Das flüssige Land
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Beschreibung
Autorenbeschreibung
Raphaela Edelbauer, geboren in Wien, studierte Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst. Für ihr Werk »Entdecker. Eine Poetik« wurde sie mit dem Hauptpreis der Rauriser Literaturtage ausgezeichnet. Außerdem wurde ihr der Publikumspreis beim Bachmann-Wettbewerb, der Theodor- Körner-Preis und der Förderpreis der Doppelfeld-Stiftung zuerkannt. Mit ihrem Roman »Das flüssige Land« stand sie auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises und des Österreichischen Buchpreises. Raphaela Edelbauer lebt in Wien.
Beiträge
Es war ziemlich verrückt, lol. Es ging um eine Frau, die in den Geburtsort ihrer Eltern zurückkehrte, nachdem diese bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, und das Dorf ist mehr als seltsam. Offiziellen Dokumenten zufolge hat es nie existiert, aber es existiert, und hat eine lange Bergbau-Geschichte. Sie haben den Hügel, auf dem die Stadt liegt, so sehr erschöpft, dass er jetzt praktisch hohl ist und die Stadt bereits anfängt, im Boden zu versinken. Und sie wollen, dass sie hilft. Außerdem gibt es in der Stadt eine Scheinmonarchie und Dutzende ungelöste Morde und Kriegsverbrechen aus der Nazizeit!
Ein Buch voller schöner Ideen, dessen Spannungsbogen sich aber leider etwas enttäuschend auflöst.
Ein merkwürdiges Buch. Durch die Mitte habe ich mich durchgequält, war mehrmals versucht abzubrechen. Man könnte die Sprache maniriert nennen , aber sie passt zu der Ich-Erzählerin, einer theoretischen Physikerin, die die Welt auf ihre eigene, distanzierte Art und Weise wahrnimmt und beschreibt. Die Autorin verwendet interessante und ungewöhnliche sprachliche Bilder und auch das surreale Setting ist gut beschrieben. Manches Mal dachte ich beim Lesen, dass es zu viel Worldbuilding ist, denn die Besonderheit der Ich-Erzählerin und wie sie die Welt wahrnimmt, hatte zur Folge, dass ich weder ihr noch anderen Personen noch der Welt, in der sie sich bewegt, irgendwie nahe gekommen bin. Als Leserin stehe ich vor dem Roman und seiner Geschichte wie vor einem Kuriositätenkabinett. Ich bin sicher, dass es Leser gibt, die genau so ein Leseerlebnis wertschätzen, für mich war es alles in allem eine interessante und auch in sich stimmige Erfahrung, aber kein Lesevergnügen.
Hier findet ihr meinen ausführlichen Lesevlog https://youtu.be/0W13EnDWlUo
Ruth Schwarz ist Physikerin – und zwar theoretische, wie sie immer wieder betont. Ihre Forschung bewegt sich jenseits der üblichen Vorstellungen, das Thema ihrer Doktorarbeit liest sich gar wie Science Fiction: sie beschäftigt sich mit dem Blockuniversum, einer alternativen Theorie über das Wesen der Zeit. Ruth sitzt schon einige Jahre an ihrer Habilitation, als die Nachricht vom Unfalltod ihrer Eltern sie erreicht. Bei der Planung der Beerdigung stößt sie auf ein unerwartetes Hindernis: ihre Eltern wollten in Groß-Einland, ihrem Geburtsort, begraben werden – aber niemand weiß, wo der sich überhaupt befindet. Er wird in keinem Atlas, keinem Geschichtsbuch, keinem Artikel im Internet erwähnt, bei keinem Amt ist er gemeldet. Wild entschlossen, diesen letzten Wunsch zu erfüllen, trägt Ruth akribisch alle Erinnerungen daran zusammen, was ihre Eltern jemals über den