. Dabei schönt er nichts (zumindest wirkt es so) und legt den Finger in einige Wunden. Gleichzeitig schafft er mit seiner klaren Sprache eine Spannung, wie ich sie nicht erwartet habe. Er versetzt mich in meine eigene Kindheit und lässt mich Vergleiche ziehen. In einigen Punkten erkenne ich meine Familie wieder. Das starke Rauchen, die belegten Brote für anstehende lange Autofahrten und viele kleine Details. Ein Zeitsprung in Buchform. Ich habe sehr gehofft, dass diese Familie ihr Glück findet. Ob das passiert, verrate ich an dieser Stelle natürlich nicht. Die Antwort ist ohnehin nicht ganz einfach… Ich habe das Buch sehr gern gelesen und denke, dass es noch einige Zeit in mir nachhallen wird. Aber es ist an einigen Stellen wahrlich keine leichte Kost, denn das ist die schnöde Arbeiterfamilienrealitöt nie!