Das Narrenschiff: Roman | Eine epische Erzählung der DDR und ihrer Bürgerinnen und Bürger – von der Staatsgründung bis zum Mauerfall
Jetzt kaufen
Durch das Verwenden dieser Links unterstützt du READO. Wir erhalten eine Vermittlungsprovision, ohne dass dir zusätzliche Kosten entstehen.
Beiträge
Auf 750 Seiten beschreibt der Autor das Schicksal dreier befreundeter Familien in der DDR, von der Gründung 1949 bis zu ihrem Ende 1990. Unterschiedlich involviert in den Machtapparat der von Moskau geführten Arbeiter- und Bauernrepublik, wurschteln sich die Protagonisten durch die Absurditäten und Zumutungen des realsozialistischen Alltags. Lesenswert
Manche Leser beklagen den fehlenden Spannungsbogen, andererseits wird der Stil des Romans vermutlich dem DDR-Alltag am ehesten gerecht ohne ihn zu verkitschen. Der Sohn des Autors, Jakob Hein, schreibt auch schöne Bücher!
Historisch interessant und auch spannend, wobei die Umsetzung nur mäßig gelungen ist. Hölzerne Dialoge, Wiederholungen und ein recht eingeschränkter Blickwinkel zogen das Buch in die Länge. Man hatte fortwährend den Eindruck, der Autor hielte den Leser für etwas beschränkt. Trotzdem bin ich gern dabei geblieben, da ich insbesondere die Aufbaujahre zu Beginn der DDR interessant fand, worauf sich der Roman fokussiert.
Christoph Hein, geboren 1944 in Schlesien und aufgewachsen in der DDR, zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen Autoren der Gegenwart. Mit Werken wie Der fremde Freund (1982) oder Willenbrock (2000) hat er sich als scharfsinniger Chronist gesellschaftlicher Umbrüche und individueller Biografien im Spannungsfeld von Ideologie, Moral und Geschichte etabliert. Seine Romane sind häufig von leiser, aber präziser Kritik geprägt – sowohl an der DDR als auch an der gesamtdeutschen Realität nach der Wende. Umso größer war meine Erwartung an seinen neuen Roman Das Narrenschiff – schon allein der Titel weckt hohe Assoziationen. Nicht nur an Sebastian Brants spätmittelalterliche Moralsatire, sondern auch an die symbolische Kraft des „Schiffs“, das durch die Wirrnisse deutscher Geschichte fährt. Ich hatte gehofft, dass Hein mit diesem Werk ein eindrucksvolles, vielleicht gar epochales Porträt der Umbrüche rund um das Ende der DDR und die Nachwendezeit liefern würde – doch stattdessen wurde ich ernüchtert. Hein wählt eine Vielzahl von Figuren, die sämtlich der gebildeten und gehobenen Schicht entstammen – Ärztinnen, Architektinnen, Wissenschaftler*innen –, verortet in einem alten Sanatorium, das einem Neubauprojekt weichen soll. Die Idee, durch viele Stimmen ein Gesellschaftspanorama zu zeichnen, ist zunächst vielversprechend. Doch die Umsetzung enttäuscht. Die Vielzahl der Figuren verhindert echte Tiefe: Kaum jemand erhält ausreichend Raum zur Entwicklung, kaum eine Biografie bleibt wirklich haften. Im Versuch, Breite zu zeigen, verliert Hein die Tiefe – und opfert die emotionale Bindung an die Figuren. Auch thematisch bleibt das Buch seltsam einseitig. Zwar wird das Ende der DDR und die Zeit nach der Wende behandelt, aber zentrale gesellschaftliche Konfliktfelder – wie die Privatisierung volkseigener Betriebe, die soziale Entwurzelung der Arbeiterklasse oder das Auseinanderdriften der sozialen Schichten – bleiben weitgehend ausgeklammert. Stattdessen dominiert ein recht homogenes Milieu, das seinen Besitzstand gefährdet sieht, insbesondere durch drohenden Hausverlust. Das mag ein reales Problem gewesen sein, wirkt in der Auswahl jedoch eng und bürgerlich fixiert. Der Tonfall des Romans ist sachlich und sprachlich eher schlicht gehalten. Für ein kürzeres Werk oder punktuelle Passagen wäre diese Reduziertheit angemessen. Über die gesamte Länge hinweg aber wirkt sie monoton. Hein verzichtet auf stilistische Differenzierungen zwischen