Ort oder ihre Kindheit gesagt haben. Schließlich fährt sie einfach los, mit Wahrscheinlichkeiten und Indizien anstatt Navi und Straßenkarte. Ihr Roadtrip wird zunehmend surreal, und dann ist es auf einmal da: Groß-Einland. Ein Ort wie aus dem Bilderbuch, mit einer Gräfin als Leitfigur einer Quasi-Aristokratie. Ruth ist gestrandet, aber verzaubert von der scheinbaren Idylle, fühlt sich zum ersten Mal in ihrem Leben heimisch – erst nach und nach enthüllt Groß-Einland ihr seine Geheimnisse. Der ganze Ort ist untergraben von einem gigantischen Hohlraum und sackt jeden Tag ein paar Zentimeter mehr in den Abgrund. Doch es gibt auch menschliche Abgründe, die in der Zeit des Nationalsozialismus verwurzelt sind… Raphaela Edelbauer erzählt ohne Zweifel eine vielschichtige, komplexe Geschichte. Die wird manchmal so surreal, geradezu grotesk, dass einem der Kopf schwirren kann, hat in meinen Augen die Nominierung für den Deutschen Buchpreis aber redlich verdient. Alleine schon durch unverbrauchte und tiefreichende Originalität – obwohl der Roman, wie ich anderen Rezensionen entnehme, durchaus polarisiert. Schon nach den ersten Seiten war ich indes rettungslos gefangen. Verzaubert und bereit, erstmal alles hinzunehmen, so fantastisch es auch sein möge, ließ ich die Sprache auf mich wirken. Raphaela Edelbauer bedient sich ungeheuer redegewaltiger Sätze, findet grandiose Bilder und Metaphern und Wortneuschöpfungen, die die absonderliche Welt von Groß-Einland perfekt zum Leben erwecken. Alles fließt und sickert und tropft und wabert – das flüssige Land eben. Aber es ist nicht nur die Sprache, die Sogwirkung entfaltet. Abstrakte Konzepte der Physik treffen hier auf Mystik und Philosophie, während Groß-Einland buchstäblich in einem Morast aus Schuld, Umweltzerstörung und Machtmissbrauch versinkt. Aus diesem seltsamen Konglomerat entsteht das Psychogramm einer Kleinstadt, deren Bewohner bereit sind, bis zum bitteren Ende alles zu leugnen – in jedweder Hinsicht. Sie ignorieren das Loch, das ihre Stadt zu verschlingen droht, wie sie wohl auch das Konzentrationslager ignoriert haben, das sich ehedem unter Tage befand. Derweil arbeiten heimische Wissenschaftler heimlich daran, Produkte wie Coca-Cola zu kopieren, um den Einwohnern eine Verbindung zur Außenwelt vorzugaukeln, die nicht besteht. Das ist Wahnsinn mit System. Es funktioniert, weil der Status Quo in dieser Stadt heilig und unantastbar ist, mit Gräfin Knapp-Korb von Weidenheim als seiner Hohepriesterin. (Die Namen in diesem Roman sind wunderbar sprechend.) Das alles würde absurd und lachhaft wirken, wenn es nicht dermaßen alptraumhaft wäre. So liest es sich jedoch über weite Strecken wie ein Fiebertraum, den auch Kafka niedergeschrieben haben könnte. Und das macht Spaß, irgendwie, während es den Leser zugleich mit in den Abgrund reißt. Ruth findet ihr Glück, Ruth wird um dieses Glück wieder betrogen, Ruth muss hinabsteigen, buchstäblich und im übertragenen Sinne, in die Abgründe dieser Stadt. Und sich dann entscheiden, ob sie diese Stadt retten will, um welchen Preis. Eine sonderbare und dennoch in sich schlüssige Heldenreise. Die Charaktere sind gnadenlos überzeichnet. Sie widersprechen sich, handeln unlogisch, werden auf Stereotypen reduziert, aber wie alles andere fügen sie sich nahtlos in diese verquere Welt. Die Gräfin zum Beispiel könnte der Herzkönigin die Hand reichen. Das passt, und deswegen wirken die Figuren meines Erachtens auch glaubhaft. Zu guter Letzt: Vieles bleibt offen, vieles muss man als Leser einfach hinnehmen, weil die Figuren es tun. Raphaela Edelbauer zieht das durch bis zum kompromisslosen Ende, und es funktioniert, – wenn man sich darauf einlässt. Für mich ist „Das flüssige Land“ ein echtes Highlight, wenn nicht sogar DAS Jahreshighlight 2019. Ist die Autorin wirklich erst 29? Es muss wohl was dran sein an der Theorie des Blockuniversums, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft alle gleichzeitig existieren, denn das Buch hat eine alterslose Qualität. Es ist unterhaltsam, spannend und erschreckend, auf jeden Fall jedoch zum Nachdenken anregend. FAZIT Ruths Eltern sind gestorben und haben zu Lebzeiten verfügt, in ihrer Heimatstadt Groß-Einland begraben werden zu wollen. Nur hat anscheinend nie jemand von diesem Ort gehört und er ist nirgendwo verzeichnet. Ruth macht sich dennoch auf die Suche und spürt letztendlich eine kleine Stadt auf, die über einem enormem Hohlraum gebaut wurde und seit Jahren immer weiter in den Abgrund sinkt. Und in diesem Loch wurden anscheinend schon seit langer Zeit alle Schandtaten und Geheimnisse der Stadt versenkt… Dieses Buch konnte mich mit seiner schieren Sprachgewalt und Originalität begeistern. Kafka trifft „Alice im Wunderland“ in einer Geschichte, die eine Vielzahl von Themen verbindet: die persönliche Schuld, das kollektive Wegsehen, die fehlgeleitete Sucht nach Harmonie – gewürzt mit schrägen Gestalten wie der falschen Gräfin Knapp-Korb von Weidenheim und kleinen Seitenhieben auf Heimatromane, wie eine 400-köpfige Blaskapelle. Diese Rezension erschien zunächst auf meinem Buchblog:https://wordpress.mikkaliest.de/rezension-raphaela-edelbauer-das-fluessige-land/
DNF. Das packt mich leider gar nicht und mein Interesse an der Geschichte wurde mit jeder Seite weniger. Schade.
Die Physikerin Ruth macht sich nach dem plötzlichen Unfalltod ihrer Eltern auf die Suche nach deren Heimatort, in dem sie vorher nie war. Der existiert offiziell nicht, sie findet ihn aber dennoch, und das große Bergbauloch, das sich unter dem Ort erstreckt und ihn allmählich zu verschlingen droht. Ab da wird es sehr mysteriös, verwirrend und kafkaesk, als Ruth versucht, die Geheimnisse der Stadt zu ergründen, dabei mehrere Jahre dort hängenbleibt und sich immer mehr in ihrer persönlichen und der (düsteren) Geschichte der Bewohner verstrickt. Streckenweise hat mich das stark an Murakami erinnert, wo man z.B. in Hardboiled-Wonderland auch nie genau weiß, ob sich die Episode gerade nur im Kopf des Protagonisten, in der Realität oder in einer Alternativrealität abspielt. Wer also Murakami mag, ist hier wahrscheinlich nicht ganz verkehrt. Sprachlich ist das Buch auf einem sehr hohen und geradezu poetischen Niveau und überhaupt wohl auch ein gewolltes Stilmittel, dass die Handlung manchmal so verwirrend ist, dass man als Leser sehr verwirrt zurückbleibt. Das dürfte das Empfinden der Protagonistin widerspiegeln. Ein ungewöhnliches, aber tolles Buch! Und durchaus mit einer sehr großen Portion (österreichischer) Gesellschaftskritik gespickt.
Ulrike oder Ursula – wer erklärt es mir?