den Figuren, sodass deren Stimmen oft austauschbar wirken. Gerade bei einem Ensemble-Roman wäre sprachliche Individualisierung wünschenswert gewesen. Was bleibt, ist ein fragmentarischer Blick aus privilegierter Warte – intellektuell, aber nicht durchdringend; beobachtend, aber nicht analysierend. Wer sich für eine differenziertere literarische Auseinandersetzung mit DDR-Nachwirkungen interessiert, greife lieber zu Eugen Ruges In Zeiten des abnehmenden Lichts. Ruge gelingt es, persönliche und gesellschaftliche Dimensionen spannungsvoll zu verknüpfen, ohne sich in Klischees zu verlieren. Fazit: Das Narrenschiff enttäuscht die Erwartungen, die sein Titel und sein Autor wecken. Ein Roman, der mehr behauptet als zeigt, mehr andeutet als ausleuchtet – und letztlich an seinem eigenen Anspruch scheitert. Literarisch solide, aber inhaltlich zu seicht, um den Epochenbruch der deutschen Geschichte wirklich zu erfassen.
Sehr lesenswert. Informativ, spannend und gut geschrieben. Ein bisschen mehr zum letzten Jahr der DDR und vielleicht weiter rein in die Geschichte des geeinten Deutschlands hätte es reichen können.
ich bin ein wenig zwiegespalten... Der Inhalt des Buches ist sehr interessant, gut recherchiert und tatsächlich auch mit ein paar Dingen gespickt, die mir noch nicht so bekannt waren. Da ich selbst in der ehemaligen DDR geboren wurde, Vieles durch Verwandte auch genauer weiß, intressiert mich diese Zeit der Geschichte natürlich sehr. Die 750 Seiten lesen sich auch relativ schnell weg, ich bin innerhalb von 4 Tagen durch gewesen mit dem Buch. Allerdings habe ich selten ein solch emotionsloses Buch vor mir gehabt. Trotz der interessanten Zeit springt der Funke nicht wirklich über. Die Protagonisten sind ohne Probleme austauschbar, mit keinem wird man wirklich warm. Affären werden genauso gefühllos abgehandelt wie alle anderen Abläufe. Dialoge wirken oft hölzern und dann, wenn es eigentlich tatsächlich Dispute geben könnte, weil eben Kathinka, die Tochter von Yvonne, sich gegen die politischen Verhältnisse auflehnt, rebelliert gegen die stoische Art ihres Stiefvaters, sich wehrt gegen ihr unbegreifliche Entscheidungen, wird dies kaum ausgeführt, sondern wie ein Bericht sachlich nüchtern vorgetragen. Gerade diese Figur wäre doch aber super intressant gewesen... Oder Benaja Kuckuck mit seiner ironisch kritischen Art - warum wird da nicht mehr draus gemacht? Natürlich könnte man sagen, der Stil passt zu Aussage, denn eindrucksvoll zeigt Hein, wie man sich unterordnet, um Vorteile zu haben, wie man zur Marionette eines Staates wird, um nicht im Fokus von Verfolgung zu werden. Denn eins ist klar: emotionslos und "mundtot" funktionieren die Dinge für manche Einstellungen am besten. Aber mir war der Stil nicht angenehm, es spiegelt nicht wirklich Hein wider. Durchzogen von Redundanzen und häufig völlig unklaren Zeitsprüngen macht der Roman den Anschein, man hätte sich das Lektorat gespart. Als Leser kommt man sich ab und an vor, als wäre man zu dumm, Zusammenhänge zu begreifen, deshalb muss man immer wieder Dinge wiederholen. Ich mag Heins Werke eigentlich, aber hier ist meiner Meinung nach wahnsinnig viel Potential verschenkt worden. 🤷♀️
Beiträge
Auf 750 Seiten beschreibt der Autor das Schicksal dreier befreundeter Familien in der DDR, von der Gründung 1949 bis zu ihrem Ende 1990. Unterschiedlich involviert in den Machtapparat der von Moskau geführten Arbeiter- und Bauernrepublik, wurschteln sich die Protagonisten durch die Absurditäten und Zumutungen des realsozialistischen Alltags. Lesenswert
Manche Leser beklagen den fehlenden Spannungsbogen, andererseits wird der Stil des Romans vermutlich dem DDR-Alltag am ehesten gerecht ohne ihn zu verkitschen. Der Sohn des Autors, Jakob Hein, schreibt auch schöne Bücher!