Die Handlung ist zum Teil ziemlich konfus und unbefriedigend. An manchen Stellen hat es mich etwas an Kafka erinnert. Viele Fragen die Ruth stellt werden nicht beantwortet. Auch als Leserin kann ich mir diese Fragen nur im Zusammenreimen beantworten. Der Roman dreht sich um genau diesen Punkt: alles was unausgesprochen bleibt, alles was vertuscht wird und den Menschen die sich damit abfinden. Aber auch um die eigene Familiengeschichte, der Ruth ebenso auf die Spur kommen möchte. Das Groß-Einland kann als Metapher für alles verstanden werden, was in Österreich und auch Deutschland nach 1945 schön unterm Deckel gehalten wurde. Die Schweigekultur und auch wie dieses Schweigen fast schon zelebriert wird. Auch in der eigenen Familie und die eigene Rolle im Nationalsozialismus. Gleichzeitig dreht sich die Handlung auch darum, wie sich Ruth. immer mehr in diesem Ort verliert und ihre eigenen Probleme dabei durchaus eine Rolle spielen. Doch wie die Groß-Einländer ihre Geschichte beiseite schieben und der Gräfin die Kontrolle überlassen, ignoriert sie selbst ihre psychischen Probleme. Gleichzeitig verschiebt sich das Zeitempfinden und im Grunde kann man überhaupt nicht einschätzen, in welchem Zeitraum die Handlung eigentlich wirklich spielt. Zeit fühlt sich ja manches mal an, als ob sie rast oder zähflüssig dahin fließt. Das hat die Autorin ziemlich gut eingefangen. Das Loch das in der Stadt immer größere Bedeutung erhält, ist letztendlich die Metapher für all die Lügen und Geheimnisse des Dorfes. Die Zerstörung des Ortes liegt schwer über der Geschichte. Doch keine der Figuren der ... begegnet bricht das Schweigen. Alle verlieren sich in konfusen Antworten. Manche entschuldigen sich vor allem damit, das die Gräfin alles in der Hand hat und ignorieren die eigene Verantwortung komplett. Andere verlieren sich in kryptischen Antworten. Sicher ist nur das sie sich eher der Heimat verpflichtet fühlen, als den Toten, die der Ort zu verantworten hat. Die Vergangenheit solle gefälligst ruhen und Ruth solle sich nicht so egoistisch verhalten, sondern lieber den jetzigem Problem stellen und die Absenkung verhindern. Letztendlich hat mich der Roman über lange Strecken wirklich ziemlich für sich eingenommen. Doch das Ende hat mich ehrlich gesagt so wenig überzeugt, dass ich mehr abziehe, als ich zunächst gedacht hätte. Es wirkt nicht ganz stimmig für mich und macht die Hauptfigur zu einer Person, die letztendlich nicht nur vor der Wahrheit davonläuft, sondern sich der Schweigekultur anschließt. Damit erklärt die Autorin vielleicht authentisch, welche Mechanismen hinter der Schweigekultur nach 1945 stecken, aber ich finde auch, das Ende wirkt als habe die Autorin nicht so recht gewusst, was sie nun noch erzählen könnte. Schwierig zu erklären, aber ich persönlich fand es jedenfalls nicht besonders gelungen und gebe daher insgesamt nur eine mittlere Bewertung.
Ja, nein. Stellenweise unterhaltsam aber insgesamt pointless.
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AlleBeschreibung
Autorenbeschreibung
Raphaela Edelbauer, geboren in Wien, studierte Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst. Für ihr Werk »Entdecker. Eine Poetik« wurde sie mit dem Hauptpreis der Rauriser Literaturtage ausgezeichnet. Außerdem wurde ihr der Publikumspreis beim Bachmann-Wettbewerb, der Theodor- Körner-Preis und der Förderpreis der Doppelfeld-Stiftung zuerkannt. Mit ihrem Roman »Das flüssige Land« stand sie auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises und des Österreichischen Buchpreises. Raphaela Edelbauer lebt in Wien.
Beiträge
Es war ziemlich verrückt, lol. Es ging um eine Frau, die in den Geburtsort ihrer Eltern zurückkehrte, nachdem diese bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, und das Dorf ist mehr als seltsam. Offiziellen Dokumenten zufolge hat es nie existiert, aber es existiert, und hat eine lange Bergbau-Geschichte. Sie haben den Hügel, auf dem die Stadt liegt, so sehr erschöpft, dass er jetzt praktisch hohl ist und die Stadt bereits anfängt, im Boden zu versinken. Und sie wollen, dass sie hilft. Außerdem gibt es in der Stadt eine Scheinmonarchie und Dutzende ungelöste Morde und Kriegsverbrechen aus der Nazizeit!
Ein Buch voller schöner Ideen, dessen Spannungsbogen sich aber leider etwas enttäuschend auflöst.
Ein merkwürdiges Buch. Durch die Mitte habe ich mich durchgequält, war mehrmals versucht abzubrechen. Man könnte die Sprache maniriert nennen , aber sie passt zu der Ich-Erzählerin, einer theoretischen Physikerin, die die Welt auf ihre eigene, distanzierte Art und Weise wahrnimmt und beschreibt. Die Autorin verwendet interessante und ungewöhnliche sprachliche Bilder und auch das surreale Setting ist gut beschrieben. Manches Mal dachte ich beim Lesen, dass es zu viel Worldbuilding ist, denn die Besonderheit der Ich-Erzählerin und wie sie die Welt wahrnimmt, hatte zur Folge, dass ich weder ihr noch anderen Personen noch der Welt, in der sie sich bewegt, irgendwie nahe gekommen bin. Als Leserin stehe ich vor dem Roman und seiner Geschichte wie vor einem Kuriositätenkabinett. Ich bin sicher, dass es Leser gibt, die genau so ein Leseerlebnis wertschätzen, für mich war es alles in allem eine interessante und auch in sich stimmige Erfahrung, aber kein Lesevergnügen.
Hier findet ihr meinen ausführlichen Lesevlog https://youtu.be/0W13EnDWlUo
Ruth Schwarz ist Physikerin – und zwar theoretische, wie sie immer wieder betont. Ihre Forschung bewegt sich jenseits der üblichen Vorstellungen, das Thema ihrer Doktorarbeit liest sich gar wie Science Fiction: sie beschäftigt sich mit dem Blockuniversum, einer alternativen Theorie über das Wesen der Zeit. Ruth sitzt schon einige Jahre an ihrer Habilitation, als die Nachricht vom Unfalltod ihrer Eltern sie erreicht. Bei der Planung der Beerdigung stößt sie auf ein unerwartetes Hindernis: ihre Eltern wollten in Groß-Einland, ihrem Geburtsort, begraben werden – aber niemand weiß, wo der sich überhaupt befindet. Er wird in keinem Atlas, keinem Geschichtsbuch, keinem Artikel im Internet erwähnt, bei keinem Amt ist er gemeldet. Wild entschlossen, diesen letzten Wunsch zu erfüllen, trägt Ruth akribisch alle Erinnerungen daran zusammen, was ihre Eltern jemals über den Ort oder ihre Kindheit gesagt haben. Schließlich fährt sie einfach los, mit Wahrscheinlichkeiten und Indizien anstatt Navi und Straßenkarte. Ihr Roadtrip wird zunehmend surreal, und dann ist es auf einmal da: Groß-Einland. Ein Ort wie aus dem Bilderbuch, mit einer Gräfin als Leitfigur einer Quasi-Aristokratie. Ruth ist gestrandet, aber verzaubert von der scheinbaren Idylle, fühlt sich zum ersten Mal in ihrem Leben heimisch – erst nach und nach enthüllt Groß-Einland ihr seine Geheimnisse. Der ganze Ort ist untergraben von einem gigantischen Hohlraum und sackt jeden Tag ein paar Zentimeter mehr in den Abgrund. Doch es gibt auch menschliche Abgründe, die in der Zeit des Nationalsozialismus verwurzelt sind… Raphaela Edelbauer erzählt ohne Zweifel eine vielschichtige, komplexe Geschichte. Die wird manchmal so surreal, geradezu grotesk, dass einem der Kopf schwirren kann, hat in meinen Augen die Nominierung für den Deutschen Buchpreis aber redlich verdient. Alleine schon durch unverbrauchte und tiefreichende Originalität – obwohl der Roman, wie ich anderen Rezensionen entnehme, durchaus polarisiert. Schon nach den ersten Seiten war ich indes rettungslos gefangen. Verzaubert und bereit, erstmal alles hinzunehmen, so fantastisch es auch sein möge, ließ ich die Sprache auf mich wirken. Raphaela Edelbauer bedient sich ungeheuer redegewaltiger Sätze, findet grandiose Bilder und Metaphern und Wortneuschöpfungen, die die absonderliche Welt von Groß-Einland perfekt zum Leben erwecken. Alles fließt und sickert und tropft und wabert – das flüssige Land eben. Aber es ist nicht nur die Sprache, die Sogwirkung entfaltet. Abstrakte Konzepte der Physik treffen hier auf Mystik und Philosophie, während Groß-Einland buchstäblich in einem Morast aus Schuld, Umweltzerstörung und Machtmissbrauch versinkt. Aus diesem seltsamen Konglomerat entsteht das Psychogramm einer Kleinstadt, deren Bewohner bereit sind, bis zum bitteren Ende alles zu leugnen – in jedweder Hinsicht. Sie ignorieren das Loch, das ihre Stadt zu verschlingen droht, wie sie wohl auch das Konzentrationslager ignoriert haben, das sich ehedem unter Tage befand. Derweil arbeiten heimische