Historisch interessant und auch spannend, wobei die Umsetzung nur mäßig gelungen ist. Hölzerne Dialoge, Wiederholungen und ein recht eingeschränkter Blickwinkel zogen das Buch in die Länge. Man hatte fortwährend den Eindruck, der Autor hielte den Leser für etwas beschränkt. Trotzdem bin ich gern dabei geblieben, da ich insbesondere die Aufbaujahre zu Beginn der DDR interessant fand, worauf sich der Roman fokussiert.
Christoph Hein, geboren 1944 in Schlesien und aufgewachsen in der DDR, zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen Autoren der Gegenwart. Mit Werken wie Der fremde Freund (1982) oder Willenbrock (2000) hat er sich als scharfsinniger Chronist gesellschaftlicher Umbrüche und individueller Biografien im Spannungsfeld von Ideologie, Moral und Geschichte etabliert. Seine Romane sind häufig von leiser, aber präziser Kritik geprägt – sowohl an der DDR als auch an der gesamtdeutschen Realität nach der Wende. Umso größer war meine Erwartung an seinen neuen Roman Das Narrenschiff – schon allein der Titel weckt hohe Assoziationen. Nicht nur an Sebastian Brants spätmittelalterliche Moralsatire, sondern auch an die symbolische Kraft des „Schiffs“, das durch die Wirrnisse deutscher Geschichte fährt. Ich hatte gehofft, dass Hein mit diesem Werk ein eindrucksvolles, vielleicht gar epochales Porträt der Umbrüche rund um das Ende der DDR und die Nachwendezeit liefern würde – doch stattdessen wurde ich ernüchtert. Hein wählt eine Vielzahl von Figuren, die sämtlich der gebildeten und gehobenen Schicht entstammen – Ärztinnen, Architektinnen, Wissenschaftler*innen –, verortet in einem alten Sanatorium, das einem Neubauprojekt weichen soll. Die Idee, durch viele Stimmen ein Gesellschaftspanorama zu zeichnen, ist zunächst vielversprechend. Doch die Umsetzung enttäuscht. Die Vielzahl der Figuren verhindert echte Tiefe: Kaum jemand erhält ausreichend Raum zur Entwicklung, kaum eine Biografie bleibt wirklich haften. Im Versuch, Breite zu zeigen, verliert Hein die Tiefe – und opfert die emotionale Bindung an die Figuren. Auch thematisch bleibt das Buch seltsam einseitig. Zwar wird das Ende der DDR und die Zeit nach der Wende behandelt, aber zentrale gesellschaftliche Konfliktfelder – wie die Privatisierung volkseigener Betriebe, die soziale Entwurzelung der Arbeiterklasse oder das Auseinanderdriften der sozialen Schichten – bleiben weitgehend ausgeklammert. Stattdessen dominiert ein recht homogenes Milieu, das seinen Besitzstand gefährdet sieht, insbesondere durch drohenden Hausverlust. Das mag ein reales Problem gewesen sein, wirkt in der Auswahl jedoch eng und bürgerlich fixiert. Der Tonfall des Romans ist sachlich und sprachlich eher schlicht gehalten. Für ein kürzeres Werk oder punktuelle Passagen wäre diese Reduziertheit angemessen. Über die gesamte Länge hinweg aber wirkt sie monoton. Hein verzichtet auf stilistische Differenzierungen zwischen den Figuren, sodass deren Stimmen oft austauschbar wirken. Gerade bei einem Ensemble-Roman wäre sprachliche Individualisierung wünschenswert