Wissenschaftler heimlich daran, Produkte wie Coca-Cola zu kopieren, um den Einwohnern eine Verbindung zur Außenwelt vorzugaukeln, die nicht besteht. Das ist Wahnsinn mit System. Es funktioniert, weil der Status Quo in dieser Stadt heilig und unantastbar ist, mit Gräfin Knapp-Korb von Weidenheim als seiner Hohepriesterin. (Die Namen in diesem Roman sind wunderbar sprechend.) Das alles würde absurd und lachhaft wirken, wenn es nicht dermaßen alptraumhaft wäre. So liest es sich jedoch über weite Strecken wie ein Fiebertraum, den auch Kafka niedergeschrieben haben könnte. Und das macht Spaß, irgendwie, während es den Leser zugleich mit in den Abgrund reißt. Ruth findet ihr Glück, Ruth wird um dieses Glück wieder betrogen, Ruth muss hinabsteigen, buchstäblich und im übertragenen Sinne, in die Abgründe dieser Stadt. Und sich dann entscheiden, ob sie diese Stadt retten will, um welchen Preis. Eine sonderbare und dennoch in sich schlüssige Heldenreise. Die Charaktere sind gnadenlos überzeichnet. Sie widersprechen sich, handeln unlogisch, werden auf Stereotypen reduziert, aber wie alles andere fügen sie sich nahtlos in diese verquere Welt. Die Gräfin zum Beispiel könnte der Herzkönigin die Hand reichen. Das passt, und deswegen wirken die Figuren meines Erachtens auch glaubhaft. Zu guter Letzt: Vieles bleibt offen, vieles muss man als Leser einfach hinnehmen, weil die Figuren es tun. Raphaela Edelbauer zieht das durch bis zum kompromisslosen Ende, und es funktioniert, – wenn man sich darauf einlässt. Für mich ist „Das flüssige Land“ ein echtes Highlight, wenn nicht sogar DAS Jahreshighlight 2019. Ist die Autorin wirklich erst 29? Es muss wohl was dran sein an der Theorie des Blockuniversums, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft alle gleichzeitig existieren, denn das Buch hat eine alterslose Qualität. Es ist unterhaltsam, spannend und erschreckend, auf jeden Fall jedoch zum Nachdenken anregend. FAZIT Ruths Eltern sind gestorben und haben zu Lebzeiten verfügt, in ihrer Heimatstadt Groß-Einland begraben werden zu wollen. Nur hat anscheinend nie jemand von diesem Ort gehört und er ist nirgendwo verzeichnet. Ruth macht sich dennoch auf die Suche und spürt letztendlich eine kleine Stadt auf, die über einem enormem Hohlraum gebaut wurde und seit Jahren immer weiter in den Abgrund sinkt. Und in diesem Loch wurden anscheinend schon seit langer Zeit alle Schandtaten und Geheimnisse der Stadt versenkt… Dieses Buch konnte mich mit seiner schieren Sprachgewalt und Originalität begeistern. Kafka trifft „Alice im Wunderland“ in einer Geschichte, die eine Vielzahl von Themen verbindet: die persönliche Schuld, das kollektive Wegsehen, die fehlgeleitete Sucht nach Harmonie – gewürzt mit schrägen Gestalten wie der falschen Gräfin Knapp-Korb von Weidenheim und kleinen Seitenhieben auf Heimatromane, wie eine 400-köpfige Blaskapelle. Diese Rezension erschien zunächst auf meinem Buchblog:https://wordpress.mikkaliest.de/rezension-raphaela-edelbauer-das-fluessige-land/
DNF. Das packt mich leider gar nicht und mein Interesse an der Geschichte wurde mit jeder Seite weniger. Schade.