gewesen. Was bleibt, ist ein fragmentarischer Blick aus privilegierter Warte – intellektuell, aber nicht durchdringend; beobachtend, aber nicht analysierend. Wer sich für eine differenziertere literarische Auseinandersetzung mit DDR-Nachwirkungen interessiert, greife lieber zu Eugen Ruges In Zeiten des abnehmenden Lichts. Ruge gelingt es, persönliche und gesellschaftliche Dimensionen spannungsvoll zu verknüpfen, ohne sich in Klischees zu verlieren. Fazit: Das Narrenschiff enttäuscht die Erwartungen, die sein Titel und sein Autor wecken. Ein Roman, der mehr behauptet als zeigt, mehr andeutet als ausleuchtet – und letztlich an seinem eigenen Anspruch scheitert. Literarisch solide, aber inhaltlich zu seicht, um den Epochenbruch der deutschen Geschichte wirklich zu erfassen.
Sehr lesenswert. Informativ, spannend und gut geschrieben. Ein bisschen mehr zum letzten Jahr der DDR und vielleicht weiter rein in die Geschichte des geeinten Deutschlands hätte es reichen können.
ich bin ein wenig zwiegespalten... Der Inhalt des Buches ist sehr interessant, gut recherchiert und tatsächlich auch mit ein paar Dingen gespickt, die mir noch nicht so bekannt waren. Da ich selbst in der ehemaligen DDR geboren wurde, Vieles durch Verwandte auch genauer weiß, intressiert mich diese Zeit der Geschichte natürlich sehr. Die 750 Seiten lesen sich auch relativ schnell weg, ich bin innerhalb von 4 Tagen durch gewesen mit dem Buch. Allerdings habe ich selten ein solch emotionsloses Buch vor mir gehabt. Trotz der interessanten Zeit springt der Funke nicht wirklich über. Die Protagonisten sind ohne Probleme austauschbar, mit keinem wird man wirklich warm. Affären werden genauso gefühllos abgehandelt wie alle anderen Abläufe. Dialoge wirken oft hölzern und dann, wenn es eigentlich tatsächlich Dispute geben könnte, weil eben Kathinka, die Tochter von Yvonne, sich gegen die politischen Verhältnisse auflehnt, rebelliert gegen die stoische Art ihres Stiefvaters, sich wehrt gegen ihr unbegreifliche Entscheidungen, wird dies kaum ausgeführt, sondern wie ein Bericht sachlich nüchtern vorgetragen. Gerade diese Figur wäre doch aber super intressant gewesen... Oder Benaja Kuckuck mit seiner ironisch kritischen Art - warum wird da nicht mehr draus gemacht? Natürlich könnte man sagen, der Stil passt zu Aussage, denn eindrucksvoll zeigt Hein, wie man sich unterordnet, um Vorteile zu haben, wie man zur Marionette eines Staates wird, um nicht im Fokus von Verfolgung zu werden. Denn eins ist klar: emotionslos und "mundtot" funktionieren die Dinge für manche Einstellungen am besten. Aber mir war der Stil nicht angenehm, es spiegelt nicht wirklich Hein wider. Durchzogen von Redundanzen und häufig völlig unklaren Zeitsprüngen macht der Roman den Anschein, man hätte sich das Lektorat gespart. Als Leser kommt man sich ab und an vor, als wäre man zu dumm, Zusammenhänge zu begreifen, deshalb muss man immer wieder Dinge wiederholen. Ich mag Heins Werke eigentlich, aber hier ist meiner Meinung nach wahnsinnig viel Potential verschenkt worden. 🤷♀️