Die Physikerin Ruth macht sich nach dem plötzlichen Unfalltod ihrer Eltern auf die Suche nach deren Heimatort, in dem sie vorher nie war. Der existiert offiziell nicht, sie findet ihn aber dennoch, und das große Bergbauloch, das sich unter dem Ort erstreckt und ihn allmählich zu verschlingen droht. Ab da wird es sehr mysteriös, verwirrend und kafkaesk, als Ruth versucht, die Geheimnisse der Stadt zu ergründen, dabei mehrere Jahre dort hängenbleibt und sich immer mehr in ihrer persönlichen und der (düsteren) Geschichte der Bewohner verstrickt. Streckenweise hat mich das stark an Murakami erinnert, wo man z.B. in Hardboiled-Wonderland auch nie genau weiß, ob sich die Episode gerade nur im Kopf des Protagonisten, in der Realität oder in einer Alternativrealität abspielt. Wer also Murakami mag, ist hier wahrscheinlich nicht ganz verkehrt. Sprachlich ist das Buch auf einem sehr hohen und geradezu poetischen Niveau und überhaupt wohl auch ein gewolltes Stilmittel, dass die Handlung manchmal so verwirrend ist, dass man als Leser sehr verwirrt zurückbleibt. Das dürfte das Empfinden der Protagonistin widerspiegeln. Ein ungewöhnliches, aber tolles Buch! Und durchaus mit einer sehr großen Portion (österreichischer) Gesellschaftskritik gespickt.
Ulrike oder Ursula – wer erklärt es mir?
Die Handlung ist zum Teil ziemlich konfus und unbefriedigend. An manchen Stellen hat es mich etwas an Kafka erinnert. Viele Fragen die Ruth stellt werden nicht beantwortet. Auch als Leserin kann ich mir diese Fragen nur im Zusammenreimen beantworten. Der Roman dreht sich um genau diesen Punkt: alles was unausgesprochen bleibt, alles was vertuscht wird und den Menschen die sich damit abfinden. Aber auch um die eigene Familiengeschichte, der Ruth ebenso auf die Spur kommen möchte. Das Groß-Einland kann als Metapher für alles verstanden werden, was in Österreich und auch Deutschland nach 1945 schön unterm Deckel gehalten wurde. Die Schweigekultur und auch wie dieses Schweigen fast schon zelebriert wird. Auch in der eigenen Familie und die eigene Rolle im Nationalsozialismus. Gleichzeitig dreht sich die Handlung auch darum, wie sich Ruth. immer mehr in diesem Ort verliert und ihre eigenen Probleme dabei durchaus eine Rolle spielen. Doch wie die Groß-Einländer ihre Geschichte beiseite schieben und der Gräfin die Kontrolle überlassen, ignoriert sie selbst ihre psychischen Probleme. Gleichzeitig verschiebt sich das Zeitempfinden und im Grunde kann man überhaupt nicht einschätzen, in welchem Zeitraum die Handlung eigentlich wirklich spielt. Zeit fühlt sich ja manches mal an, als ob sie rast oder zähflüssig dahin fließt. Das hat die Autorin ziemlich gut eingefangen. Das Loch das in der Stadt immer größere Bedeutung erhält, ist letztendlich die Metapher für all die Lügen und Geheimnisse des Dorfes. Die Zerstörung des Ortes liegt schwer über der Geschichte. Doch keine der Figuren der ... begegnet bricht das Schweigen. Alle verlieren sich in konfusen Antworten. Manche entschuldigen sich vor allem damit, das die Gräfin alles in der Hand hat und ignorieren die eigene Verantwortung komplett. Andere verlieren sich in kryptischen Antworten. Sicher ist nur das sie sich eher der Heimat verpflichtet fühlen, als den Toten, die der Ort zu verantworten hat. Die Vergangenheit solle gefälligst ruhen und Ruth solle sich nicht so egoistisch verhalten, sondern lieber den jetzigem Problem stellen und die Absenkung verhindern. Letztendlich hat mich der Roman über lange Strecken wirklich ziemlich für sich eingenommen. Doch das Ende hat mich ehrlich gesagt so wenig überzeugt, dass ich mehr abziehe, als ich zunächst gedacht hätte. Es wirkt nicht ganz stimmig für mich und macht die Hauptfigur zu einer Person, die letztendlich nicht nur vor der Wahrheit davonläuft, sondern sich der Schweigekultur anschließt. Damit erklärt die Autorin vielleicht authentisch, welche Mechanismen hinter der Schweigekultur nach 1945 stecken, aber ich finde auch, das Ende wirkt als habe die Autorin nicht so recht gewusst, was sie nun noch erzählen könnte. Schwierig zu erklären, aber ich persönlich fand es jedenfalls nicht besonders gelungen und gebe daher insgesamt nur eine mittlere Bewertung.
Ja, nein. Stellenweise unterhaltsam aber insgesamt pointless.